24. Es ist schwierig, keine Frage

539 79 4
                                    

Louis

Als Louis' Wecker am nächsten Morgen das gewohnte, penetrante Klingeln von sich gab, war dieses Klingeln das einzige, das in den letzten Stunden seinen gewohnten Lauf genommen hatte. An Schlaf war für Louis nicht zu denken gewesen. Es waren Stunden gewesen, die er damit verbracht hatte, nach einer Lösung für Harry's Problem zu suchen - zu einem wirklichen Schluss war er allerdings nicht gekommen. Die einzige Erkenntnis, die er bis zum Sonnenaufgang gewonnen hatte war die Tatsache, dass er ihm nicht helfen konnte; wenn er etwas ändern wollte, dann musste er das aus eigenen Stücken tun. So hart es für Unbeteiligte - und auch Louis selbst - klingen mochte: Er konnte nichts weiter tun, abgesehen davon tatenlos zuzusehen.

Louis wollte diese Tatsache nicht hinnehmen. Er griff zum Hörer und ließ sich krank schreiben - dabei störte es ihn nicht sonderlich, dass sein Vorgesetzter ihn auf die Häufung seiner Fehltage ansprach. Das war nicht weiter verwunderlich - Louis hatte nie gefehlt. Solange es ihm noch irgendwie möglich gewesen war, auf seinen eigenen Beinen zu stehen, war er immer am Arbeitsplatz erschienen. Man hatte sich zu hundert Prozent auf ihn verlassen können.

Nachdem er seinem Arbeitgeber versichert hatte, dass der heutige Tag der Letzte sein würde, an dem er sich kurzfristig entschuldigte, willigte er schließlich ein - mit einem Seufzen, offensichtlich unbegeistert, aber zumindest stellte er sich seinem Vorhaben nicht in den Weg.

Schließlich machte er sich auf den Weg in das Badezimmer und verfluchte sich Sekunden später innerlich dafür, nach einer dermaßen anstrengenden Nacht nicht zumindest einen Moment lang am Bettrand sitzen geblieben zu sein. Er hatte das Badezimmer noch nicht einmal erreicht, da kam Schwindel in ihm auf; die Schwärze trat ihm vor die Augen und er musste sich einen Moment lang an der Türklinke des Schlafzimmers festhalten.

Er schüttelte seinen Kopf und stieß ein tiefes Seufzen aus. Schließlich machte er sich daran, sein morgendliches Ritual trotz aller Strapazen nicht zu vernachlässigen; er putzte sich seine Zähne, stieg unter die Dusche und versuchte, das Ergebnis einigermaßen gesellschaftstauglich aussehen zu lassen. Schließlich nahm er einen seiner teuren Anzüge aus dem Schrank und hinterließ Harry eine Notiz, in der er ihm erklärte, dass er heute früher nach Hause kommen würde. Er hatte keine Ahnung, wie lange ein Termin bei der Suchtberatungsstelle dauerte, aber er konnte sich vorstellen, dass sein Vorhaben nicht mit zehn Minuten Zeitaufwand abgetan sein würde.

Er stieg in seinen Wagen und bereute diese Entscheidung nur zehn Minuten später, als er im Zentrum in einen Stau geriet, der ihn eine ganze Stunde lang aufhielt. Es war erst sieben Uhr, die Suchtberatungsstelle öffnete erst gegen acht Uhr - aber er ließ sich trotzdem aus der Ruhe bringen. Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich, seine Nerven lagen blank. Vermutlich machte er sich zu viel Sorgen; zumindest redete er sich das ein. Allerdings war ihm klar, dass er sich selbst nichts vormachen konnte - Harry war rückfällig geworden, und die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht das letzte Mal gewesen war, war besonders hoch.

Er machte sich große Vorwürfe. Hätte er die Anzeichen bemerken sollen? Hätte er früher reagieren müssen?

Er hatte noch nie mit Menschen zu tun gehabt, die ein Drogenproblem hatten - woher hätte er die Anzeichen kennen sollen? Natürlich hätte er sich informieren können, aber er hatte es vorgezogen, Harry zu vertrauen. Er hatte seine Lektion gelernt; es war eine schlechte Idee, einem Drogenabhängigen hinsichtlich den eigenen Aussagen über aktuellen Konsum zu vertrauen.

Ganz abgesehen davon war es nicht wirklich seine Aufgabe gewesen, Harry zu bremsen. Natürlich machte er es sich zur Aufgabe und beschuldigte sich nun selbst, seiner Verantwortung nicht gerecht geworden, nicht aufmerksam genug gewesen zu sein - aber im Grunde genommen war jeder für sich selbst verantwortlich. Es war Harry's eigene Entscheidung gewesen, das Angebot seines alten Freundes anzunehmen und Louis hatte ihm dabei nicht in die Karten sehen können. Selbst wenn er es gewollt hätte - es wäre ihm unmöglich gewesen, den Rückfall zu verhindern.

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt