35. Fünf Minuten

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Damino

Seit Tagen ignoriere ich das schwarzhaarige Mädchen. Seit jener Nacht, in der sie bei mir geblieben ist. Ein Teil von mir findet es absurd und verantwortungslos, dass ich ihr so nahe gekommen bin. Jetzt weiß ich, wie sie sich anfühlt. Und ein anderer Teil von mir, trotz allem, trotz der Ereignisse und unserer Feindseligkeit, will genau das noch einmal erleben. Ich bin krank. Alles daran ist total verdreht. Sinnlos.

Ehrlich gesagt fällt es mir leichter als erwartet, ihr aus dem Weg zu gehen. Vielleicht, weil ich durch die anstehenden Klausuren abgelenkt bin. In der Winterzeit zeigen die Lehrer keine Gnade. Es ist, als ob sie uns vor Weihnachten noch einmal richtig stressen wollen, damit wir nicht vergessen, warum wir hier sind. Der Gedanke, heute mit ihr die Nachhilfestunde durchstehen zu müssen, macht mich nervös. Ich will da nicht hin. Soll der Kurs mir doch egal sein. Alles ist besser, als mit ihr in einem stillen Raum zu sitzen und über die Psychologie des Menschen zu reden.

Als ich die Cafeteria erreiche, kommen mir ein paar Mädchen entgegen. Wahrscheinlich Cheerleader. Was wollen die jetzt von mir? Ich will doch nur etwas essen.

„Kommst du zum jährlichen Spiel gegen die Dobrik Highschool?", spricht mich eines der großen Mädchen unvermittelt an. Ich seufze. „Um was geht es da?", frage ich, bemüht, sie loszuwerden. „Das Basketballspiel! Unser Internat gegen die Schule von nebenan. Wir verteilen Getränke und machen eine Aufführung vor dem Spiel", erklärt ein anderes Mädchen mit braunen Haaren. Ich sehe sie verwirrt an. Was soll ich da? Klatschen? Nein. Solche Veranstaltungen haben mich nie interessiert. Aber wenn ich das sage, werde ich die wohl nicht mehr los.

Mein Magen knurrt. Mein Signal.

„Ich werde da sein", sage ich schließlich und schiebe mich zwischen den Mädchen hindurch zur Essensausgabe. Natürlich werde ich dort nicht auftauchen. Vielleicht schaue ich kurz vorbei, aber das war's auch. Die Mädchen kreischen vor Freude und danken mir überschwänglich. Ich winke ab. „Jetzt verschwindet, los", fordere ich sie auf.

Nach ein paar Minuten bin ich an der Reihe, nehme mir eine ordentliche Portion Salat, vier Frikadellen und lasse einen Nachtisch unauffällig in meiner Hosentasche verschwinden. Mein Magen knurrt wieder. Ich setze mich an einen Tisch am Rand der Cafeteria und beginne zu essen. Mein Magen dankt mir im Stillen. Währenddessen hole ich mein Handy raus (ja, mir egal, dass es gegen die Schulregeln ist) und schreibe meinem Bruder. Plötzlich höre ich einen lauten Geräusch, das mich aufschauen lässt. Es klingt nicht wie ein umgefallener Gegenstand. Das war eine Person, ganz sicher. Trotzdem sehe ich wieder auf meinen Teller. Ist doch egal. Es ist normal, dass sich Jungs manchmal prügeln. Sollen sie doch.

Allmählich stehen die Schüler um mich herum auf und bilden eine dichte Traube. Mein Essen wird kalt. Minuten vergehen, und die Menge wird immer größer. Ich will mich gerade wieder auf mein Handy konzentrieren, als ich eine vertraute Stimme höre.

„Du musst mir helfen. Ich komme durch die Menge nicht hindurch. Du bist doch in der Box-AG, oder etwa nicht?"

Eilig stecke ich mein Handy weg. Daxton sieht mich mit verzweifeltem Blick an. Er bittet mich um Hilfe? Ich bin genauso verwirrt wie mein Verstand. Langsam erhebe ich mich. „Was? Auf einmal kannst du mit mir reden?", sage ich kalt. Normalerweise redet er kaum mit mir, und wenn doch, dann nur das Nötigste. Ich bin nicht nachtragend, aber dieser Typ nervt mich einfach.

„Ich flehe dich an, Asteria hat keine Chance gegen Jack." Asteria? Sein Blick wandert nervös zur Menge hinter ihm. Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen, und ich neige den Kopf leicht. Sein Gesicht bleibt angespannt, ohne jegliche Andeutung eines Scherzes. Er meint es ernst. Also richte ich mich auf.

„Wehe dir, wenn das ein Scherz ist", warne ich ihn und laufe auf die Menge zu. Er folgt mir dicht.

Und tatsächlich. Asteria liegt am Boden, ihr Gesicht blutverschmiert, reglos. Ein Gefühl der Wut übermannt mich, so heftig, dass es mich fast zerreißt. Adrenalin durchströmt mich, als ich einige Schüler brutal beiseiteschiebe, um einen Weg zu bahnen. All diese gaffenden Idioten!

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt