Rage

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"Nach einer gewissen Zeit, vor allem näheren Betrachtung seines Lieblingsspielzeugs, tritt Invidias einen Schritt zurück. Lustlos zuckt er mit seinen Schultern. "Wir haben ja Zeit. Da kann ich dein Grübchen auf aktuellen Stand bringen", meint er bloß."

Jimin

Wie unter Strom steht mein Körper, völlig paralysiert, mit geweiteten Augen, damit ich nicht eine seiner Bewegungen verfehlen, folge ich seinen Schritten gebannt. Ich kann nicht ahnen, was er vorhat, vielleicht überlegt er es sich anders und schlägt mich erneut, wenn nicht schlimmer, mehr als genug Leid habe ich ertragen müssen.

Hin und her stolziert San durch den Raum, mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, welches nicht mehr verwechselbar mit dem eines Psychopathen ist, eines Verrückten. Er gleicht einem Jäger, der seine Beute gefangen hat, doch bevor er das Vieh zur Strecke bringt, will er es elendig leiden sehen. Die Tatsache, dass ich diese Beute darstelle, ist jedenfalls ein großer Nachteil für mich, den ich versuche, so gut es möglich ist zu verdrängen.

Innerlich rufe ich wiederholt, mit jedem Mal verzweifelter nach Taehyung, unser Band, ich hoffe er schafft es mich erneut zu retten, wobei ich immer mehr die Hoffnung aufgebe.

Wäre er nicht schon längst an meiner Seite? Würde er mich nicht schon befreit haben und mich in seinen tröstenden, starken Armen wiegen, um mich zu beruhigen, mir vergewissern, es ist alles vorbei.
Immer wieder male ich mir Szenarien aus, in denen die Jungs durch die Türe hinter Invidias kommen. Sie aufbrechen, den Dämon in Gewahrsam nehmen, mich retten. Doch dass nur eine dieser Kopfbilder in Erfüllung geht, mittlerweile empfinde ich diese Vorstellung ausschließlich als naiv.

Aus meinen Gedanken werde ich gerissen, obwohl ich ihn so konzentriert beobachtet habe, von San, der zu sprechen beginnt, in einem heiteren Ton" Weißt du, mein Kind... wir Dämonen unterscheiden uns zu sehr von Menschen. Wir haben keinen richtigen Willen. Keinen Hunger. Keine echten, angeborenen Emotionen. Wir könnten uns niemals mit den primitiven Menschen gleichstellen" mit der Peitsche, die noch immer in seiner Hand ruht, wippt er auf und ab, er würdigt mich keines Blickes.

Auf einmal bleibt er stehen und seufzt" Naja und dann gibt es halt mich. Die Eifersucht, der Neid, Invidias wie ich heiße. Das einzige, was mich mit den Menschen verbindet, diese Eigenschaft- sie ist wahrlich abscheulich, doch passt dieser Titel zu gut zu mir." Der Schwarzhaarige, ruckartig schenkt er mir einen tödlichen Blick, einer der alles in mir in Aufruhr bringt. Mit Angst ist dieses Gefühl nicht vergleichbar, es ist schrecklich, nicht ein Mal in den letzten Tagen, hat er mich mit solch hasserfüllten Augen angesehen.

"Auf eine einzige Person bin ich bekanntlich neidisch, du brauchst sicher nicht allzu lang überlegen, natürlich rede ich über deinen Vater" lacht er aus heiterem Himmel, seinen Kopf wirft er in den Nacken, während sein Lachen sich immer mehr in ein chaotisches Aufschreien wandelt.

Mein Leib beginnt ungewollt zu zittern, der Schmerz, den ich bis jetzt vergessen hatte, scheint plötzlich wieder voll einzusetzen und brennt wie die Flammen der Hölle selbst. Die Handschellen reiben sich weiter in mein Fleisch, als ich mich instinktiv gegen diese zu wehren beginne.

"Er hat alles! Familie, Freunde, Verbündete, Liebe und vor allem hat er Satans Vertrauen" brüllt der Mann mit seinem ganzen Sein. Stürmisch kommt er auf mich zu und packt mich bei meinem Hals um mich einem kräftigen Würgegriff auszusetzen. "Er hat genug und darum muss ich das machen, verstehst du mein Kind? Ich werde ihm jetzt eine weitere Sache nehmen müssen, die seins ist und das bist du, du widerliches Objekt, dich hätte man nicht mal als Waffe benutzen können" knurrt er, seine Stimme ist erheblich leiser geworden.

Zuerst konzentrierte ich mich bloß auf seine Hand an meinem Hals, die mir immer mehr die Luft abschnürt, mich um mein Bewusstsein kämpfen lässt. Bis auf einmal seine Wortwahl auffällt. Ein so kleines Wort, welchem man gerne keine Aufmerksamkeit schenkt und doch spielt es sich in meinem Kopf wie eine kaputte Schallplatte immer wieder ab. "Eine weitere Sache" flüster ich mit erstickter Stimme.

Wut, sie brodelt in mir, steigt an und verbreitet sich in meinem Körper wie eine Explosion. Die Ketten, die mich die letzte, qualvollen Zeit festhielten, reiße ich von mir, um mit einer meiner Hände an den Arm meines Gegenübers zu fassen, seine Hand somit von mir löse. Überrascht stolpert San einige Schritte zurück, während er sein geschundenes Körperteil reibt.

Keuchend versuche ich zu atmen, mir wieder Kontrolle über meine Luftzufuhr zu holen. Mein Leib erhitzt sich wie mein Gemüt, der Mann vor mir, noch nie habe ich einen solchen Hass empfunden, der, der vor mir steht, scheint über das Schicksal einer anderen Person zuvor entschieden zu haben, wenn ich richtig liege, über das meiner Mutter.

"Du Penner!", schreie ich so gut es in meiner Atemnot geht", was hast du meiner Mutter angetan!" Tränen der tiefen Verzweiflung bahnen sich an und benebeln meine Sicht, doch nicht genug, um zu sehen, wie sich seine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen heben. "Natürlich, solch Missgeburten wie sie muss man einfach umlegen und du wirst der nächste in den Reihen sein!" kichert er, verbirgt nicht einmal seine Abscheu uns gegenüber, was alle Stränge in mir zerreißt.

Meine bis eben schmerzhaft ziehenden Wunden beginnen sich zu schließen, meine bisherige Energielosigkeit verschwindet sich rasant. Die stumpfen Fingernägel wandeln sich zu den mir bekannten Klauen aus, während meine Hörner mein Haupt krönen, beide, als wäre der Vorfall mit dem Engel nie gewesen. Der rote Schleier in meiner Sicht intensiviert sich, meine blauen Haare färben sich rot. Ich mache ein angenehmes Kribbeln auf meinem Rücken aus, es brennt etwas aber nicht so stark wie meine Wut, meine Qual, mein Hass.

Und dann sehe ich es. Weiße und schwarze Federn breiten sich aus, formen sich zu prachtvollen Flügeln, diejenigen, die wir so dringlich ersucht haben. Wie ferngesteuert bewege ich mich, es ist als hätte ich keine Kontrolle über mich und der wachsenden Macht in mir. Ich fühle mich stärker als jemals zuvor.

"Du hättest eben nie geboren werden dürfen" spottet San aus dem Nichts.

Diese Silben sind der Punkt, bei dem ich merke; ich habe meine Kraft nicht mehr im Zaum. Alles um mich herum erhellt sich, ein Fiepen dringt durch meine Ohren, wird immer lauter bis alles verstummt..

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Ich weiß nicht was es ist, aber ich bin enorm stolz auf mich was das Kap angeht.

Rejected~VminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt