29. Bitte geh nicht

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Louis

Eigentlich war er kein Mensch, der das Vertrauen anderer Menschen brach. Und eigentlich war er auch kein Mensch, der irgendetwas davon hielt, seinem Partner zu folgen, wenn er das Haus verließ; ganz offensichtlich nicht, um zur Apotheke zu gehen - mittlerweile war Harry bereits an zwei Apotheken vorbeigelaufen, ohne auch nur eine Sekunde lang anzuhalten.

Louis hatte also Grund genug zur Annahme, dass irgendetwas nicht stimmte. Mehr und mehr festigte sich seine Vermutung, dass Harry nicht wirklich unter den Symptomen einer ganz gewöhnlichen Grippe litt, sondern viel mehr unter den Entzugserscheinungen, die nach einer Weile ohne Heroin auftraten.

Louis fuhr sich nervös durch das dunkle Haar. Er wusste, dass es falsch war, dem Lebenspartner nachzuschleichen; offensichtlich war sein Misstrauen allerdings berechtigt.

Harry hatte ihn angelogen.

Diese Erkenntnis schmerzte mehr, als Louis unter anderen Umständen zugegeben hätte. Sie versetzte ihm einen Stich in sein Herz, von dem er nicht geglaubt hätte, ihn so intensiv wahrnehmen zu können.

In diesem Moment wurde ihm schleichend klar, dass Harry's Drogenproblematik nicht ausgestanden war - dass vor ihnen noch eine Menge Arbeit lag - falls man überhaupt etwas daran rütteln konnte...

Harry

Harry, der absolut keine Ahnung davon hatte, dass Louis ihm gefolgt war, stieg am Piccadilly Circus aus der U-Bahn und stieß ein tiefes Seufzen aus. Krämpfe schüttelten seinen Körper, wurden sekündlich stärker. Sie ließen keinen Raum für ein schlechtes Gewissen oder den Gedanken daran, dass er Louis belogen hatte.

Ein Blick auf das Display seines Handys verriet ihm, dass Richie bereits am Ziel war und dort auf ihn wartete. Ein vorfreudiges Kribbeln breitete sich in seiner Magengegend aus und machte ihm Hoffnung auf baldige Linderung seiner Schmerzen. Seine Gedanken drehten sich seit Stunden wie ein Karussell nur um das Beschaffen der nächsten Dosis. Vorausahnend hatte er Richie deshalb gebeten, etwas mehr als die Menge Heroin mitzubringen, die Harry ansonsten kaufte.

In diesem Zustand wollte er nicht nochmal eine so weite Strecke zurücklegen müssen.

Als er Richie schließlich in einer Ecke stehend erblickte, stieß er ein erleichtertes Seufzen aus. Schnellen Schrittes ging er auf seinen einstigen Freund zu und lehnte sich erschöpft gegen die Mauer.

„Ich wusste doch, dass du dich wieder melden würdest", grinste Richie und versetzte Harry einen leichten Stoß in die Rippen.

Dieser rollte entnervt beide Augen und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Er griff in die Tasche seiner Hose, zog die hundert Pfund heraus, die er auf Louis' Portemonnaie genommen hatte und hielt sie ihm entgegen. Kommentarlos steckte Richie das Geld ein und blickte sich prüfend um, suchte die Umgebung nach Leuten um, die sie in Schwierigkeiten bringen könnten.

Er drängte Harry weiter in die Ecke, griff schließlich in seine Tasche und zog zwei Plastiktütchen heraus, die er ihm unauffällig überreichte.

Harry atmete erleichtert aus und nahm sie an sich.

„Melde dich, falls du Nachschub brauchst", säuselte Richie schließlich in einem Ton, der Harry signalisieren sollte, dass es früher oder später ohnehin so weit kommen würde. Schließlich würde Harry nun öfter Nachschub brauchen.

Louis

Obwohl Louis nicht sehen konnte, was genau dieser seltsam aussehende, dunkelhaarige Mann Harry überreichte, war die Situation für ihn doch recht eindeutig. Erst recht, als Harry Anstalten machte, in der Bahnhofstoilette zu verschwinden.

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt