Kapitel 28

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Wie ich Beerdigungen doch hasste – überall Menschen die Krokodils Tränen vergossen und dann all diese falschen Mitleidsbekundungen.

Doch heute war die Beerdigung meines Vaters – dem Menschen, der mir bis vor wenigen Wochen noch alles bedeutet hatte. Ich hatte mich die ganze Woche erfolgreich in meinem Zimmer verschanzt, aber das konnte und wollte ich einfach nicht verpassen. Das Kleid von früheren Begräbnissen hing immer noch in meinem alten Schrank – es spannte zwar etwas über der Brust, aber sonst passte es wie angegossen.

Ich wollte den Tag einfach so schnell wie möglich hinter mich bringen, also setzte ich alles daran mich schnellstmöglich vorzeigbar zu machen und verließ dann mein Zimmer – zum ersten Mal seit 6 Tagen um nicht auf die Toilette zu gehen. Wenige Minuten später saß ich dann auch schon im Auto – die Handtasche voller Taschentücher und einen Flachmann in der Innentasche meines Blazers.

Der Gottesdienst war – wie nicht anders zu erwarten – einfallslos und unpersönlich, aber so waren Gottesdienste nun einmal. Das Begräbnis war nicht weniger gestellt. Meine Mutter war die Einzige, die eine Rede hielt, welche sie jedoch nach der Hälfte abbrechen musste, da sie vor lauter Schluchzen nicht mehr reden konnte.

Die meisten waren davon sehr gerührt, doch ich fand es einfach nur lächerlich. Es fühlte sich einfach nicht richtig an – nicht gut genug für ihn, wobei ich bezweifelte, dass irgendwelche Worte meines Vaters würdig gewesen wären.

Als dann alles vorbei war, stand ich allein an seinem frischen Grab. Es roch nach feuchter Erde, Weihrauch und frisch geschnittenen Blumen. Die Anderen waren bereits zu dem Restaurant aufgebrochen, wo die Trauerfeier veranstaltet wurde. Ich wollte ihnen gerade folgen, als ich eine Stimme hinter mir hörte.

>> Er war wirklich ein besonderer Mann. Ich habe ihn immer bewundert, musst du wissen. << Will stand, in einen schwarzen Anzug gekleidet, hinter mir und hatte seinen Blick auf das Grab geheftet.

>> Was ... was machst du denn hier? << erwiderte ich und trat rücksichtsvoll ein Schritt vom Grab zurück. >> Naja ... ich habe ja versucht, das hier alles auszublenden, aber ich musste einfach in jeder freien Sekunde daran denken wie sehr hier alle leiden. Also habe ich beschlossen hierher zu fliegen. << erklärte er und wirkte dabei etwas verlegen. >> Und ... und wo ist deine Frau? << fragte ich, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob ich die Antwort überhaupt hören wollte.

>> Naja ... was sie angeht ... sie ist nicht mitgekommen. << erwiderte Will etwas stockend. Ich stieß lediglich ein >> Oh << aus – ich wusste wirklich nicht, was ich denn erwartet hatte.

>> Sie dachte bestimmt, dass sie wegen ihrer sentimentalen Seite nicht wirklich hilfreich für dich sein würde << schob er eilig hinterher – wahrscheinlich weil er mir meine Enttäuschung angesehen hatte.

>> Ja ... ja, das wird es sein. <<erwiderte ich ungläubig.

Er trat einen Schritt auf mich zu. Dann griff er in meinen Blazer und holte den Flachmann hervor. >> Du solltest diesen Tag hier gut in Erinnerung behalten. << murmelte er. >> Aber wie wusstest du -? << er schüttelte lächelnd den Kopf.

>> Ich kenne dich nun Mal, Lucy. Vielleicht manchmal besser als du selbst. << Ich seufzte >> Wir sollten womöglich zu den anderen gehen. << ich nickte >> Ja, das sollten wir. <<

Will trat auf mich zu, doch anstatt an mir vorbei zu gehen, wie ich es zuerst angenommen hatte, schloss er mich – mit einer fließenden Bewegung – in die Arme. Ich legte erschöpft meinen Kopf an seine Schulter und erwiderte die Umarmung.

>> Vielleicht können wir ja auch noch ein bisschen hier stehen bleiben. << murmelte ich in den Stoff seiner Anzugjacke.

>> Ja, das können wir auch machen. << 

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