22 - Waidmannsheil
Clara und ich bauten unser quietschgelbes Zelt am Rande der Lichtung auf, damit die schrille Farbe eventuelle Spanner fernhalten konnte.
Ich zerrte die Planen aus der Verpackung, was gar nicht so leicht war, da sie wild herumflatterten. Dann sah ich mich um.
Angie und ihre zwei Freundinnen behaupteten keine Ahnung von Zelten zu haben und ließen ihres gerade von den Lehrern aufbauen. Ich schüttelte den Kopf.
Clara und ich hatten keine Probleme damit und schon bald stand das Dreimannzelt aufrecht. Wir legten die Matten hinein und die Schlafsäcke darauf. Unsere Koffer passten auf den dritten Schlafplatz. Dann gingen wir nach draußen.
Auf dem Zeltplatz herrschte immer noch Apokalypse und wir halfen mit wo wir konnten. Es gab einige Schwierigkeiten mit Bedienungsanleitungen die auf Japanisch geschrieben waren, doch am Ende hatte jeder sein Zelt stehen.
Dann zeigte uns der Campingplatzbesitzer, wo wir uns waschen konnten. Angie und ihre Freundinnen waren entsetzt, als sie wahrhaben mussten, das nun ein Trog mit Wasser aus einem Bach ihr Badezimmer war. Wenigstens gab es zwei der komischen Klos, die immer auf Baustellen stehen.
Dann ging es natürlich wieder zum Unterricht. Wir sammelten uns am Waldrand, mittlerweile war es Nachmittag. Der Biolehrer verkündete: "Wir möchten euch gerne zeigen, wie schwer es Menschen früher hatten, und deswegen werdet ihr für heute Abend euer Essen selbst suchen."
Sofort explodierten Protestschreie, doch die Lehrer blieben unerbittlich und schickten uns in den Wald wie Hänsel und Gretel.
"Clara, hast du die Brotkrumen dabei?" fragte ich. "Was?" "Na die Brotkrumen, damit wir wieder zurückfinden und du nicht von der Knusperhaushexe gegessen wirst." Sie lachte. "Wer sagt denn, dass nicht du gegessen wirst?" "Na ich bin doch viel zu schlau um gegessen zu werden." grinste ich. "Das werden wir noch sehen. Mal schauen wer mehr zu Essen mitbringt!" "Geht klar!" meinte ich und klatschte mit ihr ein.
Bei einem großen Felsen trennten wir uns. Sobald sie nicht mehr zu sehen war sprintete ich los. Kurz dachte ich an Mamas Warnung, doch dann schoss ich diese in den Wind und regte mich nicht weiter auf. Ich verwandelte mich ein Stück weiter drüben und checkte meine Umgebung ab. Es würde wohl ein wenig komisch kommen, wenn ich mit einem Reh über der Schulter ankam. Ich entschied mich also für die Kaninchen.
Bald hatte ich einen Bau aufgestöbert. Zwei der Tiere erledigte ich vor ihrem Zuhause, dem Dritten buddelte ich hinterher und konnte es gerade noch am Hinterbein packen, bevor es verschwand.
Ich schleuderte mir Erdkrümel aus dem Fell und packte dann meine erbeuteten Tiere. Ich ging so nah ich konnte in die Richtung des Campingplatzes, merkte mir die ungefähre Richtung und verwandelte mich dann zurück.
Die drei Kaninchen packte ich an den Schwänzen und stapfte dann vorsichtig weiter, da es schon dunkel war. Bald konnte ich das Lagerfeuer sehen, wo schon fast alle versammelt waren. Offenbar war ich länger weg gewesen als ich gedacht hatte. Ich versteckte die Kaninchen hinter meinem Rücken und trat dann schmunzelnd aus dem Gebüsch.
Alle Köpfe drehten sich zu mir. Der Lehrer meinte: "Ah, Caroline. Da bist du ja!" Ich hörte ein Kichern. Angie. "Was hast du so lange gemacht? Bist faul herumgelegen, oder wie? Tja, du wirst heute wohl hungrig bleiben, was? Was hast du uns denn mitgebracht? Tannenzapfen? Oder doch gleich Hirschköttel?" Sie steckte sich provozierend eine Himbeere in den Mund, die offenbar ihre Freundinnen für sie gesammelt hatten, wie ich an ihren zerkratzten Armen erkennen konnte.
Ich grinste. "Nein. Also ich war kurz bei der Dönerbude, die du offenbar verpasst hast, und hab mir Fleisch geholt." Ich nahm meine Hand hervor und schwenkte die toten Körper in ihre Richtung. Sie quiekte laut auf und kippte rückwärts vom Baumstamm.
Ich lachte, während die anderen mich verwundert ansahen. "Wo hast du die denn her?" fragte mich Clara, als ich mich neben sie setzte. "Gefangen" antwortete ich und meinte: "Und wo hast du die da her?" Ich deutete auf die Kratzer in ihrem Gesicht. Sie wurde rot. "Ich hab mich mit einem Eichhörnchen um Nüsse gestritten.." murmelte sie. Ich kicherte kurz und meinte dann: "Keine Sorge, du kriegst was von mir ab."
Ich kniete mich ins Gras und holte mein Taschenmesser hervor. Ich bemerkte dass mich alle ansahen und grinste, als ich die Klinge im Körper des Kaninchens versenkte.
Belustigt hörte ich ihre angeekelten Geräusche, als ich das Tier ausnahm und ihm das Fell abzog. Das hatte mein Vater mir mal beigebracht. Immer noch versteckt grinsend spießte ich den Körper auf einen Stecken und hängte ihn ins Feuer.
Dann machte ich mit dem Nächsten weiter. Als ich das Zweite hineinhängte verbreitete sich gerade der köstliche Geruch von gebratenem Fleisch auf dem Platz. Ich nahm das erste aus dem Feuer und ließ es auskühlen, während ich das dritte Tier ausnahm. Als beide im Feuer waren ließen Clara und ich uns das erste schmecken.
Ich bemerkte die neidischen Blicke der anderen und nahm das zweite Tier aus dem Feuer. Ich kühlte es kurz und bot dann den anderen etwas an. Wir teilten uns alle das restliche Fleisch. Nur Angie nahm nichts an, sondern verließ mit angeekeltem Gesichtsausdruck den Platz.
"Caroline, woher kannst du das Alles?" fragte Herr Mopp, während er an einem Rippchen knabberte.
"Ein naher Verwandter von mir ist Jäger." meinte ich grinsend.
Da Jonas und Fred noch aus dem Nichts ein paar Tüten Marshmallows hervorzauberten, schickten uns die Lehrer ernsthaft nochmal in den Wald, um Stöcke zu suchen, mit denen wir sie grillen konnten.
Stellt euch das mal vor, eine Gruppe Jugendlicher aus der Stadt, die im Dunkeln im Gebüsch herumirrt, um einen Stecken zu finden, während kreischende Mädchen über Blätter in den Haaren meckern.
Clara und ich hatten bald etwas Passendes gefunden und ergatterten ziemlich viele Marshmallows.
Irgendwann begann jemand Gruselgeschichten zu erzählen und bald begannen auch die Anderen zu reden. Schlussendlich war die ganze Klasse so paranoid, dass wir ins Bett gingen.
Ich konnte gerade noch der Versuchung widerstehen, Angie ein paar Kaninchengedärme ins Zelt zu schmuggeln.
Nach dem Zähneputzen im Bachtrog, was ziemlich unheimlich war, da überall Geräusche aus dem Wald kamen, legte ich mich ins Zelt und schlief sofort ein. Der Tag hatte mich schlussendlich doch erschöpft.
Am Morgen wachte ich mit mieser Laune auf. Es war eiskalt in der Nacht geworden und ich war mindestens dreimal aufgewacht, weil draußen irgendwer herumgeisterte.
Müde schleppte ich mich zum "Badezimmer" und spritzte kaltes Wasser in mein Gesicht. Meine Laune besserte sich nicht gerade, als ich erfuhr, dass die Lehrer eine Schnitzeljagt organisiert hatten.
Na toll, wir sollten den ganzen Tag wie bekloppt im Wald herumrennen und irgendwelche roten Fahnen finden. Clara und ich bemühten uns nicht wirklich, und so war es kein Wunder, dass wir den Preis nicht gewannen. (Der Preis war übrigends eine Dose mit Süßigkeiten, da die Lehrer nichts Besseres hatten.)
Als wir nun am späten Nachmittag endlich fertig waren, gaben uns die Lehrer den Rest des Tages frei.
Hätten sie besser nicht getan.
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Allein unter Menschen!
مستذئبNormal sein ist relativ. Jedenfalls für Caroline. Während andere bei dem Gedanken, ein Werwolf zu sein, vermutlich panisch geworden wären, hatte sie samt ihren drei Geschwistern bereits seit ihrer Kindheit Zeit, sich damit abzufinden. Werwolf von Ge...