42 - G..g... gg Geist!
"Macht denn jetzt vielleicht endlich mal jemand diese Tür auf?" Das war Anna. Definitiv.
Na toll. Gerade hatte es geklingelt und ich hatte eigentlich erwartet, dass jemand anderes schon die Tür öffnen würde. Doch offenbar hatten alle anderen den gleichen Gedanken gehabt und unsere Gäste froren sich vor dem Haus die Finger ab. Vielleicht konnten wir sie in den Kräuterdip tauchen und unseren Eltern als Snacks verkaufen. Samt Fingernägel.
"Ich geh ja schon!" kam Nicks genervte Stimme aus dem untersten Stockwerk. Vermutlich hatte er gerade das Essen hergerichtet. Sophia kümmerte sich um die Filme und Anna schleppte Schlafmatrazen durchs Haus, während ich mich im Bad entspannte und mir die Haare kämmte. So bequem das Dasein als Wischmob auch ist, bei Besuch muss man sich halt aufstylen, um nicht wie der letzte Penner rüberzukommen.
Ich hörte undeutlich, wie unten die Tür geöffnet wurde und kurz darauf Schritte die Teppe hochkamen. Ich konzentrierte mich weiterhin darauf, mir nicht mit der Wimperntusche ins Auge zu stechen, und zuckte heftig zusammen, als Anna auf dem Gang brüllte: "Heii Emil!"
Ich zischte auf. Natürlich hatte ich durch mein schreckhaftes Zucken alles verschmiert und klatschte mir erstmal ein Tuch auf das Auge, um etwas von der Katastrophe zu retten. Plötzlich ging hinter mir die Tür auf und im Spiegel erkannte ich eine mir unbekannte Person. Das musste dann dieser Emil sein. Er räusperte sich.
"Sorry, hab nur das Klo gesucht..." Ich seufzte. "Schon okay." meinte ich und schnappte mir das Zeug, das ich noch brauchte, um mich in meinem Zimmer vorm Spiegel weiterzuschminken. Ich quetschte mich an dem Typen vorbei, der noch im Türrahmen stand und bemerkte dabei zum ersten mal seine Pedonatur, denn ich hatte das Gefühl, als würde er mir auf den Hintern starren, als ich in richtung meines Zimmer lief.
Sobald die Tür hinter mir zu war, schüttelte ich mich angewidert und unterdrückte den Drang, mir für den Rest des Abends einen Wok um die Hüfte zu Binden, um mich vor Blicken im Hosenbereich zu schützen. Ich wagte mich erst aus meinem Zimmer heraus, als ich Lucas Stimme am Gang hörte. Offenbar waren Clara, Michelle und Andreas, Nicks Kumpel, auch schon da.
Ich hopste aus meinem Zimmer und krallte mich in Lucas Rücken. Der versuchte sich perplex umzudrehen, doch ich dirigierte ihn wie ein menschliches Schutzschild vor mir her die Treppe runter, um ihn im Erdgeschoss um die Ecke in die Küche zu schubsen, die gleich beim Wohnzimmer war.
"Und? Ist die Luft rein?" fragte ich flüsternd. "Hä? Also ich rieche nichts!" meinte Luca und rieb sich die Schultern, die jetzt bestimmt Abdrücke meiner Nägel hatten. Es kam öfters vor, dass Menschen in meinem Umfeld auf unergründliche Weise geheimnisvolle Verletzungen davontrugen.
Ich verdrehte die Augen. "Egal. Bleib einfach da stehen." Ich hechtete hinter der Ecke hervor, nutzte Luca als kurzen Sichtschutz und krabbelte dann hinter die Kücheninsel.
Dann lugte ich knapp über dem Boden um die Ecke ins Wohnzimmer. Ninjamodus aktiviert! Ich stellte fest, dass Michelle gerade Andreas und Emil beim zocken vernichtete und das Gefahrenobjekt somit abgelenkt war. Clara lag lachend daneben am Boden.
Leise trippelte ich hinter dem Sofa vorbei, wo Andreas gerade komplett ausrastete, und ließ mich schnell auf einem Sessel nieder. Erleichtert schnaufte ich aus und verfolgte mehr oder weniger aufmerksam das Duell auf den Contollern.
Bis zum Abend hatten wir noch ein paar Stunden, in denen wir die Betten herrichteten, zockten, anfingen die Snacks zu essen, einfach nur rumhingen oder Wahrheit oder Pflicht spielten. Ich ging Mr.Pedo immer aus dem Weg und fühlte mich ständig beoachtet, doch Lucas Späße heiterten mich wieder auf, sodass es bis zum Filmbeginn ein angenehmer Abend war.
Natürlich entfachte eine hitzige Diskussion um den Film, den wir ansehen wollten. Während Anna, Clara und Michelle sich auf die Seite der kitschigen Liebesschnulze stellten, wollten Sophia, Emil, Nick und Andreas the Conjuring sehen, Luca und ich stattdessen wollten einfach nur 2012 sehen.
Ich gammelte gelangweilt in dem Sofasessel herum und bewarf alle mit Popcorn, während einige der diskutierenden Personen gerade anfingen handgreiflich zu werden.
Mir fielen schon fast die Augen zu, während auf dem Teppich ein Gerangel um die Fernbedienung entstand. Natürlich hätte ich vermitteln können, aber ... tja, ich war zu faul. Aus dem Knäuel am Boden tauchte Sophia auf, sie hielt triumphierend das heilige Objekt Fernbedienung in der Hand. Ich schloss abrupt meinen Mund, mit dem ich Schnarchgeräusche gemacht hatte und starrte Sophia an. Moment mal! War sie nicht Vertreterin der Conjuring-Seite?!
Ich rollte mit einem UFF auf den Teppich. "Müssen wir das wirklich sehen? Von mir aus können wir sogar Saw anschauen, aber bitte nicht sowas!" Die barmherzige Schwester seufzte allerdings nur. "Stell dich nicht so an. Ist doch nicht schlimm, normalerweise hast du vor Horrorfilmen gar keine Angst." Sie hatte recht. Ich war ein riesen Filmkillerfan, aber wie gesagt, bei Paranormalem drehte ich echt durch.... Und die Tatsache, dass dieser Film auf einer wahren Geschichte beruhte, machte mich doppelt fertig.
Doch die anderen blieben unerbittlich. Also hatte ich die Qual der Wahl. Entweder ich blieb hier und machte mir vermutlich in die Hose, oder ich war ein Feigling und Spielverderber.
Nervös beschloss ich, zu bleiben. Höchst vorsichtig setzte ich mich auf die Couch und starrte wie hypnotsiert auf den Bildschirm, der noch nicht mal an war. Ich bereitete mich innerlich auf das Kommende vor. Als ich aus meiner Starre erwachte, registrierte ich plötzlich, dass ich zwischen Michelle und Emil saß. Natürlich wollte ich mich schnellstmöglich wegsetzen, doch in diesem Moment begann der Film und ich war mal wieder wie gelähmt.
Bereits beim Intro vor dem Hauptmenü wurde mir schlecht.
Knapp eine halbe Stunde später befand ich mich in der Hölle. Mir stand kalter Schweiß auf der Stirn und meine Atmung hatte sich merklich beschleunigt, ich schnaufte wie ein Pferd vor mich hin. Eine Hand krallte ich in das Sofakissen, aus dem bereits Federn quollen, die andere in den Popcornkübel auf meinem Schoß. Ich wandte meine ganze Kraft dafür auf, mich nicht in den Kübel zu übergeben. Innerlich war ich kreischend am Weglaufen, doch ich war nicht fähig, meine Augen vom Bildschirm zu lösen. Ich wollte einfach nur weg, bloß würde ich ich dann der Feigling der Gruppe sein.
Also blieb ich sitzen. Was vermutlich keine gute Entscheidung war. Sogar eine sehr schlechte.
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Wolf fact: Wölfe sind, wie Hunde, Rot - Grün blind, ihr Farbspektrum ist im Vergleich zum Menschen ins Blaue verschoben. Sie könne nahe Objekte nur unscharf sehen; kleine, fernere Objekte ebenfalls kaum, solange diese sich nicht bewegen. Die Stärke der Wolfsaugen liegt in der Fähigkeit, selbst im Dunklen optimal zu sehen.
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Allein unter Menschen!
مستذئبNormal sein ist relativ. Jedenfalls für Caroline. Während andere bei dem Gedanken, ein Werwolf zu sein, vermutlich panisch geworden wären, hatte sie samt ihren drei Geschwistern bereits seit ihrer Kindheit Zeit, sich damit abzufinden. Werwolf von Ge...