16 - Umkleideoffenbarungen und Wanderagressionen

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16 - Umkleideoffenbarungen und Wanderagressionen

Die Panik, Luca könnte mich erkennen, verdoppelte sich am nächsten Morgen. Ich kam gerade auf den Schulhof, als ich Luca in einer Traube Menschen sah, die seinen bandagierten Arm betatschten.

Keine Ahnung warum alle Menschen immer fasziniert von Verletzungen sind. Ich meine wer hat sich noch nie die Kruste weggekratzt? Oder wer hat noch nie auf einen blauen Fleck gedrückt um zu prüfen obs weh tut?

Luca bemerkte mich durch die Lücke zwischen zwei Kerlen, und automatisch wanderte sein Blick zu meinem Handgelenk, wo heute natürlich nichts zu sehen war.

Ich seufzte und ging zu den Spinden, wo ich meine Jacke hinhängte. Na toll. Erste Stunde Sport. Alle verrenken sich am Boden oder schießen sich gegenseitig Bälle in die Fresse. Spaßig.

Ich ging mit den Mädels zu den Umkleideräumen und zog mich um. (Wer hätte das gedacht?)

Ich fühlte mich da immer so beobachtet. Ich meine da könnte doch jederzeit Jemand reinplatzen? Hatten die Türen überhaupt Türschlösser? Oder waren die einfach offen?!? Ich sollte mir einen Securityguard besorgen.

Plötzlich meinte Sarah: »Du meine Güte, Caroline, was hast du denn da?« Sie deutete entsetzt auf auf das Überbleibsel des Autounfalls, die lange Narbe, die sich von meiner Hüfte zu den Rippen schlängelte. Ich lächelte gequält und meinte: »Autounfall. Wurde auf der Straße vor unserem Haus angefahren.« Im nu umringten mich alle und sahen die Narbe an. Was sagte ich nochmal über die Faszination von Wunden? Das Gestarre war mir ziemlich unangenehm, ich meine, wem wird schon gerne auf den BH geglotzt, und so zog ich mir schnell das T-Shirt über den Kopf. Spanner.

Im Turnsaal mussten wir erstmal ein paar Runden zum Aufwärmen laufen. Als Wolf kann ich stundenlang rennen, und so bin ich auch als Mensch eine sehr gute Läuferin. Während andere aus der Puste waren, konnte ich ganz normal atmen, aber ich lief nicht zu schnell, obwohl ich gekonnt hätte. Auffallen? Nein danke.

Wölfe können manchmal bis zur Hälfte ihres Tagesablaufs in Bewegung bleiben, durchschnittlich laufen sie dabei 8 km/h. Dabei schaffen sie 65 km pro Tag. Ihr Körperbau hilft dabei, durch die große Nase gelangt viel Luft in ein großes Herz und große Lungen. Lange Beine und Pfoten, die das Gewicht verteilen, helfen dabei. Sorry, kleine Klugscheißerphase.

Nach Turnen hatten wir Biologie. Der Lehrer faselte irgendwas über Wurzeln von Pflanzen und ich sah mich unauffällig in der Klasse um. Da ich weiter hinten saß konnte ich gucken, ohne mich umzudrehen. Perfekter Stalkerplatz.

Was schrieb Luca denn da? Nein, er zeichnete. Aber was? Ich schaute genauer hin, und erstarrte. Mich. Er zeichnete mich! Die Wölfin! Oh Gott nein! Am liebsten hätte ich den Kopf auf die Tischplatte gehauen. Das durfte doch nicht wahr sein....

Ich konnte mich den ganzen Tag nicht mehr konzentrieren und am Nachhauseweg wäre ich fast gegen einen Baum gerannt. Verwirrt schüttelte ich den Kopf.

Als ich nach Hause kam, warf ich die Schultasche in die Ecke und schmiss mich aufs Bett. Seufzend holte ich mein Handy raus und spielte Flappy Bird. Das machte mich so aggressiv, dass ich mein Handy in die Ecke warf und die Treppe hinunterlief.

Irgendwie musste ich mich doch abreagieren.

Ich öffnete die Terassentür und rannte in den Wald. Es lag immernoch Schnee, und die Kälte unter meinen Pfoten tat gut. Ich rannte quer durch den Wald, bis ich am Rande des Tals am Berghang angelangt war.

Das Laufen hatte etwas beruhigendes an sich, und ich wollte noch nicht stehen bleiben. Also entschied ich mich für eine kleine Klettertour.Der Untergrund stieg an und ich musste mich anstrengen. Die kalte Luft stach in meine Lungen. Die Bäume wurden immer spärlicher und schließlich lief ich nur noch zwischen Latschen hindurch.

Der Harzgeruch beruhigte mich. Schließlich erreichte ich die Wolkengrenze und ich tauchte in den Nebel ein. Er durchnässte meinen Pelz und war eiskalt. Als ich oben wieder herauskam, bot sich mir ein atemberaubender Anblick. In der dünnen, wolkenlosen Luft konnte die Sonne den Schnee so zum strahlen bringen, dass es in den Augen wehtat. Die Aussicht war gewaltig.

Nun endlich zufrieden, setzte ich mich auf einen Stein und blickte ins Tal. Die tief liegenden Wolken wirkten wie ein See, denn sie waren im Tal gefangen und konnten nicht hinaus. Ich glaube, das nennt man einen Kaltluftsee oder so. Tja, ich hatte halt auch mal in Geografie aufgepasst.

Ich kam mir vor wie die Königin der Welt. Wie gerne würde ich jetzt eine der Geschichten hören, die Mama uns manchmal vorm Kamin erzählte, zum Beispiel die, wo unser Rudel ein Feindliches vertrieben hatte. Damals waren wir noch sehr jung gewesen und konnten uns nicht errinnern. Das Rudel war immer wieder in unser Territorium eingedrungen, bis meinen Eltern schließlich der Kragen platzte und sie zum Angriff übergegangen waren. Mama sagte, es sei ein gewaltiges Gemetzel gewesen, denn der andere Clan hatte sich verbissen gewehrt. Gemetzel... Das errinerte mich an Fleisch.

Wie auf Kommando knurrte mein Magen und der Hunger meldete sich.

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Oh gott mir ist gerade der Fuß eingeschlafen... >.<

Hier als kleines Special der erste Teil dieses Jahres ^-^ Ich wünsch euch allen ein schönes 2015 :)

Allein unter Menschen!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt