91. Nicht hier, und nicht heute

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Harry

Louis hatte den Raum überstürzt verlassen, weil er sich plötzlich fühlte, als wäre er der Situation nicht mehr gewachsen.

Als wäre er kein erwachsener Mann mehr, sondern ein kleines Kind, das keine Ahnung hatte, wohin mit seinen ganzen Emotionen.

Liam hastete ihm hinterher, während Niall sich seufzend zu Harry auf das Krankenbett saß.

„Du solltest nicht so hart zu ihm sein", appellierte er an seinen besten Freund. „Er stand gestern in Tränen aufgelöst vor unserer Tür, weil er dachte, du bist tot."

Verwundert zog Harry die Augenbrauen nach oben. „Tatsächlich?"

Niall nickte. „Das hat ihn ziemlich mitgenommen."

„Ich verstehe ihn einfach nicht", gab Harry zu und spürte, wie ihm beinahe das Herz aus der Brust sprang. „Ich meine ... Er hat sich von mir getrennt. Ich mache ihm keinen Vorwurf daraus, wirklich nicht, denn ich kann es verstehen. Aber warum schafft er es nicht, den Weg bis zum Ende zu gehen? Wie soll ich ihn je vergessen können, wenn er ständig wieder in meinem Leben auftaucht?"

Ein tiefes Seufzen drängte sich aus Niall's Brust, als er sanft eine Hand auf seine legte. „Weil er dich liebt, Harry."

Der junge Mann spürte, wie seine Augen sich langsam mit Tränen füllten.

Ein brennendes Gefühl stieg in seiner Magengegend nach oben.

„Ich habe alles falsch gemacht", gestand er mit verdächtig zitternder Stimme. „Ich habe den einzigen Menschen verloren, der mich je aufrichtig geliebt hat und sich ein Leben mit mir aufbauen wollte; und ich habe es einfach weggeworfen."

Niall drückte vorsichtig die Hand seines Freundes. „Sei nicht so streng zu dir selbst", tröstete er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Du bist krank, Harry. Du hast dir das Ganze doch auch nicht ausgesucht."

Betroffen presste er die Lippen zusammen.

Er wusste, dass er krank war.

Natürlich wusste er das.

Aber er hasste es mehr als alles andere, wenn jemand ihm das sagte.

So offen, so direkt, so ehrlich.

Du bist krank, Harry.

In seinen Augen klang das, als wäre er komplett geisteskrank.

Und was machte die Gesellschaft mit solchen Leuten?

Sie stieß sie aus, ganz an den Rand, wo sonst niemand war.

Ein zitterndes Schluchzen drängte sich aus Harry's Brust, als ihm klar wurde, was in den letzten Tagen eigentlich alles passiert war.

„Was soll ich denn jetzt nur tun?", wollte er von Niall wissen, während ihm Tränen über die vor Nervosität geröteten Wangen liefen.

Einen Moment lang schien Niall nachzudenken, wie er seine Antwort formulieren sollte.

„Vielleicht redest du mit ihm", schlug er vor. „Nicht heute. Dafür seid ihr beide zu aufgebracht. Aber irgendwann in den nächsten Tagen. Glaub mir, ich habe ihn nicht wiedererkannt. Gestern Abend war Louis ein komplett fremder Mensch für mich. So aufgelöst habe ich in meinem ganzen Leben noch nie irgendjemanden gesehen."

Noch immer fassungslos schüttelte Harry den Kopf. „Ich kann mir das gar nicht vorstellen", gab er zur Antwort. „In den letzten Wochen war er so eiskalt zu mir. Beinahe so, als hätte er gar keine Emotionen mehr mir gegenüber. Und dann, aus dem Nichts, taucht er wieder auf und möchte mir seine Hilfe anbieten."

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt