Kapitel 87

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Kapitel 87

Voller Aufregen war ich schon um vier Uhr morgens auf und rann durch die Wohnung, ohne zu wissen, was ich da eigentlich tat. Noch schlimmer wurde es, als ich durch die ganze Aufregung und meine Schwangerschaft plötzliche Übelkeit verspürte. Dieser Tag wurde ja immer besser. Ich beruhigte mich erst ein wenig als Chloe endlich kam und die Friseurin/ Make-up-Artistin dabei hatte. Es war erst fünf Uhr, aber um acht würde schon die Trauung stattfinden. Wir hatten uns für ein repräsentatives Schloss entschieden, in dem wir die standesamtliche Trauung stattfinden lassen. Beide wollten wir keine kirchliche Trauung, da wir beide nicht unbedingt gläubig sind, dafür wollten wir eben eine umso imposantere Trauung, die alle weghauen würde. Diese Location hatte defintiv das Zeug dafür und zwar sowas von.
"Bist du aufgeregt?", fragt Chloe mich lächelnd.
"Ich dachte, mein Gesicht ist selbsterklärend.", antworte ich etwas schnippisch.
"Oh wow, also zickig sind wir heute. Ok, an dem wichtigsten Tag deines Lebens kann ich dir das verzeihen."
"Chloe, ich kann das alles nicht.", murmle ich als die Frau gerade ins Bad gegangen war.
"Willst du mich eigentlich verarschen? Du wirst das jetzt durchziehen, Panik kurz vor der Hochzeit ist ganz normal.
"Nein, du verstehst mich falsch. Die letzten Nächte und Tage habe ich eigentlich nur daran gedacht, ob es das richtige ist. Ich glaube, es ist nicht das richtige."
"Liz, ganz klar das du das jetzt so siehst, aber entspann dich doch einfach. Travis und du, ihr seid doch schon seit Ewigkeiten zusammen. Seh es als ein Band eurer Verbundenheit.", lächelt sie, aber ich seh sofort, das sie selbst an ihrer Glaubwürdigkeit zweifelt.
"Ok, lass mich nur schnell das Brautkleid holen.", seufze ich.
"Aber das Kleid hängt doch hier.", zeigt sie auf den weißen Stoff, der über dem Stuhl hängt.
"Die Unterwäsche fehlt noch.", lasse ich mir schnell einfallen.
Sie nickt wissend, keine Ahnung ob sie mir glaubte, aber zweieinhalb Stunden vor meiner Hochzeit ging mir mein Herz auf Grundeis. Dabei weiß ich doch, das wir beide eine schöne Ehe führen werden, das nichts aus meinen Albträumen wahr werden würde. Dennoch blieb dieser Funken von Unsicherheit, der die restlichen neunundneunzig Prozent Selbstsicherheit verschwinden ließ. Was tat ich hier eigentlich? Ich habe mich in meinem eigenen Schlafzimmer eingeschlossen und versuche irgendwie ruhig zu atmen mit weniger Erfolg. Das alles wuchs mir mehr als nur über den Kopf, ich sah es doch schon oben am Dach.
"Felicitas, du schließt jetzt sofort. Dein wundervoller Verlobter wird im Schloss warten und wenn wir jetzt nicht sofort anfangen, muss er auch noch auf dich warten.", redete Chloe von der Tür aus auf mich ein.
"Soll er doch dort warten.", schrie ich egoistisch, obwohl ich wusste, das es ernst war, wenn sie mich mit vollem Namen ansprach.
"Felicitas, du führst dich gerade total kindisch auf und ich habe wirklich versucht dein Benehmen an diesem Tag zu tolerieren, aber du gehst zu weit, meine Liebe.", sie sprach wie meine Mutter.
"Ich habe solche Zweifel. Travis hat was besseres verdient als so eine schwierige Frau wie mich.", sage ich und werfe mich in ihre Arme.
