43 - die Heimsuchung des Grabschers

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43 - die Heimsuchung des Grabschers

Ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Das Gefühl zog sich über meinen ganzen Körper und war mir wahnsinnig unangehem. Es schien seinen Ursprung bei meinen Schulterblättern zu haben. Es wandelte sich um in ein leichtes Kitzeln, doch ich konnte nicht lokalisieren, woher es kam.

Ich würde jetzt eigentlich gerne mitteilen: Schweißnass schreckte ich aus dem Schlaf hoch und realisierte, dass alles nur ein Traum gewesen war.

Aber das kann ich nicht.

Weil es Realität war. Ich war so gefangen in diesem blöden Film, dass ich meine ganze Umgebung ausgeblendet hatte. Vorsichtig drehte ich meinen verspannten Nacken nach rechts und realisierte prompt, dass der perverse Grabscher seinen Arm um mich gelegt hatte! Ich schaffte es endlich, mich aus meiner Hypnosewelt zu lösen und mit angewidertem Blick seinen Arm von mir zu schubsen. Genervt schnaubte ich. Der sollte seine Hände gefälligst bei sich behalten!

Plötzlich ertönte ein lauter Schrei aus dem Fernseher und ich zuckte erschrocken zusammen. Fast wäre ich schon wieder von den verstörenden Bildern gefesselt worden, hätte mich nicht Emils Arm aufgehalten, der plötzlich erneut um meine Schultern lag. Diesmal zwickte ich ihn so lange, bis er seinen Arm zurückzog und leise "Aua" murmelte.

Zufrieden wandte ich mich wieder dem Bildschirm zu. Der Film neigte sich nun langsam dem Ende zu und auch bei diesem Film fehlte der spannende Teil vor dem Schluss nicht. Ich wurde schon wieder gefangen und war vermutlich wahnsinnig bleich im Gesicht. Da spürte ich den Arm schon wieder. Doch diesmal schob sich auch noch die Hand ein wenig unter den Saum meines T-Shirts am Schlüsselbein entlang.

Da platzte mir der Kragen. Am liebsten wäre ich aufgesprungen, hätte ihm eine runtergehauen und ihn angebrüllt, doch ich rang mit mir selbst. Ich konnte nichts beweisen und die anderen würden mich als launische Kuh abstempeln, die Unschuldige grundlos verprügelte.

Aber ich konnte seine Hand auch nicht einfach da lassen. Natürlich könnte ich auch so tun, als müsste ich mich in den Popcornkübel erbrechen, ich war sowieso schon kurz davor, allerdings würde dann vermutlich niemals mehr irgendjemand zu Besuch kommen.

Aber eines war sicher: ich musste hier weg.

Gottseidank wurde mir die Entscheidung abgenommen, denn Luca (in diesem Moment trug wohl eher den Titel: heiliger Retter der begrapschten Mädchen) ,der meine Misslage offenbar bemerkt hatte, fragte vorsichtig: "Caro, alles in Ordnung? Du bist total bleich!"

Ich schnaufte erleichtert aus. "Ja, es ist wahnsinnig warm hier drinnen. Ich gehe etwas Wasser trinken." Erleichtert sprang ich auf, nicht ohne Emil meine Ferse auf die Zehen zu rammen. Ich hörte befriedigt ein schmerzvolles Zischen hinter mir und bahnte mir meinen Weg zwischen am Boden liegenden Chipstüten hindurch. Ich schwankte leicht, da meine Muskeln immer noch irgendwie verkrampft waren, doch schaffte es ohne Unfälle in die Küche, wo ich eineinhalb Liter Mineralwasser austrank, als wäre ich ein Kamel. Schwer atmend lehnte ich mich an die Kücheninsel und überlegte. Ich sollte zurückgehen, wollte aber verständlicherweise nicht. Schließlich entschied ich mich dafür, mich einfach fern von gemeingefährlichen Händen auf den Boden zu setzen und den leeren Tüten gesellschaft zu leisten.

Zuerst musste ich allerdings aufs Klo. Ich stolperte also zum Ende des Ganges, ohne das Licht anzuschalten. Ich wusch mir die Hände, entsperrte die Tür und wollte gerade auf den Gang treten, als mich zwei Hände zurückschubsten, jemand den Raum betrat und hinter sich absperrte. Alles war schwarz. Doch Emil, ich hatte ihn natürlich sofort erkannt, hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass ich im Gegensatz zu ihm besser im Dunkeln sehen konnte.

Ich grinste boshaft. Sich selbst im absoluten Dunkeln mit einem agressiven Werwolf einzusperren, der noch ein Hühnchen zu rupfen hat, ist eine schlechte Idee. Eine ganz schlechte. Merkt euch das.

Ich unterdrückte ein lautes Lachen und stieß dagegen ein erschrockenes Quieken aus, das eigentlich ängstlich klingen sollte, sich meiner Meinung nach aber eher nach einem Schwein mit einer Nadel im Hintern anhörte.

Emil aka Pedograbscher grinste trotzdem und kam auf mich zu. Ich drückte mich schwer atmend gegen die Wand, während ich mir in Gedanken selbst die Hand schüttelte und mir einen Schauspielpreis verlieh. Jetzt hatte er mich erreicht und wollte mich gerade anfassen, doch ich sprang blitzschnell an ihm vorbei in die Badewanne.

Unglücklicherweise konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen, als sich mein Verfolger konfus im Kreis drehte und sich dabei den Kopf am Duschrahmen stieß. Sofort wusste er wo ich war und stampfte wütend auf mich zu. Ich schnappte mir ein feuchtes Handtuch, warf es ihm ins Gesicht und sprang in die Ecke neben der Tür. Dieses Spiel war fast so wie Blindekuh und ich hatte einen Heidenspaß dabei. Oder formell ausgedrückt: des Sehsinns beraubtes weibliches geschlechtsreifes bos primigenius Taurus nach der ersten Kalbung. (=blinde Kuh) Merkt euch das auch. Kann man immer brauchen.

Der blinden Kuh schien es nun genug zu sein, denn er bewegte sich vorsichtig auf den Lichtschalter zu. Ich hörte das Knipsen und kaum zwei Sekunden danach kam der zerzauste Emil wütend auf mich zu.

Zeit, ihm einige Kostproben meiner Kampfkünste zu geben. Ich schnappte mir seinen Arm und trat ihm mit meinem Unterschenkel die Beine weg.

Mit einem dumpfen Geräusch knallte er auf den Boden. Ich ging noch weiter, drehte ihn auf den Rücken und schnürte seine Hände und ein Bein mit einem Bademantelgürtel zusammen. Dann wickelte ich ihn in mehrere Schichten Handtücher und stopfte ihm eine Seife in den Mund. Er sah mich hasserfüllt an, doch ich zischte: "Warum müssen Kerle wie du Frauen nur als Sexobjekt sehen. Als hätten wir keinen Charakter, nur weil wir weniger Muskeln haben. Als würden wir alles einfach über uns ergehen lassen. Junge, wenn du jemals Erfolg mit irgendeiner Frau haben willst, solltest du auf ihre Wünsche hören. Und wenn sie dir sagt, dass du aufhören sollst, dann hast du das sofort zu tun. Schon mal was von Emanzipation der Frau gehört oder lebst du noch im Mittelalter?"

Vorwurfsvoll produzierte er einige Seifenblasen an seinen Mundwinkeln. Ich schnaubte nur, drehte mich um, knipste das Licht aus und verließ den Raum.

Immer noch wütend stampfte ich zurück ins Wohnzimmer und setzte mich zurück auf die Couch. War immer noch mein Haus. Mit Erleichterung erkannte ich, dass der Film aus war. "Caro? Alles ok?" fragte mich Luca misstrauisch. Doch ich lächelte nur und meinte zu Sophia: "Wir müssen bei der Filmauswahl nicht auf Emil warten. Er musste kurz nach Hause, da er leider seine Zahnbürste vergessen hat. Übrigends, das Klo im Erdgeschoss ist mal wieder verstopft. Ziemliche Sauerei da. Ihr solltet die in den oberen Stockwerken benutzen." Alle nickten mit angeekelten Blicken. Ich übernahm die Kontrolle und entschied den nächsten Film, obwohl alle protestierten. Doch ich hatte meine Verlegenheit, die ich immer bei Fremden hatte, abgelegt. Ich hatte jetzt hier die Hosen an. Alle anderen konnten gerne in ihren rosa Kleidchen vor sich hin vegitieren.
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Wolf fact: Jeder Wolfswelpe kommt mit blauen Augen zur Welt, die Farbe ändert sich später.
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Bei uns hat es vor kurzem geschneit O.o Ich schaue gerade Song Contest :D

Allein unter Menschen!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt