Tag 15
Es hat sich heute nicht viel verändert. Die Ärzte schleichen zwar deine Narkosemittel aus, aber es wird wohl noch ein wenig dauern, bis du tatsächlich wach bist.
Obwohl es nicht wirklich etwas neues zu sagen gibt, möchte ich dir dennoch sagen, dass ich unwahrscheinlich stolz auf dich bin. Ich weiß nicht, wer oder was dir die Kraft gegeben hat, dich aus diesem Loch zu ziehen, die Sache durchzustehen und das irgendwie zu überleben - aber du hast es geschafft.
Selbst dann, als fast niemand mehr daran geglaubt hat.
Ich bin so stolz auf dich, Harry, und ich meine jedes Wort.
Tag 16
Ich habe heute Abend mit dir gesprochen, dir das Haar aus der Stirn gestrichen und währenddessen deine Hand gehalten. Ich habe dir gesagt, wie sehr ich dich liebe, und dass nichts auf der Welt das jemals ändern könne - da hast du einfach meine Hand gedrückt.
Leicht, ganz sanft, und dennoch war es deutlich spürbar.
Es ist das erste Mal seit mehr als zwei Wochen, dass du auf äußerliche Reize reagierst - mir wäre fast das Herz stehen geblieben.
Sofort habe ich nach deinem Arzt gerufen, und er hat mir erklärt, dass das durchaus möglich sei - die Beruhigungsmittel würden langsam nachlassen, und - auch wenn es nur langsam vorangeht - wirst du früher oder später wieder aufwachen. Lange wird das wohl nicht mehr dauern, hat er gemeint.
Er hat allerdings auch in aller Deutlichkeit erklärt, dass du wahrscheinlich nicht sofort voll zugänglich bist und wir uns nicht wundern sollen, solltest du uns nicht erkennen oder irgendwelche seltsamen Wahnvorstellungen haben.
Ich weiß offen gestanden nicht, wie ich mit dieser Information umgehen soll - die Vorstellung, dass du uns nicht erkennst, ist beinahe unerträglich.
Gott sei Dank hat uns dein Arzt aber auch erklärt, dass sich das mit der Zeit wieder legen wird und du ganz einfach eine Weile brauchst, um wieder auf die Beine zu kommen.
Dein Körper hat viel mitgemacht und muss sich erst erholen, sich wieder darauf einstellen, jetzt allein und ohne Hilfsmittel arbeiten zu müssen.
Wahrscheinlich kannst du durch den Luftröhrenschnitt am Anfang auch nicht wirklich sprechen, aber - wie bereits gesagt - es wird sich im Laufe der Zeit alles normalisieren; hoffentlich.
Tag 17
Heute Nacht waren Niall und Liam bei dir. Als ich gegangen bin, haben sie dir gerade die Sportergebnisse vorgelesen.
Niall hat dir heute Nachmittag einen neuen Lavendelstrauß mitgebracht - ich finde den Duft selbst so beruhigend, dass ich einschlafen könnte, sobald er mir in die Nase steigt.
Hier, bei dir, finde ich meinen Frieden und kann wieder Kraft schöpfen, um meinen Alltag zu bewältigen - weil ich genau weiß, dass es immer besser wird und du bald wieder bei uns bist.
Als ich dann heute morgen an der Tür klopfte, war ich erst verwirrt, weil niemand antwortete - dabei waren Niall und Liam an deinem Bett eingeschlafen. Als ich sie gefunden habe, saßen sie Hand in Hand aneinander gelehnt neben dir.
Ist das nicht schön?
Außerdem - und das möchte ich nur einmal in aller Deutlichkeit erwähnt haben - ist dein Arzt eine wirklich coole Socke.
Manchmal, wenn wir deprimiert sind und einen Tiefpunkt erreicht haben, erzählt er uns Witze und versucht, uns aufzuheitern. Er nimmt sich Zeit dafür, uns zu erklären, was mit dir los ist und was wahrscheinlich gerade in dir vorgeht, ohne etwas zu beschönigen.
Und dann, als ich Abends an deinem Bett saß, das Licht im Zimmer gedimmt - es war fast gemütlich -, hast du plötzlich mit den Lidern gezuckt.
Kurz, ganz kurz, vielleicht nur für den Bruchteil einer Sekunde hast du die Augen geöffnet - das Grün in ihnen war matt, aber es war da.
Und dann sind sie dir wieder zugefallen.
Tag 18
Du scheinst langsam auf äußere Reize zu reagieren. Dein Schlaf ist nicht mehr so tief, und langsam spürt man, wie ein wenig Leben in dich zurückkehrt.
Zwar liegt der Schlauch für die Beatmung noch immer in deiner Nase, und du siehst ziemlich mitgenommen aus, aber es geht bergauf - und das ist doch die Hauptsache, oder nicht?
Allerdings musste ich heute kurz ins Büro, um nach dem rechten zu sehen - Niall und Liam waren solange bei dir und haben sich um dich gekümmert.
Natürlich - wie sollte es auch anders sein? - haben sie dir die Sportergebnisse vorgelesen und dir einige Geschichten erzählt, die sich in letzter Zeit so zugetragen haben - nur positive, versteht sich.
Ich hoffe, du hast bald wieder genug Kraft, um mich in den Arm zu nehmen.
Tag 19
Heute war deine Mutter wieder im Krankenhaus. Wieder war sie allein, kam ohne deinen Vater. Wieder wollten die Ärzte sie nicht zu dir lassen, aus Angst, das könne deinen Fortschritt gefährden - und wieder brach sie daraufhin in Tränen aus und verlangte, sofort zu ihrem Sohn gelassen zu werden. Du seist immerhin ihr einziger Sohn, und sie wolle nicht, dass du da allein durch musst.
Ich weiß nicht, ob man ihr nicht erzählt hat, dass du nicht allein bist, oder ob sie das mittlerweile einfach schon wieder vergessen hat; genau genommen kann ich dir, was sie angeht, gar nichts genaueres sagen.
Alles, was ich weiß, ist, dass sie ganze zwei Stunden vor deinem Zimmer saß und darauf wartete, hineingelassen zu werden, ganz egal, wie oft das Krankenhauspersonal ihr gesagt hatte, dass es keinen Zweck hatte.
Dass du ganz einfach noch nicht stabil genug seist.
Überraschenderweise machte sie heute allerdings einen recht nüchternen Eindruck auf mich - nun, ich würde sie nicht als komplett nüchtern beschreiben, aber sie war nicht so betrunken wie die letzten beiden Male, die ich sie hier gesehen habe.
Und auch, wenn ich es noch immer traurig finde, dass ich deine Eltern auf diese Art und Weise kennenlernen musste, bin ich doch froh, dass sie hier waren - weil es zeigt, dass du ihnen nicht komplett egal bist.
Tag 20
Ich habe dir heute Abend dabei zugesehen, wie du ganz langsam deinen kleinen Finger gehoben hast - dann hast du ihn wieder fallen lassen und schließlich ein kurzes Zucken durch deine Hand ging.
Ich weiß nicht, wie ich dieses Gefühl beschreiben soll - aber es ist einmalig. Jedes Mal, wenn du eine Regung zeigst, geht ein Kribbeln durch meine Magengegend. Ich kann meine Freude meistens kaum für mich behalten.
Allerdings haben Niall und Liam noch nie davon erzählt, dass du in ihrer Gegenwart irgendwelche Bewegungen gemacht hättest - offenbar machst du das nur Nachts, wenn ich dir vorlese.
Tag 21
Niall und Liam haben dir heute Morgen einen neuen Lavdendelstrauß an dein Bett gestellt. Ich finde es so schön, dass sie jeden Tag herkommen und sich Zeit für dich nehmen. Ich freue mich so für dich, dass du zwei so wunderbare Freunde gefunden hast, auch wenn du sie wohl in der schwersten Zeit deines Lebens kennengelernt hast.
Sie sind immer für dich da - es gab in den letzten drei Wochen keinen einzigen Tag, an dem ich daran gezweifelt hätte.
Als ich dir heute Abend wieder vorgelesen habe, habe ich deine Hand gehalten.
Ich habe gespürt, wie sich ihr Griff um die meine etwas festigte, und wie deine Finger begannen, leicht zu zucken.
Ich habe dich angesehen und bemerkt, dass deine Lider zucken und dass du versuchst, zu blinzeln.
Ich habe gesehen, dass deine Lippen zittern, als sich langsam und beschwerlich deine Augen öffnen.
Du bist wach.
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Sempiternal (Larry Stylinson)
Fanfiction»Sie erleben den Himmel. Sie erleben die Hölle. Sie sind noch Kinder, und haben ihre Zukunft schon verspielt.« Listen, Pläne, Termine - Louis Tomlinson hat alles im Griff. Das gilt zumindest für sein Berufsleben - er hat gute Aussichten auf eine Bef...