58. Ein Rückschlag bedeutet keinen Rückfall

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Harry

Es fiel ihm verdammt schwer.

Als er zwei Wochen später zusammen mit Louis in dem Restaurant saß, in dem sie sich mit Niall und Liam verabredet hatten, spürte er, wie seine Hände feucht wurden und er begann, am ganzen Körper zu zittern.

Er starrte auf das Bier, das Niall und Liam sich miteinander teilten, und spürte, wie auch in ihm das Bedürfnis wuchs, sich etwas alkoholisches zu bestellen. Aber er wusste ganz genau, dass das nicht ging, und dass er das unter keinen Umstände tun durfte.

Ein Blick zu Louis verriet ihm, dass er noch nicht bemerkt hatte, wie unwohl er sich fühlte und dass er sich im Grunde genommen nichts mehr wünschte, als sich zu Hause unter der Decke verkriechen zu können.

Er machte seinen Freunden keinen Vorwurf. Er konnte schließlich nicht erwarten, dass sie ständig daran dachten, wie sich die Dinge für ihn anfühlten, und dass sie ständig darauf Rücksicht nahmen.

Er musste lernen, mit solchen Situationen umzugehen, und das wusste er.

Aber es gab Tage, an denen fiel es ihm sehr schwer. Und heute war so ein Tag.

Er spürte, wie sich das Verlangen einen Weg durch seine Venen bahnte, und von dort aus seinen gesamten Körper infizierte.

„Harry?", riss Niall ihn schließlich aus seinen Gedanken und sah ihn fragend an.

„Hm?"

Jetzt schien auch Louis aufzufallen, dass etwas nicht stimmte. Nicht nur, dass Harry nicht registriert hatte, dass Niall ihn etwas gefragt hatte, nun sah auch Louis die kleinen Schweißperlen, die sich aus Nervosität auf seiner Stirn gebildet hatten.

„Tut mir leid", murmelte Harry und schüttelte den Kopf, ehe er einen Schluck aus seinem Wasserglas nahm. „Ich habe dir gerade nicht zugehört."

„Das sehe ich", antwortete Niall und sah seinen Freund irritiert an. „Ich wollte wissen, wie es auf der Arbeit läuft."

Harry schluckte und atmete einmal tief durch. Sein Herz schlug plötzlich viel zu schnell, und er konnte an nichts anderes mehr denken, als an das angenehme Gefühl, wenn die Nüchternheit langsam schwand und die Wirkung der Droge Besitz von seinem gesamten Körper ergriff. „Gut", presste er schließlich als Antwort hervor und zwang sich zu einem Lächeln. Er wollte nicht, dass irgendjemand bemerkte, was mit ihm los war.

Aber er war umgeben von den drei Menschen, die ihn am allerbesten kannten. Er wusste, dass er ihnen nichts vormachen konnte.

„Alles okay?", wollte Louis von ihm wissen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Geht's dir nicht gut?"

Harry wich seinem Blick aus und schüttelte schnell den Kopf. „Alles gut, es ist nur wirklich verdammt warm hier drin."

Liam sah ihn misstrauisch an und schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass du uns sagen kannst, wenn etwas nicht stimmt - oder?"

Harry nickte. „Ja, ich..."

Seine Stimme brach ab. Der Geruch nach Alkohol stieg ihm in die Nase und er musste plötzlich daran denken, wie er sich als Jugendlicher betrunken hatte, anstatt zur Schule zu gehen. Mit seinen sogenannten Freunden, die eigentlich gar nicht gewusst hatten, was wirklich in ihm vorging. Sie hatten ihn nicht gekannt, kein Stück - und sie hatten kein echtes Interesse daran gehegt, ihn glücklich zu sehen.

Lange bevor er angefangen hatte, Heroin zu nehmen, hatte er angefangen, zu trinken. So hatte alles angefangen, so hatte seine Leidensgeschichte ihren Lauf genommen.

Und diese Tatsache war ihm an diesem Abend plötzlich wieder so präsent wie damals, ohne dass er irgendetwas dagegen hätte tun können.

Er erinnerte sich daran, wie seine Eltern pausenlos betrunken gewesen waren, wie sie ihn angelogen und manipuliert hatten, wenn er sie darauf angesprochen hatte.

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt