18 - Der Papierkrieg

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18 - Der Papierkrieg

Nachdem ich ein wenig mein Fell getrocknet hatte, brach plötzlich die Sonne durch die Wolkendecke, die schon den ganzen Tag über dem Tal hing und blendete mich.

Entzückt stellte ich fest, dass in meinem Fell gefrorene Eisstücke hingen, und mich glitzern ließen. Ich kam mir vor wie ein Vampir aus Twilight. Zugegeben, Vampire an sich sind schon cool, und ich liebe die Buchserie Unsterblich, aber in Twilight wirken die Killer durch diesen Glitzereffekt dann doch eher wie agressive Chihuahuas, als Rottweiler.

Kurz darauf verdeckte eine Wolke die Sonne wieder. Ich versuchte die Schneeklumpen, die an meinem Bauchfell hingen, abzuschütteln, doch es blieben immer wieder neue haften. Ich wollte nicht wissen wie bescheuert das jetzt aussehen musste. Ich hätte den zotteligen Hund neulich nicht auslachen sollen. Offenbar wollte sich der Hundegott nun an mir rächen.

Genervt setzte ich mich unter eine uralte Tanne, wo kein Schnee lag, und putzte mich. Ich leckte gerade über meine Pfote, als ich ein Geräusch hörte. Jäger? Gegen Gewehrkugeln war ich machtlos.

Doch es waren keine Jäger. Ich kannte diesen Geruch. Oh na toll. Luca. Er kam in Winterklamotten durch den Schnee gestapft und fluchte. Offenbar war Matsch in seinen Stiefel geraten. Amüsiert betrachtete ich die quietschgelbe Mütze auf seinem Kopf.

Als er mich erblickte, leuchteten seine Augen auf. »Hier bist du also! Ich habe dich gesucht!«

Er setzte sich neben mich und ich schnüffelte an seiner Jacke. Er grinste. Dann kraulte er mich hinter den Ohren. Wie süß, er redete mit mir als dachte er, ich würde ihn verstehen!

Plötzlich sagte er: »Ich würde dich gerne zeichnen! Könntest du stillhalten?« Er zog einen Block und Stifte aus seinem Rucksack.

Aber das passte mir nicht. Stundenlang still sitzen war nicht mein Ding. Ausserdem wollte ich den Kontakt mit ihm so gering wie möglich halten. Ich benahm mich bisher ja nicht wirklich tierisch. Aber ihm jetzt vorzuspielen, ich sei doch nur ein primitives Etwas, würde auch nichts bringen.

Das kenne ich aus Filmen. Irgendein Typ hat ein Geheimnis, muss deswegen einen nahestehenden Menschen verlassen, und anstatt zu sagen: tut mir leid, wir können nicht zusammen sein, tut er so als würde er die Person hassen, um zu verhindern dass sie ihn verfolgt oder wahnsinnig vermisst. Und das führt in Filmen nie zu einem guten Ende.

Ich wollte jetzt nicht einfach feige abhauen, da ich seine Gesellschaft zugegebenermaßen genoss, also stand ich einfach auf und wich zurück. Dann knurrte ich leise. Er sah enttäuscht aus. »Och komm schon, bitte! Ich sage auch niemanden, dass du das bist, sondern behaupte, dass mir dieses Motiv selber eingefallen ist.«

Ich musste ja so tun, als ob ich ihn nicht verstehen könnte, also machte ich sehr einfallslos einfach weitere Schritte zurück. Doch unser Michelangelo kam einfach weiter auf mich zu. Je weiter ich zurückwick, desto schneller ging er vorwärts. Irgendwann nach einer Verfolgungsjagd durch bestimmt den halben Wald, wurde es mir zu bunt und rollte mich genervt unter einem Baum zusammen.

Luca hatte eine wahnsinns Überzeugungskraft. Sie bestand hauptsächlich darin, Laute wie ein quengelndes Baby von sich zu geben, mich voll zu jammern und eine beleidigte Schnute zu ziehen.

Ich studierte sein Profil, während er konzentriert auf seinem Block herumkritzelte. Seine braunen Haare waren zerwuschelt und Schneeflocken hatten sich darin verfangen. Seine Augen, die ich so faszinierend fand, blickten schnell zwischen dem Block und mir hin und her.

Er sollte mal sich selbst zeichnen, er wäre auch ein cooles Motiv.

Irgendwann döste ich sogar ein, und als ich aufgrund eines agressiven Vogels, der es offenbar lustig fand, den halben Wald mit Zwitschern zu alarmieren, aufwachte, war Luca immer noch nicht fertig. Mittlerweile war ich einfach nur genervt.

Allein unter Menschen!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt