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Damino

Alles ist voller Menschen, die genauso wie ich nicht wissen, wohin sie müssen, und ziellos umherirren. Die Pausenklingel ertönt in der Ferne und erinnert mich daran, was ich eigentlich vorhatte. Etwas verzweifelt blicke ich den langen Flur entlang. Jemand läuft aus einem Zimmer heraus. Ich gehe auf ihn zu und bleibe kurz vor ihm stehen. "Weißt du vielleicht, ob das hier Bereich A ist?", frage ich den Jungen, der stehen bleibt. Ich hatte schon nach einem Schild oder Ähnlichem gesucht, aber ohne Erfolg. Dieses verdammte Internat. Sonst würde ich nicht nach Hilfe fragen.

"Ja, richtig. Bereich B wäre ein Stockwerk höher", antwortet er höflich und richtet dabei seine Schulbücher in den Armen. Warum erzählt er mir das? Ich wollte doch nur wissen, wo Bereich A ist. Ich nicke und folge dem roten Teppich weiter. Mit genervtem Blick auf die Zimmerschilder suche ich nach meiner Nummer. Zuerst komme ich an der Nummer elf vorbei, dann an der zehn, bis ich schließlich bei der Nummer neun ankomme.

Als ich das Zimmer betrete, ziehe ich den Schlüssel wieder aus dem Schloss. Das Zimmer ist unordentlich, überall liegen Bücher verstreut. Es gibt zwei Betten: Eines ist benutzt, das andere unberührt. Das muss dann wohl mein Bett sein, direkt am Fenster. Kein schlechter Start für einen miserablen Tag wie heute. Ich frage mich, wer mein Mitbewohner sein wird, da mir ausdrücklich erklärt wurde, dass keine Zimmer für unterschiedliche Geschlechter zusammen vergeben werden. Etwas schade, aber man kann eben nicht alles im Leben haben. Außerdem wird mein Mitbewohner mit großer Wahrscheinlichkeit in meine Klasse gehen.

Ich streiche mir über die wild gelockten Haare, und dabei fällt die Kapuze von meinem Kopf. Seufzend setze ich mich auf das kahle Bett, lasse meine Adidas-Tasche auf den dunklen Parkettboden knallen und lege den blauen Karton daneben ab. Meine Mutter hatte mich beinahe dazu angefleht, meine persönlichen Sachen in diesem Karton mitzunehmen und hier aufzubauen. Ich habe ihn nur mitgenommen, um sie zu beruhigen. Auf keinen Fall werde ich hier irgendwelche privaten Dinge aufstellen oder aufhängen.

Hätte ich gewusst, dass in einem Internat so viel los sein kann und dass man sich hier ständig verlaufen wird, hätte ich mich niemals überreden lassen. Naja, "überreden" ist vielleicht zu nett formuliert – ich wurde ohne jeden Kompromiss dazu gezwungen.

Im Wartezimmer waren so viele Schüler, dass ich die ersten beiden Schulstunden gar nicht anwesend sein konnte. Das macht mir zwar nicht viel aus, aber wenn meine Eltern davon erfahren, ist es vorbei, und sie suchen mir etwas Neues, obwohl ich diesmal nicht schuld an meiner Verspätung bin. Ich will einfach nicht weiter wie ein Hund hin- und hergeschickt werden.

Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust auf das Ganze, aber jetzt bin ich schon hier und muss mich der Realität stellen. Ich könnte abhauen, aber das würde nichts bringen. Sie würden mich um jeden Preis wiederfinden, egal, wie weit ich gehe.

Das Einzige, was mich wirklich verrückt machen wird, ist, dass die meisten Schüler hier meinen Namen kennen werden und vermutlich nur etwas mit mir zu tun haben wollen, weil meine Eltern viel Geld haben. Für sie muss ich wie ein laufender Geldbeutel wirken. Manchmal ist das sicher ein Vorteil, aber meistens kotzt es mich an. Menschen blenden sich durch Geld und können danach kaum noch geradeaus laufen. So etwas brauche ich in meinem Leben nicht.

Neben den Betten stehen Schreibtische, die gerade noch in dieses enge Zimmer passen. Auch eine Toilette und ein Waschbecken sind vorhanden. Ich vermute, dass es hier separate Duschräume gibt, was mich ärgert. Ich liebe es, lange und in Ruhe zu duschen. Meine Hände falten sich, während mein Blick auf meine Sporttasche fällt, und mir fällt ein Zettel auf, der aus einem Reißverschluss herausragt. Den hätte ich beinahe vergessen. Die Direktorin hatte ihn mir gegeben, als sie mir den Schlüssel überreichte. Ich greife danach und entfalte ihn.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt