92. Alles zu verlieren geht so schnell

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Harry

Es dauerte nur wenige Stunden, bis Harry es nicht mehr länger aushielt.

Er griff nach seinem Telefon, suchte nach Louis' Kontakt und wählte seine Nummer an.

Nach dem zweiten Klingeln hob der junge Geschäftsmann ab. „Harry?"

Seine Stimme klang überrascht.

Natürlich tat sie das.

Vermutlich war sein Anruf das Letzte, womit Louis gerechnet hätte.

„Können wir reden?", presste der Jüngere hervor und spielte nervös mit seinen Fingern. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen."

Louis antwortete nicht sofort.

Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte.

„Denkst du wirklich, das ist eine gute Idee?", warf er ein.

Harry ließ entmutigt die Schultern hängen, während er deutlich spüren konnte, wie sein Herz einen weiteren Riss bekam. „Wahrscheinlich hast du Recht", gab er mit zitternder Stimme zurück. „Es tut mir leid, ich wollte dich auch gar nicht weiter stören."
Gerade als Harry den Hörer vom Ohr nehmen und auflegen wollte, schüttelte Louis am anderen Ende der Leitung kräftig den Kopf. „Nein, warte", gab er zurück. „Natürlich können wir reden. Ich bin in zwanzig Minuten bei dir."

Harry spürte, wie ihm trotz Louis' Zusage die Tränen in die Augen stiegen, als er auflegte.

Er war so verloren in dieser ganzen Situation.

Er wusste überhaupt nicht mehr, was richtig und was falsch war.

Im Grunde genommen hatte er gar keine Ahnung mehr, wie er mit seinem Leben zurechtkommen sollte.

Alles schien so verworren, so in sich verstrickt.

Es schien unmöglich, die Situation wieder zu sortieren und noch einmal von vorne zu beginnen.

Er hatte den Überblick über die Male verloren, die er schon neu angefangen hatte.

Die Male, die er bereits gescheitert war.

Erschöpft wischte er sich mit einer Hand die Tränen aus dem Gesicht, als es wenig später an seiner Tür klopfte.

Louis sah nicht weniger verwirrt aus, als er selbst.

Er ließ sich auf dem Stuhl neben Harry's Krankenbett nieder und sah ihn aus müden Augen an.

Eine Weile lang sagte keiner der beiden Männer etwas.

Dann schien Harry seine Sprache wiedergefunden zu haben.

„Es tut mir leid", gab er ohne Umschweife zu. „Es tut mir leid, wie ich vorher mit dir gesprochen habe. Das ... war nicht richtig."

Louis presste nervös die Lippen zusammen und suchte nach einer passenden Antwort. Er wusste doch selbst, dass niemand hier alles richtig gemacht hatte.

„Weißt du, ich glaube, ich kann dich sogar verstehen", seufzte er und sah Harry in die feuchten Augen. „Ich glaube, du hast in deinem Leben genug ertragen müssen, dass es für fünf Personen gereicht hätte."

Harry zuckte die Schultern und wich seinem Blick aus. „Daran bin ich selbst schuld", antwortete er. „Niemand hat mich gezwungen, mir Heroin in die Venen zu jagen."

Angesichts der Kälte in Harry's Stimme begann Louis, zu frösteln. „Sag sowas nicht", entgegnete er. „Gib dir nicht die Schuld an allem. Du bist krank."

Harry nickte, während ihm so viele Fragen die Zunge verbrannten.

Die Luft hing voller unausgesprochener Gedanken, und keiner der beiden Männer glaubte ernsthaft daran, dass es für sie ein gutes Ende geben würde.

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt