56 - Merry Christmas
Unser Weihnachtsfest wurde schon öfters etwas kriminell. Einmal hatte Tom einfach einen Christbaum aus dem Wald abgesägt, als Dad vergessen hatte einen zu kaufen. Ein andermal wurde Nick fast von der Polizei gefasst, als er auf dem Christkindlmarkt versehentlich einen Stand angezündet hatte und einmal bekamen wir eine Beschwerde, weil wir in der Kirche zu laut waren. Doch dieses Weihnachtsfest toppte alles. Immerhin waren wir im Begriff, einen kompletten Bison nach Hause zu schleppen. Und das möglichst ohne eingeknastet zu werden. Hier also mein persönlicher Plan (KAUFEN SIE JETZT!):
^Wie man einen Bison an den Behörden vorbeischmuggelt / Teil 1^
Schritt 1: Den Bison nicht auf einmal mitnehmen. Das Fleisch auf Familienmitglieder aufteilen, sodass einer beispielsweise einen Unterschenkel trägt, der andere einen Teil der Rippen. So ist man schneller und fällt weniger auf.
Schritt 2: An Hindernissen wie Zäunen einen Komplizen organisieren, der auf der anderen Seite wartet. Dann der Reihe nach die Fleischstücke hinüberwerfen, die vom Komplizen aufgefangen und in Planen gewickelt werden.
Schritt 3: Hastig über den Zaun klettern und dabei so wenige Fußabdrücke wie möglich hinterlassen. Nicht den Fehler begehen und hinunterfallen.
Schritt 4: Vorausdenken und Kühlboxen mit Eis in den Kofferraum packen.
Schritt 5: Fleisch ohne gesehen zu werden in Boxen laden
Schritt 6: Mit Autos, ohne verdächtig zu wirken, davonfahren und möglichst in keine Kontrolle kommen, wo das Auto durchsucht wird.
Wenn ihr diesen Plan befolgt, schafft ihr das locker. Wir jedenfalls schafften es nach Hause, ohne in den Knast zu kommen. Zuhause hätte ich mich liebend gern - wie alle anderen auch - ausgeruht, doch meine Eltern scheuchten uns wieder auf. Schließlich mussten wir jetzt die weiteren Punkte des Planes abarbeiten.
Ich wurde bei den sogenannten Baumfreaks eingeteilt. Die andere Gruppe waren die Küchen-homies. Ich wusste nicht, was sich meine Eltern mit diesen Namen gedacht hatten, doch offenbar sollte ich jetzt beim Christbaumschmücken helfen.
Jake schleppte den ziemlich großen Baum, von dem ich hoffte, dass er diesmal nicht geklaut war, ins Haus und stellte ihn ächzend in die Halterung. Nachdem er sich ausgiebig über Rückenschmerzen beklagt hatte, konnten wir mit dem Schmücken beginnen. Ich wühlte begeistert in den Kisten und warf erstmal mit Lametta um mich, bevor ich Nick eine Christbaumkugel gegen den Kopf schmiss. Nachdem wir uns gegenseitig angeknurrt hatten, flocht ich uns zur Versöhnung zwei Lamettakränze, die wir uns aufsetzten und dann mit dem Schmücken begannen. Ich musste mich streng zurückhalten, die Zuckerstangen, die auf den Baum gehörten, nicht sofort aufzuessen, doch ich schaffte es, auch wenn ich ein wenig herumsabberte. Nachdem wir alle mehr oder weniger effektiv mitgeholfen hatten, stand der Baum in seiner vollen Pracht vor uns. Er sah aus, als wäre eine Pinata voller Schmuck direkt darauf explodiert. Jeder hatte einfach irgendetwas draufgehängt und man sah kaum noch die dunklen Nadeln. Ich wäre beinahe begeistert hineingesprungen, doch da strich mir ein köstlicher Duft aus der Küche um die Nase. Leider war ich hier nicht die einzige mit empfindlichen Geruchszellen und alle stürmten mit einem Schlag zu den Meisterköchen. Der Backofen wurde beinahe demoliert, als alle sich davor quetschten und das Essen darin anstarrten. Ich keilte mich mit meinen Ellbogen vor das Glas und starrte sabbernd den riesigen Fleischberg darin an.
Nachdem alle gewaltsam vom Essen entfernt wurden, hatten wir noch ein wenig zeit bis zur Messe in der Kirche. Entgegen manch anderen Familien gingen wir nähmlich jedes einzelne Jahr wieder zum Weihnachtsgottesdienst, auch wenn er immer gleich ablief. Bis dahin lungerte ich in meinem Zimmer herum und warf Schnee von meinem Fensterbrett in den Garten hinunter.
Ein Ball traf prompt Anna und das Ganze resultierte in einer erbitterten Schneeballschlacht mit meinen Geschwistern im Garten, bei dem jeder mindestens drei Mal Schnee schluckte. Wir übersahen völlig die Zeit und bald mussten wir uns fertig machen. Mir war mittlerweile so kalt, dass ich einige Runden durchs Haus laufen musste, um nicht irgendwelche Körperteile an den Frost zu verlieren. Doch für einen warmen Kakao war keine Zeit mehr, die Alphas stopften uns alle ins Auto, da wir immer etwas zu früh in der Kirche waren. Unser Rudel beanspruchte eine komplette Bank nur für sich allein und konnte bequem zusehen,wie alle anderen verzweifelt einen Sitzplatz suchten.
Der Gottesdienst lief wieder gleich ab. Er lief immer gleich ab. Das Krippenspiel der Kinder war trotzdem immer nett anzusehen, da die Kleinen einfach nur knuffig waren. In den zu großen Gewändern stolperten sie sogar mehrmals.
Nachdem die Orgel ein letztes Mal gespielt hatte, verließen wir die Kirche. Als ich an den schweren Holztüren vorbeitrat, schlug mir eine eiskalte Windböe entgegen. Es war bereits dunkel und die Sterne leuchteten hell am Firmament. Die Menschenmenge vor der Kirche stieß Atemwolken aus, die sich schnell verflüchtigten. Die Stimmung war glücklich, alle wünschten einander frohe Weihnachten. Ich lächelte, als ich umringt von meiner Familie durch den knirschenden Schnee zu den Autos stapfte. Weihnachten war schon ein schönes Fest. Meine Glückseligkeit hielt den ganzen Abend an. Als wir zuhause waren, zündeten wir die Kerzen an und holten alle Geschenke. Jeder hatte für jeden etwas besorgt und langsam stapelten sich die Päckchen zu einem Haufen zusammen. Was kein Wunder bei solch einem großen Rudel war. Vor dem leuchtenden Baum sangen wir einige Weihnachtslieder und begannen dann, die Geschenke auszupacken. Ich freute mich riesig über jede Kleinigkeit, die ich bekam. Aber am meisten freute ich mich auf das Festessen, das noch auf uns wartete. Wir saßen begeistert am festlich gedeckten Tisch und verputzten den Bison, der anders schmeckte, als alles das ich jemals gekostet hatte. Die riesige Fleischmenge machte jedoch so müde, dass die meisten von uns sich nur noch schläfrig unterhielten. Ich selbst schrieb Clara und Luca noch gähnend eine Nachricht und als ich merkte, dass ich drohte einzuschlafen, tappte ich schläfrig rauf in mein Zimmer, wo ich mir gerade noch meinen Pyjama anziehen konnte, bevor ich erschöpft in den Schlaf fiel. Die Bisonjagd hatte alle meine Reserven verbraucht, es war wahnsinnig anstrengend gewesen. Doch ich hatte einfach alles an diesem Fest genossen. Ich war glücklich wie schon lange nicht mehr.___________________________
Wolf fact: einzelne Wölfe können ihr Heulen bis zu 14 Sekunden lang ertönen lassen.
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Allein unter Menschen!
LobisomemNormal sein ist relativ. Jedenfalls für Caroline. Während andere bei dem Gedanken, ein Werwolf zu sein, vermutlich panisch geworden wären, hatte sie samt ihren drei Geschwistern bereits seit ihrer Kindheit Zeit, sich damit abzufinden. Werwolf von Ge...