"Du bist schwanger, Liz. Klar, das deine Hormone nicht in eine Reihe schwimmen. Das weiß er aber auch und das legt sich auch wieder. Jetzt trinken wir erst einmal ein Glas Sekt und du wirst dich schön machen lassen von der netten Dame, die dort schon auf dich wartet.", sagt sie ganz ruhig.
"Ok.", gebe ich kleinlaut von mir.
Die Dame, sie stellt sich als Olga vor, lächelt mir freundlich und etwas mitleidig zu, bevor sie mir erklärt, das sie alles so macht wie besprochen und geprobt.
"Wir haben erst zehn Minuten überzogen, wie lange denkst du wirst du noch brauchen?", fragt Chloe nun Olga.
"Ich habe gerade erst mit dem Gesicht angefangen, also ungefähr noch zehn bis zwanzig Minuten.", schätzt sie.
"Alles klar, ich rufe schnell John an, das wir circa eine halbe Stunde später kommen.", gibt sie Bescheid und verschwindet kurz aus dem Raum.
"Ich will bloß nicht zu viel im Gesicht haben, vergiss das nicht.", sage ich zu ihr, während sie weiter in meinem Gesicht rumschmiert.
"Keine Sorge, das habe ich nicht vergessen.", lächelt sie weiterhin fröhlich.
Als Chloe wieder kam, war die Dame, die in meinem Gesicht rumfuchtelte, fast fertig.
"Was hat das so lange gedauert?", fragte ich sie, da kam es ihr wohl gerade recht, das es an der Tür klingelte.
"Schön, das du schon da bist. Liz ist gerade noch in der Maske, wie wäre es, wenn du das Kleid schonmal ins Schlafzimmer hängst?", höre ich CHloe aus dem Flur mit meiner Mutter reden.
Und urplötzlich wurde mir richtig übel, wahrscheinlich lag das daran, das Nervösität und Schwangerschaft sich nicht gut vertrugen. Olga hielt mir sofort den Mülleimer hin als sie bemerkte was los war.
"Ich geh schnell meinen Mund ausspülen.", ließ ich sie, nach dem Krieg der nicht verdauten Flüssigkeiten und halb zerkauten, wissen.
Im Bad allerdings schloss ich mich als erstes ein, um im Ruhe diesen ekligen Beigeschmack loszuwerden, was sich als sehr schwierig herausstellte. Erst nach dem ich das dritte Mal Zähne putze und eine Mungspülung benutzte, konnte ich den Beigeschmack nicht weiter schmecken.
"Liz, was dauert das denn so lange?", klopft nun meine Mutter an die Tür.
"Tut mir leid, mir wurde schlecht und ich habe versucht den Geschmack aus meinem Mund zu bekommen.", erkläre ich ihr, nachdem ich die Tür aufgeschlossen habe.
"Aber wieso schließt du die Tür dann zu?", fragt sie verstädnislos.
"Ich brauchte einfach einen Moment, wo keiner um mich rum steht, kein prüfender Blick auf mir liegt oder irgendjemand an meinem Gesicht oder Körper rumtäschelt. Das stresst mich einfach alles, jede Sekunde ist jemand in meiner Nähe, der dir sagt, was als nächstes zu tun ist.", breche ich zusammen und bin kurz davor zu heulen.
"Das wussten wir doch nicht, Schätzchen. Weißt du was? Wir machen das jetzt einfach so, Chloe und ich werden uns einen Kaffee in der Küche machen und wenn die Visagistin fertig ist, kannst du dort solange alleine sitzen bleiben, wie du brauchst und erst dann, nicht früher, wirst du uns bescheid geben, das du dein Brautkleid anziehen möchtest, ok?", ermutigte mich meine Mutter.
"Danke.", flüsterte ich und schlung meine Arme um sie.
Olga war schnell fertig und sie verschwand auch schnell wieder, diese Zeit wo ich also alleine war, genoss ich aus vollen Zügen, denn so schnell würde es nicht noch einmal geschehen, aber so einen Tag wird es wahrscheinlich auch erst zur Geburt wieder geben. Die ganze Zeit über schaute ich mich im Spiegel an, vergleichte es mit dem was ich noch vor sechs oder sieben Jahren dort sah und erkannte mich einfach nicht mehr wieder. Aber wen mochte ich mehr, war es mein damaliges Ich oder die verlobte-heute-heiratende-Frau, die ich gerade sah? So recht wollte ich mich wohl mit beiden nicht so ganz indentifizieren, aber das war nunmal Ich und ich sah verdammt gut aus heute, meine Haut hat noch nie so gestrahlt wie heute, als wenn sie wüsste, das heute mein Tag ist, auch wenn ich weiß, das alles nur durch das Make-up so schön aussah. Wieso machte ich mich überhaupt so verrückt? Ich liebe Travis und eigentlich habe ich mir doch nie etwas sehnlicheres gewünscht als ihn, für den Rest unseres Lebens.
"Lasst uns das Kleid anziehen!", sage ich, nachdem ich mich in der Küche einfund.
Die beiden waren kurz irritiert, das ich plötzlich so motiviert war, aber ließen sich schnell mitreißen und halfen mir, den Reißverschluss hinten am Kleid zuzumachen. Jetzt war es doch tatsächlich nur noch ein "Katzensprung" bis zum Altar. Das Auto war ein klassischer Rolls Royce, Travis mochte ihn so gerne und wollte, das seine drei liebsten Dinge zusammen sind, also das Auto, unser Baby und ich. Meine Mutter und Chloe schienen ebenfalls ganz aufgergt, ich wüsste mal gerne, wieso die aufgeregt sind. Ich sollte aufgeregt sein, stattdessen bin ich gerade einfach nur glücklich, aber das ändert sich am Altar sicherlich noch einmal. Denn das Auto hielt urplötzlich an und ich sah das prachtvolle Schloss vor mir, das schon am Eingang mit einem weißen Teppich und Blumen daneben geschmückt war. Auch jetzt fing mein Herz wieder mehr Blut durch meinen Körper zu pumpen und ich schaffte kaum einen Schritt nach dem anderen ohne fast umzukippen. Allerdings fingen schon die Kirchenglocken an zu spielen und ich sah am Rande wie die Gäste aufstanden, aber das einzige was ich wahrnahm ist Travis, der versucht seinen Anzug zu richten, dabei saß dieser perfekt, aber aus Angewohnheit tat er dies immer, wenn er nervös war.
"Kann es los gehen?", fragte nun mein Vater, der meinen Arm schon genommen.
"Ja.", antwortete ich ihm mit einer zittrigen stimme.
Wir gingen den Gang entlang, vor uns meine zwei Brautjungfern, Chloe und Ella, die beide ein fliederfarbenes Kleid anhaben.
Am Altar sah mich Travis das erste Mal an und seine Augen wurden sofort glasig. Ich sah wie er sich über die Augen wischte und versuchte sich unter Kontrolle zu halten, aber auch ich wurde rührselig und lächelte ihn an während ich versuchte meine Tränen bei mir zu halten. Auch die Worte des Pfarrers nahm ich kaum war, denn ich hatte nur Augen für Travis, der versuchte zuzuhören.
"Willst du, Travis, deine Verlobte zu deiner angetrauten Frau nehmen, sie lieben und Ehren bis der Tod euch scheidet?", fragte er plötzlich Travis.
"Und noch viel länger, ja.", antwortete er.
"Und willst du, Felicitas, deinen Verlobten zu deinen angetrauten Mann nehmen, ihn lieben und Ehren bis der Tod euch scheidet?", fragte er auch mich.
Doch in meinem Kopf schieden sich urplötzlich die Geister. Kein klares Ja wollte raus.

Well, that escalated quickly - ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt