Leontina saß wieder einmal auf dem Weidezaun hinter dem Haus der Montoyas. Chocolate und die beiden anderen Stuten grasten ganz in der Nähe. Eine ganze Weile saß sie jetzt schon alleine hier. Sie musste nachdenken, auch wenn das Thema alles andere als einfach war...
Kurz nach dem Mittagessen hatte Martina sie mit ihrer eigenen Stute wieder abgeholt und sie waren die paar Kilometer zurück nach Hause geritten. Beim Mittagessen war Leontina sich sehr beobachtet vorgekommen. Immer wieder hatte sie aus dem Augenwinkel die Blicke verschiedener Kelly-Geschwister bemerkt, vor allem Jimmys und Patricias, aber auch Barby hatte sie immer wieder nachdenklich angeschaut. Und natürlich Paddy. Einmal hatten sich ihre Blicke getroffen, und was sie da gesehen hatte, verunsicherte sie noch mehr. Da war diese Traurigkeit in seinen tiefblauen Augen gewesen... War sie daran schuld?
Die ganze Situation beim Essen war irgendwie angespannt gewesen, Leontina war froh, als es endlich vorüber war und kurz darauf Martina aufgetaucht war, um sie abzuholen. Beinahe fluchtartig war sie aufgebrochen...
Sie pflückte sich einen langen Grashalm und dachte an Paddys Kuss. Sie kam einfach nicht weiter. Warum hatte er das gemacht? Und vor allem, was erwartete er jetzt von ihr?? Leontina schloss die Augen und seine dunkelblauen Augen tauchten vor ihr auf, und dann Paddys Lächeln bevor er seine Augen schloss und ihr so nahe kam...
Im Nachhinein wunderte Leo sich, dass sie nicht (dann zum zweiten Mal) vom Baum gefallen war, sie hatte sich so erschrocken, als Paddys Gesicht auf einmal immer näher kam. Es war so schnell gegangen, nie hätte sie gedacht, dass er sie küssen würde!!
Und jetzt saß sie da und wusste nicht mehr, wie sie sich verhalten sollte. Sie hasste es, nicht zu wissen was zu tun war! Irgendwie war sie beinahe sauer auf Paddy, dass er sie in diese Situation gebracht hatte. Und dabei mochte sie ihn richtig gern – sie hätte noch die ganze Nacht mit ihm auf diesem Baum sitzen können. Aber ihn zu küssen, das war ihr bisher nicht in den Sinn gekommen...
Sie fing an, den Grashalm um ihren Finger zu wickeln, als ein Schatten auf ihre Hand fiel. Sie blickte zur Seite – Salva stand neben ihr am Zaun. Ha! Sie würde ihn fragen – schließlich war er ein Mann. Er musste einfach wissen, was das alles zu bedeuten hatte... Leontina räusperte sich.
„Ähm Salva, sag mal... du bist doch ein Mann, also... das heißt, du warst ja auch mal ein Junge... und ähm... also angenommen du würdest ein Mädchen – eine Freundin - küssen, nur ganz kurz, ähm – auf den Mund, also – was würde das bedeuten, was sollte sie dabei denken?"
Salvatore musste sich sehr anstrengen, ein ernstes Gesicht zu machen. Soso. Da hatte also jemand ihre kleine Leo geküsst. Naja, früher oder später würde das passieren, klar, aber war sie denn schon soweit? Und wer war es gewesen? Paddy? Oder Angelo?
„Tja, was würde das bedeuten? Vermutlich, dass ich dieses Mädchen sehr sehr gerne mag."
Leontina schaute ihn unsicher an und spielte mit dem langen Grashalm in ihrer Hand.
„Uhmmm... und ähm, also würdest du erwarten dass das Mädchen dich dann auch küsst? Irgendwann?"
Salva fiel es nun wirklich schwer nicht zu lachen, so unbeholfen hatte er Leo selten erlebt... offensichtlich war sie noch nicht so weit...
„Naja, schön wäre es wahrscheinlich schon..." Er lächelte Leo aufmunternd an.
„Aha. Aber da reicht dann auch ein Kuss auf die Wange, oder? Oder muss das dann eher auch auf den Mund sein??" Leo runzelte die Stirn und machte ein ziemlich komisches Gesicht.
„Leo, hör mal. Egal was der andere möchte, du brauchst nur das zu tun, was DU wirklich willst."
„Hm.... ja ich weiß schon... aber Papa sagt immer, man muss auch auf andere achten und versuchen, niemanden zu verletzen, mit dem wie man sich verhält..." Und ich will Paddy nicht verletzen, fügte sie in Gedanken hinzu.

DU LIEST GERADE
Growing up oder: lost and found
RomanceSpanien 1994. Zwei Familien, zwei Geschichten. Beide sind Reisende aber aus unterschiedlichen Gründen. Beiden fehlt etwas, doch was sie finden, macht es nicht gerade leichter... Als wäre es Schicksal, kreuzen sich ihre Wege nicht nur einmal. Eine Ge...