55. Ich dachte, du brauchst einen Schutzengel

204 33 0
                                    

Harry

Und er kam.

Der Tag der Entlassung.

Es waren Monate vergangen, in denen Harry diesem Tag mit gemischten Gefühlen entgegen geblickt hatte, ohne sich jemals sicher sein zu können, ob er es alleine draußen schaffen würde.

Aber es lag in seiner Hand, und das wusste er jetzt.

Louis würde ihn abholen, sie würden zusammen nach Hause fahren und es noch einmal miteinander versuchen, ehe er in zwei Wochen zum Monatsanfang eine neue Stelle in der Pflege antreten würde. Er würde eine anerkannte Ausbildung machen und schließlich in dem Beruf arbeiten können, den er erlernt hatte.

Es fühlte sich einerseits gut an, langsam aber sicher wieder zurück ins Leben zu finden, es selbstständig in die Hand zu nehmen und Verantwortung zu übernehmen. Andererseits war das Ganze aber auch verdammt beängstigend, und er konnte noch nicht genau sagen, welche Seite überwog.

Louis half ihm, seine Koffer in seinen Wagen zu bringen, verstaute sie im Kofferraum und zog den Jüngeren lächelnd an sich. „Jetzt hast du es geschafft."

Harry nickte und grinste über beide Ohren. „Mein Gott, was bin ich froh, das Ganze endlich hinter mir zu haben."

Louis nickte und konnte gut verstehen, dass es ihm nach fast einem halben Jahr auf der Suchtstation der Psychiatrie reichte, vor allem wenn man bedachte, dass er davor bereits neun Monate im Krankenhaus verbracht hatte, weil er einen septischen Schock erlitten und ins Koma hatte gelegt werden müssen.

Als die beiden Männer sich nebeneinander in Louis' Wagen niederließen, war ihnen zwar klar, dass nicht alles sofort wieder sein konnte wie vorher.

Aber es fühlte sich so gut an, endlich wieder ihre Hände miteinander zu verschränken, ehe Louis den Motor startete und das Knistern zwischen ihnen genoss.

Harry seufzte und warf einen letzten, wehmütigen Blick auf das Gelände der Psychiatrie.

Verdammt, dachte er bei sich, Ich habe es wirklich geschafft.

Es war eigentlich ein medizinisches Wunder, dass er heute hier sitzen und den Tag genießen konnte, ohne schwere körperliche Schäden davongetragen zu haben.

Zwar war er noch immer etwas geschwächt, seine Kondition ließ noch sehr zu wünschen übrig. Aber das waren Dinge, die sich in den Griff bekommen ließen, wenn er noch etwas an ihnen arbeitete.

Und das würde er mit Sicherheit tun.

Er freute sich auf sein neues Leben.

Auf das Leben nach der Sucht.

Louis

Er wusste nicht, was aus ihnen werden würde.

Und doch war er mehr als zuversichtlich, dass sie das in den Griff bekommen konnten, wenn sie nur hart genug daran arbeiteten.

Sie mussten zusammen an einem Strang ziehen, und dann würde das funktionieren.

Louis war sich sicher.

Er vertraute Harry, und er vertraute seinem eigenen Bauchgefühl.

Und verdammt, Harry sah an diesem Tag so unverschämt gut aus.

Das schokoladenbraune haar fiel ihm in sanften Locken über die Schulten und die grünen Augen blickten neugierig aus den Fenstern von Louis' Wagen.

Als Louis den Wagen also vor seinem Wohnblock hielt, schafften sie Harry's Gepäck in das Apartment im ersten Stock und zogen sich ihre Schuhe aus.

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt