27. Er braucht Hilfe, die ich ihm nicht geben kann

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Louis

Den Hörer fest an sein Ohr gedrückt, ließ Louis sich auf den Rand seines Bettes nieder und lauschte gespannt dem Freizeichen, immer in der Hoffnung, es würde das Letzte sein. Schließlich hob ein junger Mann am anderen Ende der Leitung ab, stellte sich ihm mit dem Namen Charlie vor und fragte ihn nach seinem Anliegen. Louis war vorerst sprachlos, hatte gänzlich vergessen, sich seine Fragen für das Gespräch ordentlich zurechtzulegen, vielleicht sogar zu notieren; nun hatte die Nervosität sie aus seinem Gehirn gelöscht.

„Mein Name ist Louis Tomlinson", begann er, um eine peinliche Stille zu vermeiden. „Ich wollte Sie um ein Gespräch bitten."

„Worum geht es denn?"

„Um einen ihrer ehemaligen Bewohner, wenn man das so nennen kann...", antwortete Louis unsicher und kratzte sich am Hinterkopf. „Sagt Ihnen der Name Harry Styles etwas?"

Charlie unterdrückte ein Seufzen und Louis konnte förmlich spüren, wie er nickte. „Allerdings. Ist etwas passiert?"

Nun war Louis derjenige, der nickte, obwohl ihm bewusst war, dass sein Gesprächspartner ihn nicht sehen konnte. „Das kann man wohl so sagen."

„Vielleicht sollten wir das nicht am Telefon besprechen", entgegnete Charlie schließlich und stieß nun doch ein Seufzen aus. „Haben Sie Zeit, sich persönlich zu unterhalten?"

„Jetzt?", fragte Louis irritiert.

„Ja", gab Charlie ihm zur Antwort, „Ihr Anliegen scheint ziemlich dringlich zu sein."

Louis entschloss sich, zuzusagen. „In Ordnung", gab er schließlich zurück, „Dann bin ich in einer halben Stunde bei Ihnen."

„Wissen Sie, wo Sie hin müssen?"

„Ja."

„In Ordnung. Bis gleich."

Louis beendete das Gespräch und steckte sein Telefon zurück in die Hosentasche. Er fühlte sich schlecht bei dem Gedanken, Harry schon wieder zu hintergehen, hinter seinem Rücken mit seinem ehemaligen Betreuer zu sprechen. Andererseits hatte er ihm gar keine Wahl gelassen.

Louis fühlte sich in die Ecke gedrängt - was sollte er schon tun? Irgendwie musste er doch versuchen, ihm zu helfen, das Schlimmste zu vermeiden. Er konnte doch nicht dabei zusehen, wie er sich selbst erneut in sein Unglück stürzte. Allein der Gedanke daran ließ ihn erzittern; er spürte, wie etwas in ihm sich gegen die Einsicht wehrte, dass es eigentlich längst dazu gekommen war.

Harry war rückfällig geworden - jetzt gab es kein Zurück mehr. Sofortige Hilfe war unbedingt nötig. Dazu musste Louis kein sonderlich großes Hintergrundwissen besitzen; ihm war durchaus bewusst, dass der Weg zurück in die Sucht nicht weit war.

Er streifte sich seinen Mantel über, warf kurz einen Blick ins Wohnzimmer, wo Harry teilnahmslos auf dem Sofa lag, während der Fernseher im Hintergrund lief. Louis war sich nicht sicher, ob er schlief, allerdings wusste er auch, dass es keinen Sinn hatte, jetzt mit ihm zu sprechen. Er würde ohnehin nur einsilbige Antworten von sich geben - wenn überhaupt.

So griff er nach seinen Autoschlüsseln und schlüpfte in seine Schuhe. Nachdem er die Wohnungstür hinter sich zugezogen hatte, überkam ihn ein seltsames Gefühl der Unsicherheit. Tat er das Richtige? Er musste sich fühlen wie jemand, der auf dem Weg zu seiner Affäre war - man war sich absolut im Klaren darüber, dass man seinen Partner hinterging, sah aber keinen anderen Ausweg mehr.

Was für ein klischeehafter Vergleich, ging es Louis durch den Kopf, als er seine Wagentür schloss und den Schlüssel ins Zündschloss steckte.

Er lenkte den Wagen auf die Hauptstraße und fuhr durch das nächtliche London bis zu der Einrichtung, in der Harry bis vor ein paar Wochen gelebt hatte. Während der Fahrt gingen Louis die verschiedensten Dinge durch den Kopf; er war mehr als nur unkonzentriert und hätte beinahe eine rote Ampel übersehen.

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt