28. Üben

218 8 0
                                    

Damino

In meinem Buch versunken, höre ich über meine Airpods, Chase Atlantic und summe leise mit. Daxton sitzt wie ich auf dem Bett und kritzelt etwas in sein Notizbuch. Er ist sowieso ein ruhiger Typ, dennoch hat er heute noch kein Wort gesagt. Er ist nicht gesprächig und ich hätte es mir nicht besser aussuchen können. Dennoch ist er heute anders. Er wirkt in sich eingekehrt. Ja, ich bemerke sowas schnell. Ich bin manchmal auch so.

Ich sehe von meinem Buch nicht hoch, als ich mir einen der Airpods ausstecke. Ich sehe auf mein Handy. Noch zehn Minuten und dann geht der Unterricht weiter. Ich hasse Mittagsschule. Nein, allgemein mag ich die Schule nicht. Ich sehe zur Seite. Ich glaube hätte ich ihn unter anderen Umständen kennengelernt, wären wir sicher gut ausgekommen. Er scheint mir nach einem angenehmen Person zu sein.

"Alles klar bei dir?", frage ich ihn, als ich mich wieder meinem Thriller zuwende. Er sieht überrascht zu mir rüber, lässt sein Notizbuch sinken und legt den Kopf etwas zur Seite. Dann wuschelt er sich durch seine Harre. "Zwingt dich jemand dazu, mich das zu fragen?", entgegnet er mir bloß. Ich verstehe seine Reaktion. Es ist untypisch für mich, andere nach ihrem Wohlbefinden zu hinterfragen. Doch bei ihm würde es mich tatsächlich interessieren. Mir ist bewusst, dass er mich nicht mag, dennoch hatte er mir nie etwas getan. Weicht dich dieses Internat etwa auf? Nein. Ich wollte nur diese ewige Stille durchbrechen, die zwar angenehm ist, mir aber zu viel Freiraum gibt nachzudenken. Meine Gedanken können echt gemein sein. Ich meine ich habe sogar angefangen Musik zu hören, um diese vertreiben zu können.

"Du wirkst abwesend", führe ich weiter fort. Ich höre ihn kurz lachen.

"Okay Sherlock und jetzt?"

Ich zucke mit den Schultern. Soll es mir allerlei sein. Ich wende mich meinem Buch wieder zu.

"Wir können keine Freunde sein, dafür hast du zu sehr bei Asteria verschissen", sagt er in die Stille hinein. Er schützt dieses Mädchen mit seinen Leben hm? Beste Freunde sind das, würde mein Bruder sagen. Ich vermisse ihn. Emilian hat ein Gespür für die richtigen Wörter im passenden Moment. Ich hingegen schweige lieber. So wie auch jetzt. Würde er wissen, dass sie bei der Nachhilfe wegen meiner einfachen Geste lächeln musste, und ich muss sagen, ich habe sie zuvor noch nie lächeln gesehen, wäre er mir gegenüber vielleicht anders eingestimmt. Dann muss ich daran denken, wie mein Schwanz gestern über die Situation regiert hat. Ich bin noch am verarbeiten.

Ich hatte mich kurz in dem Moment verloren. Vergessen, wie ich eigentlich zu ihr stehe. Das geschieht sehr selten. Und ihre Reaktion muss ich auch noch verarbeiten. Unberechenbar, herrisch und so exakt, dass es mich tatsächlich angeturnt hatte. Lange ist mir so ein Mädchen nicht mehr über die Quere gekommen. Sie ist definitiv ein Geber und ein Nehmer. Wie sie mich angesehen hatte...

Ich muss damit aufhören. Sofort. Sie verkörpert nicht das Bild von Frau, dass ich gerne ficke und umher kommandiere. Und ich brauch das. Deshalb geht das nicht mit ihr. Niemals.

Ich lege mein Buch weg und packe meine Sachen. Kurz bevor ich das Zimmer verlasse, höre ich ihn sagen: "Lass die Türe offen, ich komme gleich nach." Dann gehe ich den Flur hinab zu den Klassenzimmern.

Im Unterricht reiße ich mich zusammen, da ich wie immer, nicht gut geschlafen hatte und das Bett viel zu weich für meinen Geschmack war. Viel lieber würde ich wie gewohnt auf dem Boden schlafen, aber ich möchte mir die Kommentare von Daxton ersparen und belasse es beim Bett. Eine Gewohnheit seit meiner Kindheit. Kalter Fußboden, etwas dreckig und hart. Ich löse mich von diesem Gedanken.

Ich halte den Blick nach vorne und höre der Lehrerin bei ihrem Vortrag zu. Da ich ganz hinten seitlich sitze, sehe ich genau was Asteria in der zweiten Reihe immer so macht. Manchmal malt sie ihre Hand mit Smileys voll, dann gibt's Tage wo sie sich ständig im Unterricht meldet und zu allen Fällen richtig liegt. Heute ist so ein Tag, wo sie dem Unterricht keine Aufmerksamkeit spendet, da sie einzelne Haarsträhnen zu flechten beginnt. Paar Minuten später ermahnt die Lehrerin sie. Sie hört auf, sieht wieder nach vorne. Hör auf sie zu beobachten, bevor es die anderen noch mitkriegen.

Als wir Fragen diktiert bekommen haben und diese nächste Woche beantwortet wieder mitnehmen sollen, beendet die Lehrerin ihren Unterricht. Kein Plan wie sie heißt, aber dass ist mich auch egal. Ich möchte nun einfach etwas essen. Der Unterricht laugt mich förmlich aus. Asteria hatte das Klassenzimmer schon verlassen, als ich meinen Rucksack schultere. Dieses Wochenende würde ich meine Familie wieder sehen und ich hätte nicht gedacht, wie sehr ich sie vermissen werde. Davor würde ich mich noch gut abschießen lassen, irgendwo auf einer Party, wo ich heute morgen von einem Mädchen dessen Namen ich mir nicht merken konnte, eingeladen worden bin. Sie hatte gemeint ich soll dass für mich behalten. Ich habe zugestimmt, da ich genau diese Art von Ablenkung brauche.

Meine Schritte befördern mich zu meinem Spind und ich öffne ihn mit meinen Lieblingszahlen die in 7777 und der Endziffer 1 angeordnet ist. Dann springt er mir entgegen und ich hole das Buch für die nächste Stunde heraus, bevor ich ihn wieder schließe. Auf dem Weg zur Cafeteria grummelt mein Magen und ich bin froh als ich das Tagesmenü erblicke. Burritos. Dazu als Nachttisch einen Schokopudding oder als Alternative eine Banane. Ich greife zu und entdecke dabei, wie Asteria sich gerade zu ihrer Gruppe hinsetzt. Sie hat ihre Harre zu einem Messybun hochgebunden und trägt noch ihre Brille, die sie sonst immer nur zu Tafelaufschrieben trägt. Ich hasse es dass zuzugeben, doch sie so unbeschwert und gelassen in Gegenwart ihrer Freunde ist, werde ich aufmerksam, da sie nie so bei mir ist. Aber auch bei ihnen sehe ich sie nicht einmal lächeln oder der gleichen tun zu wollen. Ich habe das plötzliche Bedürfnis wissen zu wollen, was sie so alles erlebt hat und wie ihre Kindheit war. Wer ihre Eltern sind und weshalb sie ausgerechnet auf dieses Internat geht. Du beobachtest sie wieder.

Ich wende meinen Blick von ihrer Freundesgruppe und setze mich nach außen zum Fenster hin. Kurz darauf setzt sich ein Mädchen neben mich.

„Hey", sagt sie. Ich sehe zu ihr. Ich kenne sie nicht. „Ist das okay wenn ich mich zum Essen neben dich setze?", möchte sie wissen, als sie ihr Tablett richtet.
Ich sage nichts und sie nimmt das als eine Zusage an. Halb bekomme ich mit, dass sie im Gespräch davon erzählt, man muss anmerken an dem Gespräch wo ich nur da sitze und zuhöre, wie toll sie doch ist und was sie alles so ausmacht. Obwohl sie nett und nicht schlecht aussieht, möchte ich nichts von ihr als Ruhe. Ich esse schweigend weiter.

Zwei Stunden später, sehe ich dem schwarzhaarigen Mädchen zu, wie sie Luca erklärt, wann er bei der Präsentation zum Schluss kommen sollte.

Er hat sich zu viel Text rausgesucht und es überzieht die Sprechzeit der Präsentation. Als ich und Asteria geübt hatten, funktionierte alles so wie es soll. Sie und ich waren beide überrascht, dass wir so schnell durch waren. Sie gab mir den Tipp langsamer zu reden und ich riet ihr dazu, den Augenkontakt nach vorne zu richten.
Ich spiele mit meinen Ringen an meinen Fingern und bin still. Die Lerntheke heute ist gut besucht und wir haben deshalb weiter hinten uns hingesetzt. Mit überkreuzten Beinen, wobei eins davon mit dem Fuß auf meinem Knie ruht, sehe ich auf meine Karteikarten nochmal. Ich erwische mich dabei, wie ich von meinen Karteikarten ablenken lasse, als Asteria ihren Dutt öffnet und ihre Haare sich in leichten Wellen niederlassen.

Wie gerne ich meine Finger in ihr Haar gleiten lassen würde und daran etwas ziehen würde. Sie hat schöne lange Haare. Und sie sind so schwarz, dass man meinen könnte, sie hätte sie so gefärbt. Sie sieht rasch zu mir, als hätte sie meinen Blick auf ihr gespürt. Ich sehe weg, wieder zu meinen Karten. Sie ist nicht mein Typ. In letzter Zeit bin einfach nur zu müde, mich nicht von belanglosen Sachen ablenken zu lassen. Nach paar Minuten sehe ich wie Luca sich zu mir setzt. Seine vielen Tattoos die sicher mehr 20 Stück wären, wenn man sie zählen würde, zeigen sich hervor. Ich habe bis jetzt genau drei Tattoos. Mein liebstes Tattoo ist aber dennoch die Schwalbe auf meiner Schulter.

„Wollen wir nochmal üben?", spricht mich Asteria an und ich sehe auf. Ihr Blick ist auf meine Karteikarten gerichtet. Dann sieht sie in mein Gesicht und kräuselt die Nase für einen Moment. Gerne würde ich wissen wollen, was sie gerade denkt, doch für sowas habe ich keine Zeit. „Wir können es nochmal durchgehen, ja", stimmt Luca zu. „Von mir aus", meine ich dann und erhebe mich vom Stuhl. Nach einer Viertelstunde verabschiede ich mich von den beiden, da Asteria bei Luca noch mal die Karteikarten durchgeht. Sie nickt mir zu und dann verlasse ich die Lerntheke hindurch zum Ausgang der Bibliothek.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt