1o. Du wirst doch irgendwo hingefahren sein

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Damals

Was tut ein Heroinabhängiger, um sich seinen Stoff leisten zu können? Was tut ein Heroinabhängiger, wenn er kein Geld mehr hat, keines von seinen Besitztümern mehr verkaufen kann, weil ihm diese Idee schon vor zwei Wochen gekommen ist? Was tut ein Abhängiger, wenn er niemanden mehr bestehlen kann, weil seine Freunde selbst nichts mehr haben?

Harry wusste es nicht. Das hieß, eigentlich wusste er es schon; er wollte es nur nicht wahrhaben. Er wusste, was zu tun war und er wusste, wie seine Freunde diese Problemchen regelten; er wusste, an welchen Bahnhof er gehen müsse, zu welchen Freiern er ins Auto steigen müsse und wie viel Geld er verlangen könne. Durch eine einfache mathematische Gleichung könne er sich also ausrechnen, wie oft er sich demütigen lassen müsse - er hatte sich oft genug mit Freunden, die diesen Weg gewählt hatten, unterhalten. Er hatte sich immer geschworen, dass das der letzte Weg sei, den er wählen würde; der letzte Weg, den er gehen würde - wenn er tatsächlich keine Auswahlmöglichkeiten mehr hatte, wenn alles, was er je besessen hatte, bereits zu Geld gemacht worden war. Eigentlich hatte es ihm schon längst gedämmert.

Und da hatte ihn Jamie, einer seiner - ebenfalls drogenabhängigen - Freunde, mitgenommen. An den Ort, an dem er eigentlich nie hatte enden wollen.

Er hatte sich neben ihn gestellt, während Jamie ihm jede Einzelheit erkläre, die er wissen musste.

„Steck das Geld immer in den Stiefel, damit er es dir nicht wieder abnehmen kann."

„Geh nie mit einem Freier nach Hause."

„Kehr ihm nicht den Rücken zu."

Harry's Herz hatte ihm bis zum Hals geschlagen.

Und worauf war es im Endeffekt hinausgelaufen? Trotz seiner lähmenden Angst, die ihn in den Stunden vor der Abenddämmerung regelrecht zermürbt hatte, hatte er an diesem Abend mit zwei Männern geschlafen; ingesamt hatte er danach genug Geld für ein Gramm Heroin gehabt.

Stolz war er darauf nicht, aber eine richtige Wahl hatte er auch nicht gehabt. Er hatte in der Zwickmühle gesessen und sich für einen zwar unmoralischen, dafür aber funktionierenden Weg entschieden, ihr zu entkommen.

Dass solche Abende zu einer Regelmäßigkeit werden würden, verdrängte er in diesem Moment in die letzten Ecken seines Verstandes - genauso wie die Tatsache, dass er irgendwann schon Nachmittags hier stehen würde...

Louis

Er glaubte erst, sich verhört zu haben, als er Harry's Anruf entgegennahm. „Die haben mich rausgeschmissen", hatte er gesagt, „Wegen gestern."

Ohne eine Begrüßung, ohne irgendeine Einleitung oder eine zweitklassige Formel - nichts. Er war total aufgekratzt, seine Stimme zitterte und im Hintergrund hörte Louis nur das Rattern von Motoren und die Hupen einiger Autos.

Louis schüttelte irritiert seinen Kopf und wusste erst gar nicht, wie ihm geschah. „Wieso das denn?"

Harry seufzte tief, stieß die Luft in einem gereizten Laut wieder aus und schien so unruhig zu sein, dass er keine Sekunde lang still sein konnte. „Das war meine dritte Verwarnung", gab er zur Antwort, „Ich hätte keinen Alkohol trinken sollen."

„Wo bist du jetzt?"

„Ich weiß es nicht..."

„Du wirst doch irgendwohin gefahren sein..."

„Zum Piccadilly Circus", gab er schließlich zurück, „Dann bin ich ziellos die Regent Street nach unten gelaufen und-"

„Wo bist du jetzt?"

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt