82. Du solltest nicht hier sein

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Harry

Natürlich waren drei Tage schneller um, als ihm lieb war.

Natürlich war ihm klar gewesen, dass Richie ihn vor die Tür setzen würde, und so startete er einen neuerlichen Versuch, Louis auf seinem Handy zu erreichen.

Wie bereits in den letzten Tagen, ob dieser allerdings nicht ab.

Kein Wunder, dachte Harry bei sich, immerhin hatte er sein Vertrauen maßlos enttäuscht. Und, auch wenn er es nicht gern zugab, hatte er sein Vertrauen auch ausgenutzt.

Louis, der ihm eigentlich nur hatte helfen wollen, hatte seinetwegen immer größere Schwierigkeiten bekommen.

Aber Harry brauchte Geld.

Geld für Lebensmittel, Geld für Fahrkarten, Geld für Heroin.

Sein ohnehin nicht üppiges Erspartes war innerhalb weniger Tage aufgebraucht, und er war langsam im Zugzwang.

Louis ging nicht an sein Telefon, und er rief auch nicht zurück.

Er antwortete nicht auf seine Nachrichten.

Eigentlich hätte ihm das klar sein müssen, und irgendwie war es das auch.

Aber all das änderte nichts an der Tatsache, dass er dringend Geld brauchte – und das trotz seines noch immer schmerzenden Herzens und der Leere in seiner Brust, die sich anstelle seines Herzens breit gemacht hatte.

Und so entschloss Harry sich zu der letzten Möglichkeit, die er noch sah, um diese Situation doch noch zum Guten zu wenden: Er wartete vor Louis' Wohnungstür darauf, dass er von der Arbeit nach Hause kam.

Er musste nicht lange warten.

Louis kam an diesem Tag pünktlich nach Hause.

Normalerweise hätte Harry jetzt bereits den Tisch gedeckt und würde eingekuschelt in eine Decke auf seinen Freund warten.

Heute allerdings sah Louis ihn nur irritiert an. „Was machst du denn hier?"
Vermutlich war es nicht schwer zu erkennen, dass er bis oben hin voll war mit Heroin, zumindest Louis' Blick nach zu urteilen.

In ihm mischten sich Ekel und Mitgefühl, aber da war noch etwas anderes. Etwas, das Harry vermutlich als Enttäuschung bezeichnet hätte.

„Ich muss mit dir reden", presste er hervor, während er in der feuchten Kleidung zitterte.

„Ach ja?", hakte Louis nach, während er den Schlüssel in die Wohnungstür steckte. „Ich wüsste nicht, was wir beide noch zu bereden hätten."

Autsch.

Ein scharfer Dolch durchfuhr Harry's Brust.

Er wusste nicht, womit er gerechnet hatte, aber das war es nicht gewesen.

„Es tut mir leid", sagte er, während er sich aufrichtete.

Das braune Haar hing ihm strähnig in das von Dreck verschmierte Gesicht und vermutlich roch er auch genauso, wie er aussah. Einfach ekelerregend.

Er stand Louis gegenüber, und für einen Moment trafen sich ihre Blicke.

Für einen Moment sah Louis ihn nicht abschätzend an, sondern so, wie er es vor dieser ganzen Geschichte getan hatte.

Beinahe so, als würde ihm die ganze Sache selbst leidtun. Als wolle er sie selbst rückgängig machen.

„Ich bin so ein Idiot", wimmerte Harry und beobachtete Louis dabei, wie er die Wohnungstür öffnete. Er hätte alles gegeben, um ihn aufzuhalten. „Ich wollte das alles nicht."

Ein verächtliches Schnauben drängte sich aus Louis' Brust. „Warum hast du's dann getan?"

Harry schniefte, während sich in seinen Augen Tränen sammelten. „Ich weiß es nicht", gestand er, „Aber ich kann mich ändern."

Schon bei der verwaschenen Sprache in Harry's Stimme hätte Louis ihm die Tür vor der Nase zuknallen sollen. „Das hast du mir schon mindestens drei Mal versprochen, und trotzdem stehen wir jetzt hier."

Harry senkte seinen Blick, weil er ganz genau wusste, dass Louis Recht hatte.

Der junge Geschäftsmann blickte auf das Häufchen Elend vor ihm, mit feuchter Kleidung und strähnigem Haar. Und diese schneeweiße Gesichtsfarbe...

„Du solltest nicht hier sein", sagte Louis trocken und ließ sich von seinen Gedanken nichts anmerken.

Harry atmete zitternd aus. „Ich weiß", antwortete er kleinlaut, „Aber ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll."

Louis zog verwundert beide Augenbrauen nach oben. „Wo warst du denn in den letzten Tagen?"
„Bei Richie."

Entmutigt ließ Louis seine Schultern hängen. Was hatte er auch erwartet?

„Dann geh doch wieder zu Richie zurück", gab er bissig zur Antwort, „Der hat sicher noch den ein oder anderen Schuss für dich übrig."

„Das geht nicht", erklärte Harry, und er spürte, wie er langsam entzügig wurde. „Ich vermisse dich."

Louis betrat den Flur seiner Wohnung und schüttelte den Kopf. „Du hattest mehr als nur eine Chance, Harry."

Die feuchten Augen seines Gegenübers ließen ihn einen Moment lang zögern, ehe er sich die Schuhe von den Füßen streifte.

„Das wird nicht gut ausgehen, Louis", hauchte Harry, seine Stimme kaum mehr als ein leises Flüstern.

Der Ältere zuckte die Schultern. „Das ist nicht mehr mein Problem."
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Meine Lieben,
ich wünsche euch einen schönen Donnerstagabend.
Heute bin ich etwas spät dran, war ein ziemlich stressiger Tag.
Ich hoffe, das Kapitel hat euch trotzdem gefallen.🤍

All the love,
Helena xx

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt