11. Unerwartet

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Damino

Ich greife neben mich nach meinem Skateboard, ohne den Blick zu heben. Er hatte es gewollt. Ich habe es ihm angesehen, er hat es bis zu dieser Situation kommen lassen. Mit jedem Atemzug spüre ich, wie die Anspannung nachlässt, die mich vor wenigen Minuten noch fast zerrissen hätte. Ich habe alles richtig gemacht. 

„Was zum Teufel ist bloß in dich gefahren?!" Jesslyns Stimme zittert, ihre Augen glänzen feucht, als hätte nicht er, sondern sie am Boden gelegen, unter meiner Faust. Ich zucke nur mit den Schultern. 

„Er hat es drauf ankommen lassen." Meine Stimme ist ruhiger, als ich erwartet habe. Ich reibe mir über den Handballen und hebe den Kopf. 

„Du hast ihn ohne Grund niedergeschlagen!" Jesslyn klingt fast flehend, aber ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Soll ich wirklich der Auslöser dieses ganzen Dramas gewesen sein? Meine Wut, die gerade noch verraucht schien, kehrt zurück, lodert heiß in meiner Brust. 

„Du bist krank." Kyrians Stimme ist leise, aber voller Abscheu. Mit zittrigen Fingern rückt er seine verbogene Brille zurecht, während das schwarzhaarige Mädchen sein Gesicht mustert, als hätte ich ihm mit einem Messer zugesetzt und nicht bloß mit der bloßen Hand. Mein Griff um mein Skateboard verstärkt sich, meine Knöchel werden weiß. Ich zwinge mich, ihm nicht noch einen Schritt näher zu kommen, noch ein Schlag würde seinem Großmaul nicht schaden. 

„Hör auf", knurrt er plötzlich. Aber nicht mir, sondern der Blauäugigen, deren Namen ich noch immer nicht kenne. Er schiebt ihre Hand beiseite, als sie ihn berühren will, und sie wendet abrupt den Blick zu mir. 

Ihre Gesichtszüge sind angespannt, hart. Erst jetzt, aus nächster Nähe, sehe ich, wie makellos ihr Gesicht eigentlich ist. Nur ein einziger Schritt trennt uns. 

„Verschwinde von hier!" Ihre Stimme ist laut, fast ein halber Schrei. Doch ich bleibe ungerührt, sehe sie nur an. Seltsam. Ihr Zorn amüsiert mich. Diese kraftvolle Stimme passt nicht zu ihrem weichen Gesicht. 

Zwischen ihren dichten Augenbrauen bildet sich eine kleine Zornesfalte. Sie war mir nicht einmal so nahe gewesen, als sie mich gestern vor der Klasse angefaucht hat, aus einem Grund, den ich bis heute nicht verstehe. Doch ihre plötzliche Nähe irritiert mich mehr als ihre Worte. Ich fange mich schnell und lächle. 

„Ich habe genauso das Recht, hier zu sein, wie du." Mein Ton ist locker, aber laut genug, um sie zu provozieren. 

Ihr Blick wandert an mir herunter, bleibt an meiner blutverschmierten Hand hängen. Reflexartig stecke ich sie in meine Jeanstasche. Kyrian lacht leise. Jesslyn tritt näher an das wütende Mädchen heran, als würde sie ahnen, was als Nächstes passieren wird und es verhindern wollen. 

„Recht?" Ihre Stimme überschlägt sich fast, während sie mir jedes Wort voller Inbrunst entgegenschleudert. Es klingt wie eine Drohung. Ich verziehe leicht das Gesicht. 

Was will sie schon tun? Mich mit ihrem Skateboard schubsen? Mich weiter anschreien? So dumm. Und dennoch so schön, dass man fast Mitleid mit ihr haben könnte. Ich spüre, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen schleichen will, aber ich lasse es nicht zu. Sie soll nicht wissen, dass mich ihr Verhalten amüsiert. 

„Oder-" 

Jesslyn greift nach ihrem Arm, zieht sie ruckartig von mir weg. 

„Lass das", warnt sie mit leiser Stimme. Doch die Schwarzhaarige starrt sie nur voller Zorn an. 

Daxton, Taylan und Kyrian stehen abseits und beobachten uns. Sie wissen wahrscheinlich nicht, was sie tun sollen. 

Die Schwarzhaarige reißt sich los, ihr Blick ist voller Entschlossenheit. Sie tritt wieder einen Schritt näher an mich heran. 

„Du wirst hier nicht nur mit blutenden Händen rauskommen", zischt sie, und ich runzle die Stirn. 

Ach, großartig, noch ein Großmaul. Und dabei hatte ich gerade angefangen, sie interessant zu finden. 

„Ist klar", murmle ich ungläubig und wende mich ab. Ich will noch ein paar Minuten skaten, bevor ich gehe. Ich brauche dringend Schlaf. Ich hätte diesen Thriller nicht in einer Nacht durchlesen sollen , jetzt reizt mich einfach alles doppelt so sehr. 

Doch so weit komme ich gar nicht. 

Plötzlich spüre ich einen kräftigen Stoß in meinen Rücken. 

Ich bleibe abrupt stehen, mein Körper spannt sich an. Wer von diesen Idioten hat es gewagt? Mit zusammengepressten Lippen drehe ich mich um und sehe direkt in ihre blauen Augen. 

„Bist du so feige?", faucht sie. 

Sie ist mir so nah, dass ich fast auf ihre Schuhe trete. Und wieder überrascht mich ihre Nähe. 

Sie schubst mich erneut, diesmal mit beiden Händen gegen die Brust. Ich stolpere einen Schritt zurück. 

„Asteria!" Daxtons Stimme schneidet durch die Spannung. 

Mein Blick heftet sich auf ihr Gesicht. 

Asteria. 

Ein schöner Name. Schade, dass sie ihn mit diesem Bild von sich zerstört hat. 

„Halt dich da raus, Daxton", faucht sie, doch er tritt einen Schritt auf sie zu. 

„Nein, du hörst mir jetzt zu", entgegnet er ruhig. „Lass es einfach. Mach es nicht noch schlimmer. Er ist ein Vollidiot, ja, aber das wird sich nicht ändern. Komm schon." 

Kyrian nickt zustimmend. Taylan ebenso. 

Doch Asteria ist nicht bereit, nachzugeben. Ihr Blick ist voller Wut, ihr Körper angespannt. 

Und dann geht alles ganz schnell. 

Ein greller Schrei von Jesslyn. Ein harter Aufprall. 

Ihre Faust trifft meine Wange mit voller Wucht. 

Ein stechender Schmerz schießt durch meinen Kiefer. 

Ich taumle nicht, aber der metallische Geschmack von Blut breitet sich sofort in meinem Mund aus. 

Daxton reißt sie von mir weg, hält sie fest, doch sie windet sich in seinem Griff. 

Ich taste über meine Wange, mein Puls hämmert. Sie hat wirklich zugeschlagen. Und es tat tatsächlich weh. 

Plötzlich ist da nichts als blinde Wut. 

Ich mache einen Schritt auf sie zu, aber eine Hand umklammert meinen Arm. Jesslyn. 

„Damino, wir sollten gehen", flüstert sie und zieht an mir. 

Ich reiße mich los. 

„Fass mich nicht an!" 

Sie zuckt zusammen, ihre Augen weiten sich. 

Ich spüre ihren Blick auf mir, voller Unsicherheit. Doch es ist mir egal. 

Mein Blick ist wieder auf Asteria gerichtet. 

Gerade als ich loslegen will, reißt mich eine fremde Stimme aus meiner Wut. 

„Was zum Teufel geht hier vor sich?" Ein Mädchen mit blauen Haaren und ein Junge an ihrer Seite kommen auf uns zu. Asteria beginnt wild zu zappeln. „Lilac! Accio! Macht diesen Typen fertig!" 

Ich lache höhnisch. Lächerlich. 

„Wir beenden das jetzt", raune ich schließlich und trete zurück. „Ich gehe." 

Asteria atmet schwer. „Komm nie wieder her." 

Ich verdrehe die Augen. 

„Hatte ich auch nicht vor." 

Als ich die Straße entlanggehe, merke ich, wie sich meine Wut langsam verflüchtigt. Aber in meinem Kopf bleibt nur eine Frage hängen: 

Warum hat sie mich so gehasst?

Hey friendsss, wie findet ihr das Kapitel? Oder eher gesagt, wie findet ihr Damino? Zu grob oder doch verständlich? Würde mich auch interessieren, was ihr denkt, wie seine Hintergrundgeschichte gewesen sein könnte.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt