Kapitel 25

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Über 10 Stunden später stand ich dann endlich vor dem Haus, das ich 18 Jahre lang mein Zuhause genannt hatte. Meine Mutter schloss mich in eine überraschend herzliche Umarmung und mein Bruder war, zu meiner Erleichterung, noch nicht zu Hause.

Seitdem unsere Eltern sich getrennt hatten, war irgendwie alles etwas komisch – etwas anders. Sie waren anders. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass meine Eltern sich noch liebten, doch der Betrug meiner Mutter vor über 15 Jahren war leider zu viel für meinen Vater gewesen. Er liebte auf die reinste und leidenschaftlichste Art und Weise und die Tatsache, dass die Frau, der er sein Herz geschenkt hatte, ihm dieses aus der Brust gerissen hatte, hatte er bis heute noch nicht so ganz verwunden.

Ich selbst hatte meiner Mutter nie verziehen, dass sie meinen Vater so verletzt hatte, weshalb ich ihr auch so gut wie möglich aus dem Weg ging. Was mich auch dazu veranlasst hatte mich nach meiner Ankunft schnellstmöglich auf mein Zimmer zurück zu ziehen.

Die Poster der alten Bands hingen immer noch an den Wänden – nur mit dem Unterschied, dass ihre Farben deutlich ausgebleicht waren. Das winzige Bett und die klapprige Kommoder hatten ihre Plätze ebenso wenig verlassen. Nur eine Zentimeter dicke Staubschicht zeugte von meiner Abwesenheit.

Sobald das Krankenhaus morgen öffnen würde, das wusste ich, würde ich meinen Vater besuchen. Ich würde ihm alles erzählen, was ich ihm schon immer erzählen wollte – würde ihm alles geben, was ich ihm schon immer geben wollte.

Eigentlich hatte ich mich schon in meinem 15. Lebensjahr, als er seinen ersten Herzinfarkt hatte, mit der Tatsache auseinander gesetzt, dass er sterben würde, doch mit den Jahren war es immer mehr in den Hintergrund gerückt und jetzt fühlte es sich wieder so an als wäre ich das fünfzehn jährige graue Mäuschen, dass an dem weißen Krankenhausbett ihres Vater sitzt und zu einem erbarmungslosen Gott betet.

Ich öffnete meinen Koffer, in den ich glücklicherweise genügend Kleidung für mehrere Wochen gepackt hatte. Ich nahm meine Schlafsachen heraus, doch als ich diese über den – dafür vorgesehenen – Stuhl hängen wollte, entdeckte ich ein altes Fotobuch – nein, ein Jahrbuch.

Gelangweilt schlug ich es auf und blätterte durch die Seiten – sofort erkannte ich einige Gesichter wieder, die ich erst kürzlich auf dem Klassentreffen gesehen hatte. Auf einigen Fotos konnte ich sogar Tamy und mich im Hintergrund erkennen. Als ich dann schließlich auf der letzten Seite angekommen war, konnte ich drei handgeschriebene Einträge erkennen.

Der erste und am wenigsten Persönliche stammte von meiner damaligen Lieblingslehrerin, Ms. Sutter. Sie schrieb darüber, wie schön es war das Schuljahr mit mir verbringen zu können.

Den zweiten Eintrag konnte ich sofort als Tamys erkennen, da sorgfältig darauf geachtet worden war, dass auch jeder i – Punkt und jeder Punkt im Allgemeinen von einem kleinen Herzchen ersetzt worden war. Sie dankte mir dafür, dass ich in ihr Leben getreten war und eine so gute beste Freundin gewesen bin. Natürlich hatte sie auch hinter ihren Namen ein riesiges Herz gesetzt.

Und der letzte Eintrag war natürlich von – wer sollte auch sonst sein – Will. Er hatte in gut leserlichen, sauberen Buchstaben geschrieben.

Manchmal bringen die Menschen mit der schlechtesten Vergangenheit die beste Zukunft hervor ... und wenn du das Gefühl hast, dass gerade alles auseinander zu fallen scheint, bleib ganz ruhig. Es sortiert sich alles neu. Du wirst einmal etwas ganz Besonderes bewirken und ich kann es kaum erwarten dir dabei zuzusehen.

Will

Nachdem ich das gelesen hatte, musste ich schwer schlucken. Will war immer der Einzige gewesen, der an mich geglaubt hatte. Sogar dann, wenn nicht einmal ich das getan hatte.

Egal was ich tat, ich konnte nicht einfach aufhören an ihn zu denken, von ihm zu träumen. Doch ich musste ihn mir jetzt ein für alle Mal aus dem Kopf schlagen. Es war Zeit das Kapitel ‚Will' zu schließen. Ihn nur noch als einen Freund zu betrachten und sich nach etwas anderem umzusehen – nach jemand anderem... 

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