11. Vielleicht solltest du dir Hilfe suchen...

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Viel Spaß beim Lesen! :) Würde mich sehr über ein paar Rückmeldungen freuen! :)x

All the love xx

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Harry

Louis ließ ihn in seinem Bett schlafen, während er auf dem Sofa nächtigte. Für ihn war das selbstverständlich, Harry hatte leisen Protest eingelegt, insgeheim allerdings vor Dankbarkeit kaum mehr geradeaus denken können. Niemals hätte er erwartet, geschweige denn von Louis verlangt, dass er ihn bei sich aufnahm; umso überraschter war er über diese selbstlose Geste, die - so unbedeutend sie für Louis erscheinen mag -, Harry mehr bedeutete als jedes Wort es jemals hätte tun können.

Der nächste Morgen begann für ihn gegen Mittag. Er hatte nachts nicht einschlafen können, die Umgebung war fremd und der Geruch des Waschmittels ungewohnt gewesen. Seine Gedanken hatten nicht stillstehen wollen, ihn gequält bis in die frühen Morgenstunden. Die Gedanken daran, dass man seine Methadondosis langsam herunterfahren würde, was einen zwangsläufigen Entzug zur Folge hatte. Das wiederum bedeutete, dass er irgendwie an Heroin kommen musste. Denn ein Leben ohne Drogen konnte und wollte er nicht führen. Das sah er nicht ein, für ihn bedeuteten diese Substanzen eine Menge Lebensqualität.

Während Louis sich fürsorglich um das verspätete Frühstück kümmerte, kämpfte Harry mit Kopfschmerzen und war sich durchaus darüber im Klaren, dass er eigentlich längst in der Methadonklinik hätte sein sollen. Was soll's, dachte er, Wenn ich jetzt ohnehin entziehen muss...

Er hasste das Methadon. Es legte einen Schleier über ihn, der dem des Heroins in seinen Augen noch nicht einmal im Ansatz konkurrieren konnte. Für ihn war Heroin immer das gewesen, was ihm Glücksgefühle erst möglich gemacht hatte. Methadon war da ganz anders. Es verursachte keinen wirklichen Rauschzustand, wie er fand. Es war einfach ein Opiat, das zur Entwöhnung eingesetzt wurde. Für ihn nicht mehr, aber deutlich weniger.

„Was möchtest du trinken?", wollte Louis von ihm wissen, während Harry ihm zittrig vor Kälte gegenübersaß.

Er zuckte beide Schultern.


„Tee?"

Harry nickte. Es ging ihm gar nicht gut. Der Gedanke an den Entzug fraß ihn auf, und er wusste, dass dieser früher oder später folgen würde. Er hatte nie wirklich auf Methadon umsteigen wollen; man hatte ihn dazu gezwungen, ansonsten hätte er doch überhaupt kein Dach über dem Kopf gehabt.

„Bist du in Ordnung?", wollte Louis von ihm wissen. „Du wirkst bedrückt."

Er zuckte beide Schultern und nickte. „Ich bin bloß müde..."

„Hast du nicht gut geschlafen?"

Harry schüttelte energisch seinen Kopf. „Überhaupt nicht. Ich hoffe, das legt sich bald."

„Mit Sicherheit", gab Louis zur Antwort und schenkte ihm ein ermutigendes Lächeln. „Heute ist Samstag. Hast du auf irgendetwas Bestimmtes Lust? Was hältst du davon, wenn wir dafür sorgen, dass du ein paar neue Klamotten im Schrank hast?"

„Ich habe kein Geld."

Louis zuckte beide Schultern. „Das macht nichts. Ich verdiene genug."

„Das geht nicht, Lou", lehnte Harry ab und zwang sich zu einem minimalen Lächeln. Erst dann wurde ihm bewusst, dass er Louis bei seinem Spitznamen genannt hatte. Dieser grinste. „Natürlich geht das. Ich weiß ohnehin nicht, was ich mit dem ganzen Geld allein anfangen sollte."

„Außerdem", sagte Harry, „Muss ich vorher noch kurz zum Arzt..."

Sein Gegenüber zog irritiert beide Augenbrauen nach oben. „Weshalb das denn? Geht es dir nicht gut?"

Harry schüttelte seinen Kopf. „Das hat damit nichts zu tun. Ich finde, ich schulde dir zumindest eine Erklärung, nachdem du mich bei dir aufgenommen hast..."

Louis

Er hörte ihm gespannt zu. Natürlich konnte er sich denken, dass sein ‚Arztbesuch' etwas mit seiner Drogenvergangenheit zu tun hatte, für ihn stand das beinahe außer Frage. Aber aus irgendeinem Grund war er trotzdem schrecklich interessiert daran, etwas mehr von ihm zu erfahren. Solange er ihm auf freiwilliger Basis von sich erzählte, hatte er damit überhaupt keine Schwierigkeiten.

Harry seufzte tief auf und sah ihn schließlich an. „Ich wurde gestern aus dem Substitutionsprogramm geschmissen."

Louis sah ihn etwas ratlos an. Ohne eine genauere Nachfrage seinerseits, wusste Harry, dass er keine Ahnung hatte, wovon er eigentlich sprach. „Das heißt, ich bekomme Methadon verschrieben. Das ist eine Substitutionsdroge, die mir helfen soll, von meiner Heroinsucht loszukommen. Man bekommt die Droge nur unter der Voraussetzung, dass man nebenbei keine anderen illegalen Substanzen - sprich Drogen - konsumiert. Gestern hat man mich aus der Wohngruppe geschmissen, und das hat einen Rausschmiss aus dem Methadonprogramm zur Folge. Jetzt müssen meine Ärzte die Dosis langsam senken, und ich habe das Gefühl, dass ich ganz genau weiß, wie das enden wird..."

Louis schüttelte seinen Kopf. „Und wie?"

„Was tut ein Heroinabhängiger, wenn die einzige Schranke, die ihn von der Droge trennt wegfällt, Louis?"

Der Ältere senkte seinen Kopf und ließ seine Gedanken arbeiten. Natürlich wird er rückfällig, schoss es ihm durch den Kopf - und dann begriff er. Dann begriff er Harry's Dilemma und war sich plötzlich im Klaren darüber, dass ein Rückfall gar nicht abwegig war, sondern im Grunde genommen unmittelbar bevorstand.

Er schluckte. „Ich weiß, du wirst das nicht gerne hören; aber vielleicht solltest du dir anderweitig Hilfe suchen..."

Da schien in Harry irgendetwas zu explodieren. „Hilfe?", er spuckte das Wort aus wie ein Insekt, das ihm versehentlich in den Mund geflogen war. „Diese Wohngruppe war Hilfe für mich. Ich bin es leid, mir von allen Seiten sagen zu lassen, ich wäre zu schwach, meine Sucht zu bekämpfen. Diese Idioten haben doch gar keine Ahnung, wovon sie überhaupt reden - eine Heroinsucht ist schlimmer als eine Zigarettensucht, Louis, sie macht dich und die Menschen in deinem Umfeld kaputt. Allzu lange hält das niemand durch; was also ist die Folge? Wo liegt meine Zukunft?"

Auf dem Friedhof, schoss es Louis unwillkürlich durch den Kopf, doch diesen Kommentar verkniff er sich. Stattdessen lächelte er und schob Harry eine Tasse Tee zu. „Lass uns heute etwas unternehmen. Vielleicht kommst du so auf andere Gedanken. Wenn du möchtest, gehe ich auch mit dir zum Arzt."


Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt