Kapitel 54

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>> Okay, hast du alles? <<

Meine Fingernägel im Türstock vergraben starrte ich Will an, der gerade seine Tasche in den Kofferraum lud. Als er ihn dann mit einem Knall schloss, lächelte er mich an >> Ja. Das hast du mich jetzt schon zum dritten Mal gefragt. <<

Er kam auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen – seine Haare waren immer noch etwas zerzaust von unserer kleinen Versöhnung. Mit einem Seufzer ließ ich mich in seine Arme sinken und murmelte in sein Shirt >> Ich werde dich so vermissen. <<

Fast kamen mir die Tränen, als sich seine warmen Arme um mich schlangen. Dann beugte er sich zu herunter um mir etwas ins Ohr zu flüstern >> Ich würde mir auch Sorgen machen, wenn es anders wäre. <<

Mit einem empörten >> Hey! << schlug ich Will auf die Brust, der mich jedoch einfach noch näher an sich zog und mir einen sanften Kuss auf den Haaransatz drückte >> Du wirst mir auch fehlen, und wie. << Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten wir uns endlich voneinander und ich spürte wieder den nervigen Druck von Tränen hinter meinen Augen.

Will schien zu ahnen, wie nahe ich einem Gefühlsausbruch stand, denn er beugte sich noch einmal zu mir herunter, gab mir einen gefühlvollen Kuss und legte dann seine Stirn an meine. >> Ich liebe dich, Lucy. << unfähig die Worte zu erwidern nickte ich nur.

Dann trat Will einen Schritt zurück, lächelte mich aufmunternd an und ging dann Richtung Auto. Bevor er einstieg formte er noch ein letztes Mal die alles entscheidenden drei Worte mit den Lippen. Mit ausdrucklosem Gesicht stand ich auf unserer Veranda als der Motor aufröhrte, der Wagen aus der Einfahrt fuhr und wenige Sekunden später nichts mehr von Wills Anwesenheit hier zeugte.

>> Ich liebe dich auch << flüsterte ich in die Leere, während meine Tränen sich stumm einen Weg nach draußen bahnten.

>> <<

Meine Mutter schien am nächsten Tag ziemlich verblüfft zu sein, als ich meine Abreise am Abend ankündigte. Ich wollte nicht länger in der Stadt bleiben, in der ich meine große Liebe kennengelernt, ausgelebt und – zumindest vorüber – verloren hatte.

Zurück in Boston versuchte ich mal wieder bestmöglich zu meinem alten Leben zurückzukehren – alter Job, alte Wohnung, alte Einsamkeit. Bei Will und mir herrschte Funkstille, ganz wie wir es besprochen hatten und auch mit Tamy war der Kontakt nach einem schmerzhaft schönen Bericht über ihre Flitterwochen langsam abgeschwächt.

Jeden Abend wenn ich in meinem Bett lag dachte ich über meine Zeit mit Will nach – das Wochenende, das alles verändert hatte. An schlechten Tagen fragte ich mich dann, ob ich den größten Fehler meines Lebens begangen hatte, indem ich ihm diese vier Monate Ehe aufgezwungen hatte. An weniger guten Tagen malte ich mir aus, wie die beiden glücklich bei einem Glas Wein auf ihrer Designercouch saßen und kuschelten.

Welcher Fall auch immer zutraf, ich für meinen Teil hatte meine Gefühle endlich ordnen können – ich empfand für Will etwas starkes, stärker als Freundschaft, stärker als Verlangen. Auch wenn ich dieses Gefühl noch nie zuvor empfunden hatte, musste ich mir eingestehen, dass es nichts anderes als blinde, unendlich tiefe Liebe war.

Und genau das machte ein Leben ohne ihn zur schwersten Prüfung, die ich in meinem ungerechten Leben jemals bestreite musste. 

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