Hey Paddy,
dies hier wird kein gewöhnlicher Fanbrief, das sage ich schon mal vorweg. Ich muss dir nämlich leider schreiben, dass ich eure Musik schrecklich finde... nein ehrlich, ich kann mir das nicht anhören, aber gut, Musik ist ja Geschmackssache.
Aber ich stelle mich erst mal vor: ich bin gerade 17 geworden, lebe mit meiner Familie in Hamburg, spiele am liebsten Cello und esse unheimlich gerne Eis. Ich mag Tiere, am liebsten Hunde und Vögel und manchmal hab ich auch selbst einen ... haha, kleiner Scherz... So, dass muss erst mal reichen.
Und warum um alles in der Welt schreibe ich dir hier, fragst du dich vielleicht jetzt?
Tja, vermutlich habe ich den gleichen Grund wie manch anderer – ich will dich kennenlernen. Ich hab dich auf Videos gesehen und ich will einfach wissen wer du wirklich bist.
Viel mehr kann ich auch gar nicht schreiben, denn ich kenne dich nicht wirklich und ob du diesen Brief überhaupt liest weiß ich auch nicht.
Aber falls du neugierig bist und wissen möchtest wer ich bin, dann melde dich einfach.
Ich wünsche dir alles Gute und schicke
liebe Grüße,
M.
Paddy starrte ungläubig auf das Papier in seiner Hand. Es war der zweite „Fanbrief" den er gerade geöffnet hatte und vermutlich der kürzeste, den er je bekommen hatte. Den ersten hatte er nach drei Zeilen beiseite gelegt, zu oft hatte er dieselben Worte schon gelesen...
Aber was hier stand konnte er kaum glauben. Nicht mal ein Name. Auch bei der Adresse als Vorname nur M. Und sie fand ihre Musik schrecklich, sieh an. Dass er so was nochmal lesen würde... Er musste schmunzeln bei dem Gedanken an ein Mädchen, das das Gesicht verzog wenn im Radio eines ihrer Lieder gespielt wurde. Irgendwie fand er das gar nicht mal so schlecht. Tatsächlich mal etwas Anderes. Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn in seine Hosentasche, wer weiß, vielleicht würde er ja mal zurück schreiben. Zum ersten Mal.
***
Leo saß am Rande der Tanzfläche auf einer Stufe und schaute ins Leere. Dass sie sich amüsierte wäre zu viel gesagt. Die Musik war nicht gerade mitreißend, eher nichtssagend, und die meisten Leute hier waren älter als sie und in vermutlich sehr wichtige Gespräche vertieft.
Aus dem Augenwinkel sah sie Paddy an der Bar mit einem der Briefe in der Hand. Leo wusste nicht was sie davon halten sollte und beschloss, die ganze Sache einfach zu ignorieren. Es ging sie ja im Grunde auch nichts an.
Wo waren eigentlich die ganzen anderen? Gab es hier noch mehrere Räume? Seit längerer Zeit hatte sie niemanden von den Kellys mehr gesehen. Wenn nicht bald mal jemand auftauchte, würde sie sich wohl auf die Suche machen müssen, wenn sie nicht den ganzen Abend hier allein verbringen wollte.
Gerade als sie sich wunderte, wie lange überhaupt sie hier wohl noch ausharren musste, tauchte eine Hand in ihrem Sichtfeld auf. Verwundert schaute Leo nach oben und konnte kaum glauben, wen sie da vor sich sah.
„Na junge Dame, darf ich um diesen Tanz bitten?" Ein breites Grinsen zeigte blitzend weiße Zähne zusammen mit zwei dunklen Augen, die sie lachend anblickten.
Leo nahm die ihr angebotene Hand an und wurde mit einem Ruck auf die Füße gezogen. Einen kurzen Moment war sie sprachlos, doch dann fing sie sich und konnte ihre Überraschung nicht mehr verbergen.
„Was machst DU hier?" Also ehrlich, nie hätte sie gedacht, ihn hier wieder zu treffen! Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und ihr Gegenüber fand sich in einer spontanen Begrüßungsumarmung wieder.
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Growing up oder: lost and found
RomanceSpanien 1994. Zwei Familien, zwei Geschichten. Beide sind Reisende aber aus unterschiedlichen Gründen. Beiden fehlt etwas, doch was sie finden, macht es nicht gerade leichter... Als wäre es Schicksal, kreuzen sich ihre Wege nicht nur einmal. Eine Ge...