83. Solange du keinen Ärger machst

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Louis

Natürlich fiel es ihm schwer, Harry so zu sehen.

Und natürlich wusste er auch, dass er tatsächlich keine Ahnung hatte, wo er in den kommenden Tagen schlafen sollte.

Es zerriss ihm das Herz, sich diese Tatsache einzugestehen.

Aber er hatte keine andere Wahl.

Er konnte nicht mehr länger mit ansehen, wie Harry sich selbst zugrunde richtete und musste deshalb die Notbremse ziehen.

Mittlerweile war ihm klar geworden, dass er sich nicht aus eigenem Antrieb ändern würde, zumindest nicht in naher Zukunft, und schon gar nicht, solange Louis ihm ständig den Rücken freihielt.

Als er die Wohnungstür hinter sich schloss, hörte er, wie Harry's leise Schritte sich langsam entfernten.

Er hätte vor innerlichem Schmerz am liebsten laut geschrien, weil er ihn eigentlich gar nicht gehen lassen wollte.

Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, ihm hinterherzugehen, ihn aufzuhalten und ihm zu versprechen, dass sie miteinander nach Hilfe suchen würden.

Und hätte er auch nur die leiseste Hoffnung, dass das irgendetwas ändern würde, hätte er es getan.

Aber die Vergangenheit hatte ihm bereits zu oft gezeigt, dass dem nicht so war.

Harry

Entmutigt trat er also wieder nach draußen, auf die verregneten Straßen Londons.

Sein Herz war schwer vor Kummer.

Er wusste ganz genau, dass niemand Schuld an seiner Misere hatte. Niemand, außer er selbst. Er ganz allein hatte sich entschieden, die Abstinenz aufzugeben und wieder zu konsumieren.

Er konnte Louis keinen Vorwurf machen, dass er es nicht länger mit ihm aushielt.

Zitternd setzte er seinen Weg fort und machte sich auf den Weg in eine nur allzu bekannte Gegend.

Er kannte sie wie seine Westentasche, er kannte jeden noch so kleinen Winkel.

Er war hier aufgewachsen.

Als er an der Tür seiner Mutter klingelte, schlug ihm das Herz bis zum Hals.

Sie hatten sich seit ihrem letzten Treffen im Café nicht mehr gesprochen, und Harry hatte eigentlich gar keine Ahnung, wie es ihr ging und was sie machte.

Himmel, er wusste noch nicht einmal, ob sie überhaupt zu Hause war.

Schließlich hatte sie einen Entzug machen wollen.

Als er die Klingel ein zweites Mal betätigte, erschien seine Mutter auch irgendwann im Türrahmen. „Harry?"

Der junge Mann zwang sich ein kleines Lächeln ab und wischte sich das nasse Haar aus dem Gesicht. „Kann ich reinkommen?"

„Natürlich", antwortete seine Mutter und trat einen Schritt zur Seite.

Er konnte sofort erkennen, dass sie getrunken hatte.

Nicht nur, weil sie fünf Meter gegen den Wind nach Alkohol roch, sondern weil sie anders redete, als in nüchternem Zustand.

Harry konnte bereits kleinste Veränderungen in ihrer Stimme ausmachen und sie richtig deuten.

Jahrelang war sein Überleben davon abhängig gewesen.

Seine Antennen waren so fein, dass sie sich niemals irrten.

Wirklich niemals.

„Du hast getrunken", warf er ihr vor, während er den düsteren Flur der Wohnung betrat, in der er aufgewachsen war.
Wie üblich stapelte sich der Müll und sämtliche Post im Flur, wodurch Harry seine Mühe hatte, sich einen Weg ins Wohnzimmer zu bahnen.

Sempiternal (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt