Kapitel 62

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Irgendwo tief in meinem Inneren schien ich es wohl geahnt zu haben, denn mein Körper schwenkte auf eine selbstverständliche Taubheit um.

Er konnte sie jetzt nicht verlassen und er würde es auch nicht tun. Für Will waren Kinder alles. Wann auch immer ich ihn mit Kindern gesehen hatte, hatte er bis über beide Ohren gestrahlt. Damals schon wirkte er wie der perfekte Bilderbuchvater und ich war ein bisschen neidisch auf ihn gewesen, weil die kleinen Racker ihm förmlich aus der Hand zu fressen schienen.

Und dieses Baby in Tamys Bauch – dieser kleine Junge oder dieser kleine Mädchen – in dessen Adern floss Wills Blut. Es war ein kleines Lebewesen, das er erschaffen hatte und ich wusste, dass ihm das mehr bedeutete, als er mir gegenüber zeigen wollte.

Hinter meiner Taubheit – irgendwo ganz tief versteckt – hörte ich eine Stimme, die sich fragte wieso er denn nicht verhütet hatte, wenn er doch vorhatte mit mir zusammen zu sein und sie zu verlassen. Der eifersüchtigste und egoistischste Teil meines Hirns fragte sich sogar, wie er überhaupt mit ihr schlafen konnte, wenn er mich doch so sehr liebte.

Doch jetzt war es zu spät für Vorwürfe – es war zu spät ihm all diese Sachen an den Kopf zu werfen, weil die Würfel gefallen waren.

Will schien eine Antwort von mir zu verlangen, aber ich musste das alles erstmal verdauen. Bis eben war mir gar nicht klar gewesen, wie sicher ich mir meiner Sache gewesen war. Ich war einfach davon ausgegangen, dass er hier auftauchen würde und wir dann glücklich und zufrieden in den Sonnenuntergang reiten würden.

>> Lucy ... << setzte er nun an, nachdem weiterhin kein Wort über meine Lippen gekommen war. >> Lucy, ich - <<

>> Meine Firma eröffnet eine Zweigstelle in Chicago. Wenn ich mich ein bisschen bei meinem Chef einschleime müsste ich dort eine Anstellung finden. Es ist bereits Oktober, was heißt, dass ich meine Wohnung bis Ende des Jahres kündigen kann. Wenn ich mich beeile, bin ich in zwei Wochen weg, spätestens. << Die Worte flossen aus mir heraus, wie aus Löchern in einem Wasserballon – meine Stimme klang resigniert und kalt

>> Lucy, bitte - << erneut unterbrach ich ihn. Ich konnte seine Stimme nicht ertragen und war zu dem einfach zu sehr in meinem Element. >> Tamy werde ich erzählen, dass ich wegen dem Job nach Chicago gehen müsste und dass dieser so viel von mir abverlangen würde, dass ich keine Zeit für einen Besuch, geschweige denn eine Patentante für das Baby sein könnte. <<

Will machte einen Schritt auf mich zu, doch ich wich augenblicklich zurück – ich konnte seine Nähe jetzt nicht ertragen.

>> Ich bekomm' das schon irgendwie auf die Reihe. Jetzt wo alles geklärt ist bekomme ich das schon irgendwie auf die Reihe. << Will knetete seine Hände, als würde er damit kämpfen, sie nicht nach mir auszustrecken.

Als er sich sicher war, dass ich nicht noch etwas hinzuzufügen hatte, holte er noch einmal tief Luft und setzte mit einem fragenden Gesichtsausdruck erneut zum Sprechen an – ich konnte nur zustimmend nicken.

>> Ich weiß, dass wir das alles nicht so geplant hatten, aber - << mit schmerzverzerrtem Gesicht kniff ich meine Augen zusammen und schüttelte vehement den Kopf >> Bitte. Bitte, nicht. <<

Ich konnte die Worte einfach nicht noch einmal aus seinem Mund hören – dann würde ich zusammen brechen. Es mir in meinem Kopf zusammen zu reimen, war etwas vollkommen anderes als seine Stimme die Worte aussprechen zu hören, die mein Leben für immer zerstören würden. 

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