61. Du hast mir mein Leben gerettet

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Harry

Er hörte den Knall des Korkens, als Louis die Sektflasche öffnete.

„Ich bin so stolz auf dich", sagte er, und schenkte beiden Männern ein Glas ein, um Harry's Zusage für eine feste Arbeitsstelle in der Krankenpflege zu feiern.

Louis selbst hatte seine alte Stelle als Unternehmensberater wieder zurückbekommen, nachdem er sich mit Arthur geeinigt hatte. Letztendlich wusste dieser selbst, dass Louis sein bester Mitarbeiter war, weshalb ihm viel daran lag, den Konflikt aus der Welt zu schaffen.

Harry grinste und stieß mit Louis an, ehe er einen Schluck aus seinem Glas nahm und angewidert das Gesicht verzog. Er mochte keinen Alkohol, aus gegebenem Anlass – und schon gar keinen Sekt.

Alkohol hatte seine Kindheit zerstört, und darüber hinaus eine riesige Lücke in seinem Inneren hinterlassen, die er jahrelang mit Drogen versucht hatte, zu füllen.

„Das ist ein wirklich großer Schritt", sagte Louis und leerte sein Glas in einem Zug. „Dein erster Schritt in dein zweites Leben."

Ein Lächeln umspielte Harry's Lippen.

Er freute sich, und das tat er wirklich, auch wenn er sich ernstlich fragte, wie er den Alltag eines normalen Menschen bewältigen sollte.

Trotz allem gab es nichts, was ihn davon hätte abhalten können, es zumindest zu versuchen.

Er war nicht umsonst durch die Hölle und wieder zurück gegangen, nur um seinen Fortschritt jetzt bedenkenlos über Bord zu werfen.

„Ich habe dir doch gesagt, am Ende wird alles gut", lächelte Louis und zog den Jüngeren in eine beherzte Umarmung.

Harry lächelte und erwiderte den Kuss, den Louis ihm auf die Lippen drückte.

„Denkst du, ich werde das hinkriegen?", wollte er verunsichert von seinem Freund wissen, der immerhin beruflich sehr erfolgreich war.

„Natürlich wirst du das", versicherte er ihm. „Daran habe ich überhaupt keine Zweifel."

Harry löste sich aus Louis' Armen und stieß ein tiefes Seufzen aus. „Was, wenn ich mitten drin wieder auf dumme Ideen komme?"

Louis schüttelte entschieden den Kopf. „Du machst doch jetzt eine Therapie", gab er zu bedenken und schenkte sich noch ein Glas Sekt nach.

Harry seufzte. „Ja, das stimmt schon", antwortete er, „Aber das ist ja keine Garantie ... Ich meine, ich habe schon mehrere Therapien angefangen..."

Louis legte beide Hände auf Harry's Schultern und sah ihm fest in die Augen. „Genug gezweifelt", sagte er und nickte mit dem Kinn in Richtung der Haustür. „Wir werden jetzt richtig schön etwas Essen gehen und feiern, dass du eine Stelle bekommen hast."

Harry seufzte und gab sich schließlich geschlagen.

Natürlich bestand die Möglichkeit, dass er rückfällig wurde. Aber diese Möglichkeit bestand ein ganzes Leben lang, und das würde sich auch nicht mehr ändern.

Er konnte jetzt also für den Rest seines Lebens darüber nachdenken, ob es nicht doch irgendwann passieren würde – oder er konnte die Dinge selbst in die Hand nehmen und das beste daraus machen.

Er folgte Louis also in ein Restaurant, in dem sie schon öfter zusammen zu Abend gegessen hatten.

Das Wetter war mild genug, um ihnen zu erlauben, draußen zu sitzen, und Harry genoss die warmen Sonnenstrahlen, die sein Gesicht kitzelten, während er sich fragte, womit er Louis eigentlich verdient hatte.

Er hatte ihn hintergangen, auf die übelste Art und Weise, und trotz allem saß er hier, mit ihm, und war noch immer nicht von seiner Seite gewichen.

Er war für ihn da gewesen, er hatte sich um ihn gekümmert, an dem dunkelsten Punkt seines Lebens, und er hatte immer daran geglaubt, dass Harry es schaffen würde.

Manchmal war Harry sich sicher, dass er es ohne Louis' Hilfe nicht wieder zurück ins Leben geschafft hätte.

Louis griff nach Harry's Händen und riss ihn so aus seinen Gedanken. „Hat sich deine Mutter eigentlich noch einmal gemeldet?"

Harry schüttelte den Kopf und zuckte die Schultern. „Nein", antwortete er, „Aber das ist auch nicht ungewöhnlich. Ich habe auch nicht wirklich das Bedürfnis, mich täglich mit ihr zu unterhalten."

Louis nickte und verstand. „Denkst du, sie wird den Entzug durchziehen?"

Harry dachte einen Moment lang über die Frage nach und presste dann die Lippen zusammen. „Ich kann es dir nicht sagen", gab er zurück und spürte, wie das Lächeln aus seinem Gesicht schwand. „Immerhin habe ich selbst auch mehrere Anläufe gebracht, um jetzt endlich ohne Drogen auszukommen."

Louis presste die Lippen zusammen und wünschte sich, das Thema nie angeschnitten zu haben. Er bereute es, Harry's Mutter überhaupt erwähnt zu haben. Schließlich wusste er besser als irgendjemand sonst, was für ein sensibles Thema das für Harry war, und dass er eigentlich nicht gern darüber sprach.

Wenn er darüber sprechen wollte, dann kam er selbst auf Louis zu – aber das war selten der Fall, und somit hatten sie eigentlich noch nie wirklich über all die Dinge gesprochen, die damals passiert waren. Zumindest nicht sonderlich ausführlich.

„Es tut mir leid", entschuldigte er sich also und drückte die Hände seines Gegenübers etwas fester. „Ich weiß, dass du nicht gern darüber sprichst."

Harry zuckte die Schultern und ignorierte den Kloß in seinem Magen, als er Louis anlächelte. „Schon in Ordnung", gab er zurück. „Ich kann die Dinge ohnehin nicht ändern."

Louis nickte und sah seinen Freund einen Moment lang prüfend an. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass es dir endlich besser geht."

Harry's Lächeln wuchs zu einem Grinsen an und er strich sich eine Strähne des schulterlangen Haares aus der Stirn. „Das hätte ich nie geschafft, wenn du nicht die ganze Zeit über an meiner Seite gewesen wärst", antwortete Harry und strich sanft mit dem Daumen über Louis' Hand. „Du weißt gar nicht, wie sehr du mir geholfen hast. Du hast mir mein Leben gerettet."

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt