17 - so ist die Natur nun mal!
Seufzend schlitterte ich durch die klirrend kalte Luft wieder nach unten. Hauptsächlich rollte ich aber, weil ich gestolpert war.
Als ich am Fuß des Berges ankam, witterte ich sogleich Wild. Mhhhh... Was gab es denn da alles? Also, hinter den Hügeln graste ein Reh, dort drüben wühlten Wildschweine und die Kaninchen waren in ihrem Bau.
Natürlich konnte ich das nicht sehen, aber gut riechen, da der Wind mir die Gerüche zuwehte. Nicht das ihr jetzt denkt ich habe nen Röntgenblick und stalke Menschen beim Duschen oder sowas..
Moment, da war noch was. Ich schnupperte. Oh, ja, das würde ich jagen. Ein Prachtexemplar von Hirsch war durch den Wald gestreift.
Ich schlich der Fährte nach. Der Hirsch hatte eine tiefe Spur im Schnee hinterlassen, es musste ein riesiges Tier sein.
Langsam schlich ich weiter. Kurz darauf konnte ich die Beute hören, wenig später auch sehen.
Wow. Das Tier hatte ein dermassen großes Geweih, ich hatte noch nie so eines gesehen! Ich zählte die Geweihspitzen. Zwölf! Da wird Bambi wohl auch noch seinen Vater verlieren... Etwas seltsamer Humor, aber hey, ich kann dem Hunger die Schuld geben.
Aber dieses Vieh sah wirklich aus wie der König des Waldes. Ich musste meinen Angriff gut vorbereiten, da die Geweihspitzen auch mir gefährlich werden konnten, obwohl, wenn ich auf vier Pfoten stand, mein Rücken einem erwachsenen Mann bis zum Ellbogen reichte.
Der Hirsch knabberte ein wenig an der Rinde eines Baumes und war somit abgelenkt. Diesen Moment nutzte ich und sprang. Meine Hinterläufe schleuderten mich in die Luft. Ich landete am Hinterteil des Hirsches und verbiss mich in sein Bein.
Das Tier gab einen erschreckten Laut von sich und drehte sich mehrmals, sodass ich durch den Schnee geschleift wurde. Doch dann stemmte ich mich auf die Pfoten und zog dem Hirsch das Bein unter dem Körper weg, sodass er seitlich in den Schnee fiel. Ich stellte mich mit den Vorderpfoten auf seine Flanke und näherte mich dann seinem Hals. Doch der Hirsch war noch lange nicht geschlagen. Er warf den Kopf herum, trat mit den Hufen und versuchte mich mit dem Geweih zu erwischen. Nun hieß es abwarten, bis er müde wurde und dabei den Hufen nicht zu nahe kommen. Ich war nicht so grausam, ihn bei lebendigem Leibe aufzufressen, obwohl ich es gekonnt hätte.
Ich hatte mal in einer Tiersendung gesehen, wie ein paar Löwen ein Warzenschwein fingen. Während eine Löwin noch an seiner Kehle hing, rissen die anderen ihm die Füße aus, obwohl es noch garnicht tot war. Auch die Natur konnte gemein sein.
Ich musste mich jetzt auf mein Warzenschwein mit Geweih konzentrieren, denn ich bemerkte, wie dem Hirsch die Kräfte schwanden. Kaum war ich mir sicher, dass das Tier zu langsam wäre, um mich aufzuspießen wie Obst auf Zahnstochern, stieß ich zu.
Mein Kiefer schloss sich um den Hals des Hirsches und drückte die Luftröhre ab. Schon bald hörte meine Beute auf zu zucken und ich konnte mich ans essen machen. Mahlzeit!
Ich fing mit dem leckeren Bauchfleisch an und grub meine Zähne hinein. Über Beuteräuber musste ich mir keine Sorgen machen, ich wurde sogar mit Bären fertig. Hauptsächlich weil sie momentan alle pennten.
Ich hörte plötzlich ein Krächzen und blickte auf. Ein schwarzer Vogel. Eine Krähe.
Kaum hatte ich meinen Blick abgewandt, landete flatternd ein weiteres Exemplar neben der Ersten.
Langsam wurde das Mahl mir unheimlich, denn auf den dunklen Tannen rund um die Lichtung sammelten sich immer mehr dieser gruseligen Viecher, die mich mit ihren ausdruckslosen Augen anstarrten.
Vor meinem inneren Auge erschienen Bilder von verlassenen Schlachtfeldern, Aas, Friedhöfen und unheimlichen Kapuzengestalten. Mann, Krähen sollten echt mal ihren Ruf verbessern.
Doch sie waren nicht die einzigen Beutediebe hier. Ich konnte Füchse im Dickicht riechen. So beobachtet konnte ich nicht fressen. Ich betrachtete den Kadaver und spontan entschied ich mich, den Kopf mitzunehmen. Das Geweih würde sich gut im Wohnzimmer machen.
Mit einem hörbaren Knacken biss ich das Genick des Hirsches durch und trennte die Sehnen und das Fleisch ab. Dann drehte ich mich um und verließ den Platz.
Augenblicklich stürzten sich die Krähen auf ihr Festmahl. Das Krächzen schallte laut durch den Wald. Ich wandte schaudernd den Blick ab und trug den Kopf nach Hause, wo ich ihn im Gartenhäuschen verstaute. Der nächste, der dort hineinging, würde wahrscheinlich einen riesigen Schock kriegen, aber egal.
Meine Schnauze war immernoch blutverschmiert, also begab ich mich erstmal zum nächsten Bach. Ich kannte da einen netten Kleinen im Wald.
Spontan entschied ich mich, ein Vollbad zu nehmen. Ich suchte mir eine eisfreie Stelle und sprang ins Wasser. Brrr, das war wirklich nicht gerade warm. Doch nachdem ich ein wenig geplanscht hatte, fühlte ich mich wohler. Auch der Blutgeruch verschwand langsam und ich schüttelte meinen triefenden Pelz.
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Allein unter Menschen!
Lupi mannariNormal sein ist relativ. Jedenfalls für Caroline. Während andere bei dem Gedanken, ein Werwolf zu sein, vermutlich panisch geworden wären, hatte sie samt ihren drei Geschwistern bereits seit ihrer Kindheit Zeit, sich damit abzufinden. Werwolf von Ge...