Kapitel 60

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Caleb


Er hat den selben Geruch wie das Mädchen, also muss es seine Tochter sein! Als ich schon ihr Blut rieche, beschleunige ich ein bisschen und setze mich dann neben sie, während ich auf die Jäger warte. Ihre Haare liegen ja trotzdem noch rum und ich war zu faul, ihr die Gesichtsmuskeln weg zu fressen, weswegen ihr Kopf noch mehr oder weniger unbeschädigt da liegt. Nur unten, wo mal der Hals war, leuchtet der weiße Kieferknochen hervor! Als die Männer wieder näher kommen, spitze ich die Ohren und lausche. In dem Moment, als sie hinter den Bäumen hervor treten, belle ich einmal, halb warnend, halb spöttisch. Dann drehe ich um und tue so, als würde ich weiter rennen, aber eigentlich verstecke ich mich nur hinter einer alten Buche. "Ist das..." "Ja. M-meine Tochter! Diese Bestie hat meine Tochter gefressen!" Dank Nachtsicht kann ich erkennen, wie er sich durch die Haare fährt und sich die Tränen ihren Weg über seine Backe schlängeln. Belustig mustere ich das Schauspiel und sehe zu, wie ihm seine Kollegen die Hände auf die Schulter legen wollen, doch er schlägt sie weg. Er schaut bedrückt auf den Haufen Knochensplitter, bevor er den Blick hebt. "Er beobachtet uns!" Oh ja, und ihr hättet es nicht gemerkt, wenn ich es nicht gewollt hätte! Auch die anderen wirbeln zu mir herum und schauen mich zornig an, doch ich wedel nur mit der Rute. Ich drehe mich um und laufe auf Umwegen zur Villa, damit niemand merkt, dass ich Caleb bin und setze mich davor. Ich prüfe nochmal schnell die Luft, bevor ich mich zurück verwandle und ins Haus gehe. Ich springe schnell unter die Dusche, um das Blut abzuwaschen und lege mich dann in mein Bett, aber ich kann nicht schlafen. Was war vorhin mit mir los? Diese Seite von mir macht mir Angst und die tatsache, dass ich sie bei Wut nicht kontrollieren kann, macht das nicht besser. Aria rollt sich zu mir um und will ihren Arm um mich legen, doch ich weiche zurück. Ich richte mich in meinem Bett auf und gehe wieder runter, wo ich mich auf die Stufen vor der Haustür setze und mein Gesicht in meinen Händen vergrabe. Als ich Schritte höre, die sich aus dem Wald nähern, richte ich mich auf und verenge meine Augen zu schlitzen, um besser sehen zu können. Die Männer, die ich vorhin zu dem Mädchen geführt habe, stehen am Waldrand und kommen mit dem Mann auf mein Haus zu, den sie hinter sich her ziehen. Völlig aufgelöst versucht der sich, aus dem Griff zu befreien und will zurück rennen zu seiner Tochter, doch die Griffe der Männer sind eisern. Sie haben mich noch nicht gesehen, wesewegen ich leise die Haustür auf mache und sie hinter mir zuziehe, als ich drinnen bin. Ich setze mich ins Wohnzimmer und kurz darauf klingelt es schon an der Haustür, doch ich ignoriere es. Lichter habe ich keine an gemacht, da ich sie ja eh nicht brauche, also kann mich keiner sehen. Doch die Männer hören nicht auf und nach einer Zeit öffne ich genervt die Tür. "Was?", frage ich bissig, was die Männer zurück weichen lässt. Sie schauen zu mir auf und eier beginnt dann nach langem schweigen zu sprechen, wenn auch zögerlich. "Unser Freund hat seine Tochter verloren und wir wollten fragen, ob er bei dir unterkommen kann." Der Mann strampelt wild und man kann sehen, dass er lieber sterben würde als mit mir hier drinnen zu sein. "Nein, kann es nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass er es eh nicht will, will ich niemanden hier drinnen haben. Wir sind schon genug!" Ich schlage ihnen die Tür vor der Nase zu und atme erleichtert aus. Wenn ich ihn jetzt rein gelassen hätte, hätte ich de ganze Zeit seine Tochter vor Augen, und darauf habe ich keine Lust. Ich weiß, dass ich meine Mauern wieder aufbaue, doch ich weiß nicht warum. Ich weiß, dass sie, wenn ich ein Wolf bin, einfach auftauchen, wenn ich wütend bin und wenn ich ein Mensch bin, nricht ein Teil wieder ein. Der Teil, der sich an Aria klammert, als wäre es die einzige Chance zu überleben. Müde schleiche ich hoch und lege mich neben Aria, die zufrieden vor sich hin murmelt, als ich sie an mich drücke.

In der früh wache ich von einem lauten schrei und einem darauf folgenden kanll wach. Als ich ein Auge öffne, sehe ich Aria mit verwirrtem Blick am Boden liegen. Ist wohl aus dem Bett gefallen! Ich fange an zu lachen, sie wirft mir giftige Blicke zu, bevor sie auch anfängt zu lachen. Ich stehe auf und strecke mich erstmal. Mein Kiefer tut weh, meine Beine und Arme verkrampfen sich kurzzeitig und meine Wirbelsäule brennt. Ächzend setze ich mich nochmal hin und sehe aus dem Augenwinkel, wie sich Aria neben mich setzt und mich besorgt mustert. Ich massiere mir kurz die Schläfen und stelle mich dann wieder hin. Müde gehe ich ins Bad, wo ich mich erstmal im Spiegel anschaue. Unter meinen Augen dunkle Ränder, mein Gesicht weiß. Meine Augen sind rot, was wohl bedeutet, dass eines der Äderchen im Auge geplatzt ist. Na toll. Müde trotte ich in Boxershorts die Treppe runter und mache mir einen Kaffee, den ich schwarz trinke. "Was ist denn mit dir passiert, Alter?" "Halt die Klappe Alby!" "Wow, ganz schön schlecht drauf heute!", murmelt er vor sich hin. Auch Newt kommt jetzt in die Küche und schaut mich ängstlich an. Ach ja, er hat das Gestern ja gesehen! "Morgen." "M-morgen..." "Was ist denn mit dir los?" "Er hat mich gestern bei etwas gesehen, was ihm wohl nicht so gefallen hat!" "Und das wäre?" "Caleb hat ein kleines Mädchen gefressen!" "WAS?! Wie willst du das Aria erklären?" "Ich weiß es nicht." "Und wer ist der Typ, der vor unserer Haustür festgebunden ist?" "Ich nehme an der Vater. Die waren gestern auf der Jagd nach uns und ich habe die zu seiner Tochter geführt." "Bitte was? Du hast ihnen den Knochenhaufen gezeigt? Dann sag mir bitte, dass du auch den Kopf gefressen hast!" "Wenn's dir dann besser geht!" Ich trinke noch schnell den Rest meines Kaffees und gehe dann nach drausen. Ja, Aria hat uns belauscht und ich wusste es auch, aber es war genauso wie gestern. Es macht mir keine Angst, es ist mir eigentlich egal. Ich weiß nicht was mit mir los ist, aber ich denke, ich sollte das so schnell wie möglich wieder loswerden! Tatsächlich sitzt da der Mann. Seine Augen sind glasig und angeschwollen, seine Fingernägel bluten und an seinen Armen hat er mehrere Schnitte, die über die Pulsadern gehen. Zum Glück sind sie nicht tief genug! Er schaut zu mir auf, aber eigentlich wirkt es so, als würde er durch mich durch sehen. Der Tod verändert Menschen und ich habe hier das Beste Beispiel vor mir. Ich habe ihn gekannt. So weit ich weiß war er einer der Bullen, die bei mir waren. Ihr wisst schon, die die meine Scheibe eingeschlagen haben. Seine Stärke ist verschwunden und blanker Panik gewichen.

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Der 2. Teil unserer Lesenacht ;) Hoffe, es gefällt euch!

Howl - Das Heulen der WölfeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt