50. Es wird alles wieder gut

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Harry

Auch wenn Harry es wirklich versucht hatte - es war ganz einfach nichts daran zu rütteln, dass er Hilfe brauchte, die Louis ihm zu Hause nicht geben konnte.

Louis hingegen würde einen Teufel tun und ihn früher nach Hause holen - zu groß war die Angst vor einem Rückfall.

Die Erinnerungen an die letzten Monate vor Harry's Krankenhausaufenthalt quälten ihn noch immer, und Harry wusste das.

Und er wusste auch, dass ein Rückfall sich nicht vermeiden ließe, würde man ihn direkt zurück in sein altes Umfeld schicken.

Aber er konnte ganz einfach nicht mehr.

Als der Tag des Umzuges in die neue Einrichtung also gekommen war, staunte er nicht schlecht.

Man hatte ihm einen Krankentransport organisiert, und Louis hatte ihm versprochen, dass er bereits dort sein und auf ihn warten würde, wenn er dort ankam.

Louis hielt sein Versprechen. Wie immer.

Harry stieg aus dem Transportwagen und sah sich einen Moment lang in seiner neuen Umgebung um.

Er stand vor einem großen, cremefarbenen Gebäude, vor dem ein großer, in goldenen Herbstfarben erstrahlender Garten.

Louis sah seinem Freund aufgeregt entgegen. Er wünschte sich so sehr für ihn, dass er es hier schaffte - und er sah die Aufregung in Harry's Gesicht.

Louis

Er sah Harry an, und ihm war augenblicklich bewusst, dass sein Herz aufgeregt in seiner Brust hämmerte.

Während einer der Sanitäter ihm seinen spärlich bestückten Koffer in die Hand drückte, ging Louis einige Schritte auf den Transporter zu.

Das Gebäude lag an einem kleinen Wald, aus dem der Geruch vom Regen feuchten Holzes zu ihnen herüber wehte.

Louis sog ihn einen Moment lang ganz bewusst ein und spürte seine eigene Nervosität etwas abflachen.

Schließlich ging er auf Harry zu, grüßte die Sanitäter und nahm ihm seinen Koffer ab, ehe er ihn auf den Boden stellte und den Jüngeren fest in seine Arme schloss.

Er spürte Harry's zierliche Arme, wie sie sich um seine Hüften schlossen; und so standen sie einige Momente lang da, genossen die Nähe des jeweils anderen und spürten die Wärme, die voneinander ausging.

Louis drückte Harry einen sanften Kuss auf die Stirn und bewegte seine Lippen schließlich an sein Ohr: „Ich bin so stolz auf dich, Harry."

Obwohl er noch immer auf zierlichen Beinen vor ihm stand, sah er doch schon deutlich besser aus.
Louis würde nicht so weit gehen zu sagen, dass er tatsächlich gesund aussah, aber es wurde stetig besser. Und Louis fand, dass allein das bereits eine wahnsinnige Leistung war.

Harry

Sie gingen zusammen auf das Gebäude zu, während Harry spürte, dass er vor Aufregung am ganzen Körper zitterte.

Es gingen so viele Dinge in seinem Kopf vor sich - so viele Dinge, dass sich ihm regelrecht der Kopf drehte.

Obwohl er sich geschworen hatte, sich bloß nicht entmutigen zu lassen, hätte er doch am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht, um in die andere Richtung davonzulaufen.

Er war sich nicht sicher, ob er das alles wirklich wollte, ob er das Heroin wirklich für immer aus seinem Leben verbannen wollte.

Nicht, weil er Spaß an seinem eigenen Leid hatte - aber weil er nicht wusste, wie er das Leben sonst meistern sollte.

Er hatte nichts anderes gelernt; Drogen und Betäubung waren immer die einzige Strategie gewesen, die ihn durch den Alltag getragen hatte.

Wenn er Probleme gehabt hatte, wenn der Kummer ihn auffraß oder das Trauma aus seiner eigenen Kindheit ihn einholte - oder wenn er ganz einfach entspannen wollte.

Sobald er runterkam, begann das Gedankenkarussell wieder, sich zu drehen, und seine eigenen Erinnerungen vergifteten ihn.

Er konnte sich ohne die Droge nicht mehr entspannen, keinen angenehmen Gemütszustand mehr erreichen.

Viel zu viele, absolut schreckliche Dinge waren ihm widerfahren - und viel zu lange hatte er diese verdrängt.

Er fürchtete sich davor, diese Dinge jetzt aufzuarbeiten.

Eine solche Therapie war in erster Linie schmerzhaft - aber sie lohnte sich. Das Aufarbeiten von Traumata war nie leicht, doch es ermöglichte anschließend ein besseres Leben - und das hatte Harry in den letzten Monaten verinnerlicht.

Deshalb stellte er sich dieser Herausforderung.

Deshalb stand er nun hier vor dieser Tür und spürte, wie Louis ermutigend nach seiner Hand griff, um ihm zu zeigen, dass er für ihn da war.

Harry zitterte.

Seine Hände waren kalt und nass, und er spürte, wie Louis ihn automatisch zum Fahrstuhl führte, weil er ganz genau wusste, dass sein Körper noch zu schwach für Treppen war.

Sie hatten es so weit geschafft; sie waren einen Weg miteinander gegangen, der den meisten Menschen erspart blieb - aus gutem Grund. Eine Sucht zu bekämpfen gehörte nicht zu den Aufgaben, die die Mehrheit der Menschen in ihrem Leben bewältigen musste.

Und Harry hätte sich - genau wie Louis - gewünscht, dass er ihnen auch erspart geblieben wäre.

Doch einen Liebsten beinahe sterben zu sehen, riss ein gewaltiges Loch in die Mitte einer Seele.

*

Die Station, auf der Harry untergebracht werden würde, präsentierte sich auf den ersten Blick recht offen. Sie war in warmen Gelbtönen gehalten, große Glasfronten gaben einen Blick auf den die Klinik umgebenden Wald und den Garten frei, und auf einem Tisch in der Mitte des Raumes, in den der Gang mündete, saßen zwei junge Männer und eine Frau im etwa gleichen Alter, und spielten Karten.

Harry wich ihren neugierigen Blicken geschickt aus. Ihm war durchaus bewusst, dass er „der Neue" sein würde - und wie absolut albern er neben Louis doch aussah, der in teurem Anzug und vermutlich noch teureren Schuhen neben ihm stand und seinen Koffer hinter sich her zog.

Während er Schwierigkeiten hatte, nach dem vergleichsweise langem Fußmarsch an Luft zu kommen - immerhin hatten seine Muskeln sich noch nicht vollständig wieder erholt -, lächelte Louis ihn aufmunternd an und klopfte an die Tür des Zentralbüros. „Es wird alles wieder gut, Harry."

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt