Farewell

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"Ein Schmunzeln gefolgt von einem Lachen schallt durch die Wände, so absurd es sein mag. "Wer hat gesagt, dass ich jemals etwas gegen das Glück meines Sohnes hatte?", frage ich ihn, auch wenn er dies wohl nicht mehr hört."

Jimin

Die Kämpfe, sie scheinen tatsächlich vorüber zu sein. Die Leute, die sich bis eben noch gegenseitig bedroht und verletzt haben, ziehen sich nach und nach zurück. Der Boden, der mittlerweile wieder unter meinen Füßen ist, ist deutlich kühler geworden, als er es bis vor einigen Momenten noch war. Nicht mehr so als würde man auf brennender Kohle stehen.

Und doch bin ich fernab von beruhigt und erleichtert. Eher das Gegenteil, ich werde wieder unglaublich aufgeregt und meine Gedanken rasen, wie die Bilder von der Folter, die meinen Kopf wieder passieren. Ist meine Mutter wieder fort oder warum spüre ich sie nicht mehr? Ich fühle mich ungeschützt in meinem eigenen Kopf. Meine Schreie werden wieder lauter und die Hiebe, das fließende Blut auf meinem Leib scheint wieder präsent. Es ist fast so, als würde das Rot, welches ich vergossen habe, das, der Toten sein. Sie liegen hier an jeder Ecke, beschmiert mit ihrem eigenen Lebensliquid. Ihre Brust hebt sich nicht mehr und würde es niemals wieder können.

So große Verluste; wie viele Familien wohl ein Mitglied verloren haben oder gar zerstört wurden. Ich, der niemals eine hatte, hat sie zerrissen, ich habe es verursacht. Immer weniger kann ich diese Überlegung ertragen, die immer lauter wird und fast die vorherige Szene aus meinem Schädel streicht.

Wie ich es in letzter Zeit viel zu oft gemacht habe, dass es für mich langsam nervig scheint; ich habe noch nicht das ganze Wasser aus mir, es beginnen die Tränen sich zu bilden. Ich will es wieder gut machen, mir reicht es nicht, dass ich etwas beendet habe, was meinetwegen überhaupt erst zustande gekommen ist. Heilen will ich die verletzten Seelen und noch viel mehr will ich retten. Dass ich dies auch schaffen kann, ist mir gewiss, ich fühle es und weiß, ich muss es tun. So viel wie möglich will von mir gerettet werden.

"Tae- ich muss gehen. Danke für alles. Ich weiß nicht was danach sein wird, aber das ist auch unwichtig", ich traue mich gar nicht erst meinen Nebenmann anzusehen, gerade weil ich weiß, er würde es nicht wollen. Gerne würde ich egoistisch sein, aber kann es einfach nicht und das muss er auch verstehen.

Meine Füße tragen mich nach vorne, weg von dem Mann, aber allzu weit schaffe ich es nicht. Eine Hand auf meiner Schulter, die mich ganz festhält, lässt jenes nicht zu.
"Jimin, was ist los?" will er verzweifelt von mir wissen, ein Stich in mein Herz.
Da war Hoffnung ich könnte es einfach durchziehen, doch natürlich ist er hier und das kann ich nicht ändern. "Ich kann das nicht sehen, ich kann die Schuld nicht tragen. Ich muss helfen, doch weiß ich nur einen Weg." Ganz so überzeugt von der Idee wie ich es davor war, bin ich nicht mehr, aber rückgängig werde ich meinen Entschluss nicht machen; jener ist irreversibel.

Schockiert zieht der Jüngere die Luft ein, es ist so als hätte dieser Ton die Luft geschnitten, der Druck ist größer.
"D-du willst doch nicht-", beginnt Victima zu stammeln, die Erkenntnis hat ihn nun doch überkommen. Der sonst so starke wirkt zerbrechlicher den je. 
"Doch, ich muss alle retten, weißt du?" ich versuche ihm klarzumachen wie wichtig mir das ist, obwohl ich nicht die rechten Worte dazu habe. Mein Kopf findet sie nicht, ich höre nur den Ruf, der mich zur Tat zwingt "Rette sie alle" hallt es in mir.

Plötzlich werde ich zu dem Größeren gedreht, noch schneller sehe ich weg, imstande ihn anzusehen bin ich nicht. Aber die gebrochene Stimme von ihm, die nun wieder versucht Sätze zu bilden, die mich aufhalten sollen, vermögen meine Unfähigkeit zu brechen.
Ich hasse, was ich höre und sehe.

"Und was ist mit Yoongi, Namjoon, Seokjin, Jeongguk, Seonghwa, Hongjoong, Sora, 
Hoseok und mir? Ich hab dich einmal verloren, ich will das nicht nochmal! Ich will nicht wieder denselben Schock erleben, die Angst, dir nie wieder in die Augen sehen zu können, deine Stimme zu hören, seinen Duft um mich zu haben und deine Hand in meiner zu spüren! Was soll aus mir werden, wenn du weg bist? Warum denkst du nicht auch an mich?!"

Nieder prasseln, eher hageln seine Silben auf mich ein, nehmen mich Stück für Stück auseinander um mich anschließend wieder zusammensetzen bis sie mich erneut zerstückeln. Wie oft ich dies wohl mit ihm gemacht haben will ich mir nicht ausmalen, aber ich bin mir sicher, ich könnte dies eh nicht. Ich möchte ihn aufhalten, vom Sprechen, weil er zu viel Wahrheit von sich gibt, nur eine Idee habe ich.
Es ist mir fast unangenehm, aber mein größter Herzenswunsch. Vor meinem vermeintlichen Ende lasse ich mir jenen nicht nehmen.

Vorsichtig ziehe ich die Gestalt an mich, an der Hüfte eine Hand, die andere am Gesicht, um seine Wange ein wenig zu streicheln. Nur kurz lächel ich, folge danach aber meinem Wunsch, lege meine Lippen auf die seine, wie ich es so lange und oft wollte. Seine sind weich, warm und schmiegen sich ohne zu zögern an meine, folgen fast schüchtern, aber nicht weniger leidenschaftlich den Bewegungen.
In mir explodiert alles, es ist so als wäre wieder alles in Ordnung, als wäre kein Schlachtfeld um uns herum. Mir ist warm, fast heiß und ich liebe dieses Gefühl, ich hoffe auch er empfindet so. Aber seiner nun vollkommen abgelegten Schüchternheit entnehme ich; es wird so sein.

Der süße Geschmack vermischt sich langsam mit etwas nassen, salzigen. Bittere Tränen mischen sich ein, ohne die Augen zu öffnen, weiß ich, dass sie nicht mir gehören. Wie gerne ich es hätte, dass dies für immer anhalten würde, ohne die Trauer, von mir verursacht. Aber wie es besser ist, ist mir schmerzlich bewusst.

Meine Hand von der Hüfte löse ich, genauso wie meine Lippen von ihm. Zart streiche ich über die nasse Gesichtshaut von ihm. Schlage mit meinen Flügeln, um an Höhe zu gewinnen. Durch große, glänzenden Augen fleht er mich an, versucht nach mir zu greifen, obwohl ich schon viel zu weit weg bin, meine Fingerspitzen berühren ihn schon lange nicht mehr. Es scheint er habe seine eigenen Schwingen vergessen, oder die Fähigkeit zu schweben verlernt.

"LASS MICH NICHT ALLEIN"

Der letzte Ruf von ihm erreicht mich und dann; dann höre ich nichts mehr. Wieder lasse ich meine Kraft sich über die Welt ausbreiten, das Gold über das Land ziehen, eher auf jede einzelne Person. Es ist ein viel größerer Kraftaufwand als der vorherige Akt. Mit jeder Sekunde wirkt mehr Macht von mir ein, stiehlt mir meine Energie und beginnt gar mir Schmerzen zu bereiten.

Doch egal wie schrecklich es mir geht, den anderen geht es schlimmer und ich muss das ertragen, sonst würde mein schlechtes Gewissen mich sogar in den Tod jagen. Es beginnt sich alles mehr oder weniger zu drehen, ob ich wirklich noch irgendjemanden helfe weiß ich nicht, nur das alle Kraft nun in sie investiert wird und ich meine Lebenskraft aufgebe. Eine Zukunft mit Tae, habe ich sie mir jemals vorgestellt?

Mein Rücken wird aus dem Nichts heiß, mein Kopf dröhnt, alles wird ruhiger. Träume ich oder passiert das alles wirklich, wobei; was passiert überhaupt? Kalte Luft streift meine Glieder, während mir doch am Leibe immer wärmer wird, fast schon brennt es. Erst jetzt wird mir mein freier Fall bewusst. Meine Schwingen will ich wieder regen, um nach oben zu gleiten oder sicher zu landen, aber ich höre nicht auf zu fallen.

Schemenhaft erkenne ich den Boden unter mir, den ich jede Sekunde erreichen dürfte. Mental mache ich mich auf einen heftigen Aufprall gefasst, der mich außer Gefecht setzen dürfte. Überrascht werde ich an diesem Tag schon wieder, denn ich treffe eben nicht auf harten Grund, sondern auf Arme, die mich auffangen und langsam hinlegen.

Meine Flügel, so schnell ich sie erlangte, ich verlor sie noch viel schneller.

Rejected~VminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt