32. Es gibt Hilfe

325 51 19
                                    

Louis

Louis hatte Harry hundert Pfund geliehen, ohne sich wirklich über die Konsequenzen seines Handelns bewusst zu sein. Das hieß; eigentlich war er sich im klaren darüber, dass diese Aktion nicht gerade hilfreich für Harry's ohnehin schon mehr als kritischen Zustand war. Er wollte es nur nicht wahrhaben.

So lieh er ihm die hundert Pfund, um die er ihn gebeten hatte und ließ ihn damit seine Schulden bei Richie begleichen, ehe er zurück in sein Büro kehrte und sich nur begrenzt auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Immer wieder hielt er für einige Minuten inne, legte den Kopf in seine Hände und war vor Erschöpfung kurz davor, einzuschlafen. Er war ausgelaugt; seine Kraftreserven neigten sich dem Ende zu, sowohl körperlich als auch psychisch. Die Sorge um Harry setzte ihm zu.

Er entschloss sich deshalb, das Meeting am frühen Abend an einen Kollegen zu übergeben, um früher nach Hause gehen zu können. Louis war sich fast sicher, dass er in diesem Zustand ohnehin keinen guten Eindruck bei potentiellen Geschäftspartnern hinterlassen hätte. Er fühlte sich absolut unbrauchbar.

Schließlich setzte er sich in seinen Wagen und fuhr nach Hause. Er drehte eine große Ehrenrunde um den Block, um nicht in seine Wohnung zurückkehren zu müssen. Louis hatte Angst, was ihn dort erwarten würde.

Er wusste, dass Harry's Rückfall mittlerweile nicht mehr zu leugnen war. Er hatte keine Ahnung, wie er ihn zu Hause vorfinden würde; würde er schlafen oder halb besinnungslos in einer Ecke liegen?

Vor seinem inneren Auge baute sich die Horrorvorstellung auf, die er seit Monaten im Hinterkopf hatte; sie zeigte Harry unzurechnungsfähig an der Wand lehnen, der Bewusstlosigkeit ganz nah, während die Spritze noch immer in seinem Arm steckte. In dieser Vorstellung war Harry offensichtlich kollabiert, weil irgendetwas mit dem Heroin nicht gestimmt hatte. Louis kannte sich nicht so genau mit Drogen aus, er hatte keine Ahnung, wie das ganze ablief; und doch war er sich recht sicher, dass dabei eine ganze Menge schief gehen konnte.

Er bereute es mittlerweile, Harry die hundert Pfund gegeben zu haben. Louis hatte sich von ihm unter Druck gesetzt gefühlt; er wollte nicht, dass Harry mit fremden Männern schlief, um an sein Geld zu kommen, war sich gleichzeitig allerdings sicher, dass er das ohne zu zögern tun würde, wenn es die Umstände notwendig machen würden. Er zweifelte keinen Moment daran; hätte er Harry kein Geld geliehen, wäre er mit der nächsten U-Bahn zum alten Bahnhof in Islington gefahren und hätte dort sein Glück versucht.

Diese Erkenntnis schmerzte Louis so sehr, dass er den Wagen einen Moment lang anhalten musste, weil ihm die Tränen kamen und seine Sicht verschwamm. Er fuhr ihn an den Rand der Straße und schaltete die Warnblinkanlage an. Er, Louis Tomlinson, der doch eigentlich immer alles im Griff hatte, war wahrhaftig ratlos.

Harry

Er lag auf dem Designersofa im Wohnzimmer, der Fernseher vor ihm lief seit Stunden ununterbrochen. Trotz allem hatte Harry keine Ahnung, was sich auf dessen Bildschirm abspielte. Er döste seit dem Nachmittag in einem bewusstseinsgetrübten Dämmerschlaf, während seine Atmung sich immer weiter verlangsamt hatte. Allmählich kehrte der Juckreiz in seinen Körper zurück. Heroin hatte die absolut nervige Angewohnheit, ständig all seine Gliedmaßen jucken zu lassen. Unaufhörlich kratzte er sich an seinen Unterarmen, um dem beißenden Jucken ein Ende zu bereiten - erfolglos.

Aber das war nicht schlimm.

Gar nichts war schlimm.

*

Louis sperrte die Wohnungstür nur eine halbe Stunde später auf und ließ sie mit einem tiefen Seufzen wieder ins Schloss fallen. Harry öffnete seine Augen für einen Moment und warf einen Blick auf den Flur, in dem Louis sich die Schuhe von den Füßen streifte.

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt