2. Wartezimmer

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Daxton

Meine langen Finger tippen gelassen auf die Tasten meines schwarzen iPhones. Gerade als ich über den Absender meiner Nachricht drücke, wirft Asteria einen kurzen Seitenblick in meine Richtung. Sie formt stumm mit den Lippen die Frage, an wen ich schreibe. Ich reagiere nicht, sondern beginne eine weitere Nachricht, in der ich Jesslyn frage, ob sie in der Pause Zeit hat, um mir mein Buch zurückzugeben, das ich ihr über die Ferien geliehen habe. Sie wollte es unbedingt lesen, und ich wollte nicht ablehnen, obwohl ich normalerweise niemandem etwas ausleihe.

Asteria macht einen leisen Ton, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, und ich sehe kurz zu ihrem Tisch. Mit dem Mund forme ich Jesslyns Namen, damit sie mich weiterschreiben lässt, bevor Mr. Ryland Wind von uns beiden bekommt. Er ist zwar meistens nachsichtig bei verbotenen Dingen, aber beim Thema Handys ist er ganz anders. Er hasst sie regelrecht und würde sie, wenn er könnte, wohl am liebsten aus der Welt verbannen.

Es ist das Einzige, das ihn wirklich aus der Fassung bringt, und trotzdem riskiere ich, erwischt zu werden. Wahrscheinlich nur, weil mir viel an Jesslyn liegt und ich das Ganze mit dem Buch nur als Vorwand nehme, um sie sehen zu können, obwohl mich ihre Bemerkung über den Neuen schon etwas aus der Ruhe gebracht hat.

Stammtisch bei der Cafeteria? J.
Ich runzle die Stirn. Ich hatte eher damit gerechnet, dass sie einen ruhigeren Ort vorschlägt, an dem wir kurz für uns sind – ganz ohne neugierige Blicke von anderen.

Ja, passt. D.

Ich warte auf eine weitere Antwort, doch sie kommt nicht, und ich seufze innerlich. Es ist wirklich schwer, an sie heranzukommen, ohne dass es zu aufdringlich wirkt. Ich fand sie schon vom ersten Moment an faszinierend, als sie in der 10. Klasse zu uns gewechselt ist, weil sie sich an ihrer alten Schule nicht mehr wohlfühlte. Ich habe einfach keine Lust darauf, dass die anderen Schüler es mitbekommen und anfangen, über uns zu reden.

Es reicht schon, was sie bisher für lächerliche Gerüchte über unsere Gruppe verbreitet haben. Angeblich bin ich heimlich mit Asteria zusammen, obwohl sie seit Jahren mit Frances zusammen ist, und Jesslyn sei lesbisch, nur weil ihre letzte Beziehung schon lange her ist. Oft wird darüber diskutiert, ob Kyrian der Dealer des Internats ist, aber Gerüchte sind eben Gerüchte – man sollte ihnen keine Bedeutung beimessen, wenn einem die nötigen Beweise fehlen. Ich tippe eine Frage in mein Handy und schicke sie sofort ab.

Nein, uns wurde er nicht zugeteilt. Ich dachte, er wäre zu euch gekommen? J.

Erleichtert atme ich auf, als ich sehe, dass der Neue wohl in einer anderen Klasse ist, die uns beide nicht betrifft. Gerade will ich eine Antwort absenden, als jemand streng meinen Namen ruft. Ich blicke auf. Die schmalen Augen von Mr. Ryland fixieren mich, und mein iPhone, während er auf mich zukommt. „Mr. Manley, langweilen Sie sich etwa, oder wollen Sie bloß die Wirkung der Hormondrüsen nicht erlernen?", fragt der grauhaarige Lehrer höflich, bemüht, aber eindeutig unzufrieden.

Ich schüttle lächelnd den Kopf und sage: „Um ehrlich zu sein, nicht wirklich, aber wenn Sie wollen, packe ich das Handy wieder weg." Ich klinge ruhig, viel ruhiger, als er es sich wohl erhofft hat. Gerade will ich es in meine Hosentasche stecken, als er mich mit einem Wort unterbricht.

„Nein, geben Sie es bitte bei der Direktorin ab. Dieses Verhalten werde ich nicht dulden, auch wenn ich nicht so sein möchte, aber Sie lassen mir keine Wahl", fordert er mich widerwillig auf. Ich stocke. Das hat er noch nie so direkt gemacht. Ich glaube, wir als Klasse haben seine Grenzen überschritten. Asteria unterdrückt ein schadenfrohes Lächeln, als ich etwas zerknirscht an ihr vorbeigehe und das Klassenzimmer verlasse.

Ich weiß genau, was sie denkt, diese kleine, schadenfrohe Göre. Sie hatte mich vorhin immer wieder leise darauf hingewiesen, dass er mich entdeckt und sich ärgern würde. Nun hat er mich sogar zu Mrs. Emerson geschickt. Die Frau ist streng, sehr streng. Aber trotzdem mögen wir sie, weil sie auch nett sein kann, allerdings nur, wenn wir uns benommen haben. Was leider nicht allzu oft der Fall ist.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt