Kapitel 27

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>> Ach, Liebes. Was machst du denn für ein Gesicht? << hörte ich die Stimme meines Vaters ganz nah an meinem Ohr murmeln. Ich seufzte, da ich wusste, dass es keinen Zweck hatte es zu leugnen. Er wusste es – wusste mein allergrößtes Geheimnis.

>> Aber wie ...? << Ich blickte ihn mit verblüfftem Blick an – das Flehen in meiner Stimme war nicht zu überhören als ich hinzufügte >> Wer noch? << er lächelte mich beruhigend an, bevor er antwortete.

>> Ich bin doch nicht blind, Lucy. Ich hatte mich schon so auf den Tag gefreut, an dem ich ihn meinen Schwiegersohn nennen konnte, aber ihr jungen Leute heutzutage, müsst ja immer alles so verkomplizieren. Natürlich weiß deine Mutter Bescheid – das war's dann aber auch schon. <<

Ich hatte meine Augen so weit aufgerissen, dass ich befürchtete sie könnten jeden Moment herausfallen. Schwiegersohn? Verkomplizieren? – das war alles einfach zu viel für mich. Mir stiegen Tränen in die Augen, was meinen Vater dazu veranlasste mich noch näher an sich zu ziehen, sodass die Schläuche, an die er angeschlossen war und die an ihm herabhangen, sich unangenehm in meine Seite bohrten.

Dann atmete er einmal tief durch. >> Also ... wenn ich nicht mehr da bin - << ich unterbrach ihn, bevor er das Unausweichliche aussprechen konnte. >> Nein! Nein, Dad! << meine Stimme klang flehend, doch er fuhr einfach unverwandt fort.

>> Wenn ich nicht mehr da bin, versprich mir, dass du ab und zu nach deiner Mutter siehst. Ich weiß ihr habt nicht das beste Verhältnis – da bin ich auch nicht ganz unschuldig – aber sie ist dann ganz allein, außer deinem Bruder und du weißt ja wie er manchmal sein kann. << ich konnte nicht verhindern, dass sich eine Träne nach der anderen ihren Weg über meine Wange zu meinem Kinn suchte, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte nicht zu weinen.

>> Ihr müsst euch ja auch nicht zuhause treffen. Geht in ein schönes Café oder in den Park um die Ecke, wenn du eine Begegnung mit Collin vermeiden willst. Vielleicht kann deine Mutter dich auch mal ein Boston besuchen kommen. << beendete er seine Bitte an mich. >> Ich ... ich verspreche es << schniefte ich. >> aber du - << setzte ich anschließend an, doch er ließ mich nicht ausreden.

>> Doch, ich werde sterben. Das kann ich spüren. Schon seit einer ganzen Weile habe ich dieses Gefühl ... hier drinnen. << er klopfte sich sanft auf die Brust. >> Und es ist okay, wirklich. Ich habe alles was ich jemals gewollt hatte erreicht und für einen gewissen Zeitraum habe ich das perfekte Leben gelebt. Es ist okay... <<

Keiner von uns traute sich etwas hinzuzufügen. Also saßen wir nur so da und schwiegen. Zumindest bis eine Schwester kam, um meinen Vater zu einer Untersuchung abzuholen.

>> Also dann, Liebes. Mach es gut. Daddy hat dich lieb. Vergiss' das nie, ja? << jetzt standen auch ihm Tränen in den Augen. Dieses Auf Wiedersehen war nicht mit einem Vorigen zu vergleichen – das wussten wir beide.

Ich musste ein weiteres Mal schwer schlucken. >> Ich dich auch, Dad. << Verzweifelt klammerte ich mich an ihn, als würde er verschwinden, sobald ich meine Umarmung auch nur einen Zentimeter löste. Mit geschlossenen Augen nahm ich meinen Vater in mir auf – seinen Geruch, das Gefühl seiner Nähe, die Erinnerungen, unsere Unterhaltung von eben und alle Worte, die noch unausgesprochen in der Luft schwebten.

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich es über mich brachte, mich von meinem Vater zu lösen – als ich die Tür hinter mir zu zog fühlte es sich so endgültig an. Danach irrte ich eine Zeit lang ziellos in der Stadt herum, auf der Suche nach einem Ort, an dem ich mich den restlichen Tag vor meinem Bruder verstecken konnte, der mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zuhause auf der Couch saß. 

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