Kapitel 61

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Seit über 40 Minuten wartete ich nun schon auf dem verlassenen Hügel. Durch die immer wiederkehrenden Regenschauer war hier um diese Zeit viel weniger los als sonst.

Meine Kleidung war nass und ich sehnte mich nach einem warmen, trockenen Plätzchen. Trotzdem konnte ich mich nicht überwinden schon zu gehen – vielleicht war etwas dazwischen gekommen, vielleicht hatte er einen Unfall oder er hatte sich verfahren.

Mit jeder weiteren Minute die verstrich, wurde mir bewusst wie bescheuert diese Idee war – ich wartete hier auf einen verheirateten Mann. Einen verheirateten Mann, der mir gestern um ein Haar gesagt hatte, dass er mich liebte.

Wieso sollte er das tun, nur um mich heute sitzen zu lassen. Will war kein Mann, der mit Frauen spielte – war er noch nie gewesen und würde er auch nie sein. Er hatte schon immer zu seinen Gefühlen gestanden – außer ... außer was mich anging.

Er hatte seine Gefühle für mich all die Jahre verborgen gehalten – vor mir und vor allen anderen.

Er hatte aber auch gesagt, dass er mich liebte, dass er verrückt nach mir war, dass er mir nie wieder von der Seite weichen würde.

Diese Tatsachen standen jedoch im kompletten Gegensatz zu der Kirchturmglocke, die soeben ihren siebten Schlag tönen ließ. Vielleicht sollte ich der Wahrheit einfach ins Auge sehen.

Am Ende hatte er sich doch für sie entschieden – wer konnte es ihm verdenken. Sie war seine Frau und obwohl sie meine beste Freundin war, hasste ich Tamy in diesem Moment. Nicht, weil sie Will nicht verdient hatte oder weil er sie mir vorgezogen hatte, sondern weil sie meinen Traum leben durfte.

Den Traum, denn ich seit so vielen Jahren hinterherjagte – den ich zuerst gar nicht wahrgenommen und dann versucht hatte zu verdrängen. Doch egal wie sehr ich mich auch dagegen gewährt hatte, es hatte nichts geholfen.

Immer wieder war in mir diese verdammte Hoffnung aufgekeimt – dass er mich auch wollte, ich ihm auch etwas bedeutete, dass wir für einander bestimmt waren.

Vielleicht hatte ich einfach zu lange dagestanden und nichts getan – hatte zu lange gebraucht um mir meiner Gefühle überhaupt bewusst zu werden. Und jetzt war unsere Zeit vorbei – wir hatten den Zeitpunkt verpasst und die Zeit konnte man nun mal nicht zurückdrehen.

Ich spürte wie in mir die salzigen Tränen aufstiegen und beschloss deshalb mich auf den Heimweg zu machen. Die durchgefrorenen Finger in den Hosentaschen vergraben begann ich nach unten zu schlendern und wurde auf halben Weg auf eine Silhouette am Fuße des Berges aufmerksam.

Der letzte Rest Hoffnung in mir raffte sich auf und drängte mich dazu schneller zu laufen. Will sah mich kommen, machte jedoch keine Anstalten sich zu bewegen.

Da wusste ich, dass etwas nicht stimmte.

Ich blieb wenige Meter vor ihm stehen und studierte ihn eingehend – er sah abgekämpft aus. Nicht seine Kleidung oder seine Haare, sondern seine Augen und sein Gesichtsausdruck.

Seine Wangen wirkten eingefallen und unter seinen Augen hatte sich Blut angesammelt – mir lief es kalt den Rücken herunter. Ich wollte irgendetwas sagen, aber meine Kehle war wie zugeschnürt.

Will war derjenige, der das Schweigen brach und ich wünschte mir sofort er hätte es nicht getan.

>> Sie ist schwanger, Lucy. <<

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