Louis
Als er am Abend mal wieder viel später als geplant nach Hause kam, fand er Harry teilnahmslos auf dem Sofa vor.
Er schlief, tief und fest, und er schnarchte.
Im Hintergrund lief der Fernseher, das strähnige Haar hing ihm tief in die Stirn.
Louis erwischte sich bei dem Gedanken, dass ihn dieser Anblick regelrecht anekelte.
Er ließ seine Tasche laut zu Boden krachen und schlug die Tür zu.
Harry zuckte erschrocken zusammen und fuhr hoch, während er schlaftrunken den Raum nach der Geräuschquelle absuchte.
Louis war absolut wütend.
Als Harry seinen Freund schließlich in der Tür stehen sah, rieb er sich kurz den Schlaf aus den Augen. „Du bist zu Hause", bemerkte er überflüssigerweise, und Louis konnte sofort hören, dass er etwas genommen hatte.
Aber er kommentierte es nicht weiter, ging zum Kühlschrank, holte sich eine Flasche Wasser und musterte Harry einen Moment lang.
„Und?", begann er bissig das Gespräch. „Konntest du genug Heroin für die nächsten Tage auftreiben?"
Ein verletzter Ausdruck legte sich auf Harry's Gesicht. „Louis..."
„Wie konntest du das tun?", schrie Louis wütend durch das Wohnzimmer. Er kümmerte sich gar nicht darum, dass die Fenster sperrangelweit offen standen. „Wir haben jahrelang dafür gekämpft, dass du ein normales Leben führen kannst, und du fährst es innerhalb von wenigen Monaten gegen die Wand!"
Harry, der einen so lauten Ton von Louis nicht gewohnt war, zuckte zusammen, als hätte man ihm eine Ohrfeige gegeben.
Wieder kroch das alte Gefühl in ihm nach oben, das ihm ganz eindeutig sagte, dass er nichts war, nichts konnte, und immer nichts bleiben würde.
Louis hingegen konnte sich vor angestauter Wut kaum noch unter Kontrolle halten. „Ich war so stolz auf dich", sagte er, während ihm die Tränen in die Augen stiegen. „Ich habe nie von dir verlangt, irgendwie wieder gut zu machen, was du mir alles angetan hast. Aber ich kann nicht mehr."
Ein Zittern ging durch Harry's Körper. „Ich kann nicht anders", beteuerte er unter Tränen und spürte, wie sein Herz so schwer wurde wie ein gewaltiger Felsbrocken. „Ich schwöre dir, ich kann es nicht."
„Aber wie kann das sein?", wollte Louis lautstark von ihm wissen. „Du warst monatelang in stationärer Behandlung, du gehst einmal pro Woche noch immer zur Psychotherapie!"Die Vorwürfe seines Freundes ließen ihn ziemlich kleinlaut werden.
Natürlich konnte er verstehen, dass seine Geduld am Ende war.
Aber er konnte sich nicht mehr wehren.
Er war machtlos.
Zumindest dachte er das.
Und Louis fühlte sich genauso. So unendlich machtlos, als könne er nichts tun, und als wäre diese Wut alles, was ihm blieb, um Harry's Rückfall irgendwie zu begegnen.
„Es wurde einfach zu viel", antwortete Harry mit brüchiger Stimme. „Ich konnte nicht mehr dagegen ankämpfen. Ich spüre anders meine Gefühle nicht mehr."
„Weil du verdammt nochmal süchtig bist!", brüllte Louis und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Warum erzählst du deiner Therapeutin nicht von deinem Suchtdruck und dem Medikamentendiebstahl?"
Harry's Muskeln spannten sich an, und er konnte es ganz genau spüren. Die Angst, die sich in seiner Brust festsetzte, wenn jemand ihn anschrie.
Er fühlte sich wieder wie das kleine Kind, das damals alles über sich ergehen lassen musste, weil es sich nicht wehren konnte.
„Antworte mir!", schrie Louis, jetzt noch lauter, und Harry fühlte sich, als wäre er in einer Art Schockstarre.
„Ich ... weiß es nicht", stammelte er, und Louis konnte an der Blässe in seinem Gesicht sehen, dass er ernsthaft Angst hatte. „Das ist alles einfach so blöd gelaufen, ich..."
„Blöd gelaufen?", wiederholte Louis zornig und konnte gar nicht glauben, was er da hörte. „Weißt du eigentlich, wie ich letzte Nacht durch die Hölle gegangen bin, weil ich dachte, du liegst tot in irgendeiner schäbigen Bahnhofstoilette?"
Harry kullerten dicke Tränen über die Wangen. „Das war keine Absicht", versicherte er, doch Louis schüttelte den Kopf.
Sein Blick war unversöhnlich, steinhart, absolut nicht kompromissbereit. „Sowas macht man einfach nicht", entgegnete Louis. „Zumindest nicht, wenn man irgendeine Art von Respekt vor dem anderen hat."
„Aber ich habe doch Respekt vor dir", wimmerte Harry, der in diesem Moment bereit war, alles zu tun, wenn Louis ihn nur nicht verließ. „Bitte, lass mich jetzt nicht allein..."
Louis schüttelte den Kopf. „Das tue ich nicht", sagte er resigniert. „Aber das werde ich, wenn du diese Scheiße nicht endlich in den Griff bekommst. Ich kann nicht mehr."
Harry spürte, wie sich seine Kehle zuschnürte. „Es tut mir alles so leid", entschuldigte er sich, wieder, und doch wusste er, dass all das rein gar nichts änderte.
„Ich weiß", antwortete Louis, „Aber ich kann nicht mehr. Ich schaffe das nicht mehr. Du musst diese Sache ein für alle Mal regeln, andernfalls kann ich dir nicht mehr helfen."
Harry setzte sich auf das Sofa, schlang die Arme um seine Beine und legte den Kopf auf die Knie. Wie sollte er das bloß jemals schaffen?
Selbst jetzt, als alles so vielversprechend ausgesehen hatte, war es ihm nicht gelungen, endgültig vom Heroin loszukommen.„Gib mir dein Heroin", forderte Louis und sah dem Jüngeren unversöhnlich in die Augen.
„Was?"
„Gib mir dein Heroin", sagte er wieder, und er lehnte sich gegen die Küchentheke. „Du kannst es dir aussuchen. Entweder du gibst mir alles, was du noch hast, oder du verlässt sofort meine Wohnung."
Harry fühlte sich, als wäre er gelähmt.
Er konnte sich nur schwer aus seiner Starre lösen, die seinen gesamten Körper befallen hatte, während Louis jede seiner Bewegungen genau musterte.
Er ging zu seinem Rucksack, langsam aber er öffnete das vorderste Fach.
Seine Hände zitterten so sehr, dass er den kleinen Beutel mit dem weißen Pulver beinahe nicht zu greifen bekam.
Er ging auf Louis zu, und als er vor ihm zum Stehen kam, blickte er ihm entgegen, das Gesicht blind vor Tränen.
Louis erwiderte seinen Blick, nahm ihm das Heroin aus der Hand und steckte es ein. „Gut", gab er schließlich zur Antwort. „Dann geh jetzt ins Bett. Ich schlafe auf dem Sofa."
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Es ist Freitag meine Lieben!🤍
Ein schönes Wochenende und Danke fürs Lesen.🤍All the love,
Helena xx
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Sempiternal (Larry Stylinson)
Fanfiction»Sie erleben den Himmel. Sie erleben die Hölle. Sie sind noch Kinder, und haben ihre Zukunft schon verspielt.« Listen, Pläne, Termine - Louis Tomlinson hat alles im Griff. Das gilt zumindest für sein Berufsleben - er hat gute Aussichten auf eine Bef...