37. Verschneite Bäume

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Damino

"Aber was ist denn der ausgebende Grund für so einen Wechsel?", fragt mich der alte Mann. Ich krümme mich bei seiner Frage. Ein Mädchen, das meint mich seit Anbeginn des Schuljahres nicht mögen zu wollen. Ein Mädchen, dass mir wie kein anderes Mädchen zuvor widerspricht und die kalte Schulter zeigt.

"Wir hatten einen Konflikt und es funktioniert einfach nicht mehr so wie zu Beginn", sage ich dann ausweichend. Mr. Ryland nimmt einen Kugelschreiber in die Hand und tippelt ihn gehen die Tischfläche. Ein langsamer gelassener Rhythmus. Ruhig und fokussiert. Das komplette Gegenteil von dem, wie es in mir drinnen vorgeht.
Ich hatte gestern das Zimmer nach der Auseinandersetzung verlassen, nachdem Asteria stumm geworden war. Ich hatte es nicht mehr ausgehalten. Die Stille, die leeren Blicke die sie mir zuwarf und die Antwort, die nie kam.

Es stört mich. Nicht weil ich mit ihr unbedingt befreundet sein will, aber diese Option scheint mir einfacher. Ihr Dasein verfolgt mich und dass sie mir die Nachhilfe wöchentlich gibt, bessert dieses Verhältnis nicht. Ich bin gut im Ignorieren von Menschen und ihren Handlungen. Ich kann mich gut aus Angelegenheiten raushalten. Doch mit ihr, brennen mir die Finger vor Wut. Sie tut etwas und sofort stört es mich. Ich versuche es zu verdrängen, doch es gelingt mir einfach nicht. Dass sie sich mit diesem ekelhaften Typen angelegt hat, stört mich. Dass sie denkt, ich sei ein reicher Sack den nichts kümmert, stört mich. Dass sie versucht hatte mit mir etwas anzufangen, um dann abschließen zu können, stört mich.

Dieser Fakt macht mich nur noch rasender. Ich will meine Gedanken nicht mehr an sie verschwenden. Ich will nicht mal mehr in ihrer Nähe sein und ihr zusehen, wie sie sich das zerfranste Pony zur Seite schiebt. Ich hatte es Anfangs versucht und mich bemüht ihr gegenüber nicht das größte Arschloch zu sein. Um letztendlich sie sagen zu hören, dass sie sich für ihr Image nicht leisten kann, sich mit mir gesehen zu werden. Obwohl es anderes herum sein hätte müssen.

Sie wird von den anderen mit großen Münder beäugt. Ihre ganze Truppe wird von den anderen Klassen schief angeschaut. Alle schauen ihnen nach und reden über sie. Ich hingegen, bin derjenige, der die Mädels scharf macht und die Jungs auf Abstand hält. Nicht, dass ich gewollt die Aufmerksamkeit der Schülerinnen haben wollte. Außer es ist etwas unverbindliches. Dann kommt es mir gelegen, um mir eine Auszeit von meinen Gedanken zu nehmen.

"Wie alt sind Sie Mr. Remington?", höre ich die Stimme vor mir fragen. Seltsame Frage. Er hatte bis jetzt gewartet ob ich meiner Aussage noch etwas zuzufügen hatte. Ich lehne mich weiter in die Lederlehne zurück. Ich will meine Antwort äußern, doch genau in diesem Moment, stürmt Daxton panisch in das Büro. Er geht auf den alten Lehrer zu und bleibt unbeholfen stehen. "Mr. Ryland, ich habe Sie gesucht! Kommen Sie bitte, es geht um Asteria. Sie...", sagt er und beendet den Satz nicht. Der Lehrer erhebt sich von seinem Drehstuhl und lässt den Stift los.

"Was ist passiert?" Seine Stimme klingt nun ganz fokussiert und laut. So als ob er den Ernst der Lage, genau einschätzen kann. Ich bleibe sitzen. Sicher hatte sie wieder Flausen im Kopf und sich mit jemanden angelegt, der auf Streit aus war. Oder sie hatte sich zugedröhnt und schleift sich nun durch die Flure. Das alles soll mir egal sein. Ich habe mich viel zu lange mit diesem Mädchen auseinander gesetzt. Nun ist gut. Ich sinke noch weiter in die Lehne und greife zu meinem Skateboard. Jetzt habe ich gleich Mittagspause und könnte paar Runden damit drehen.

"Nur Sie können helfen, sie will nicht hören", sagt Daxton, als er das Büro verlässt und am Türrahmen anhält. "Ich komme sofort. Wo ist sie?", höre ich den Lehrer fragen. Warum sorgt er sich so sehr für sie? Sie ist seine Schülerin, dass verstehe ich, aber ich finde seine Reaktion etwas übertrieben. Sein Blick prüft mich streng und er sagt knapp: "Wir sind noch nicht fertig. Sie warten hier." Ein Seufzen entfährt mir. Selbst in ihrer Abwesenheit schafft sie es, mir meinen Tag zu vermiesen. Ich nicke und er verlässt gemeinsam mit Daxton das Büro. Nun bin ich alleine. Ich könnte seine Unterlagen durchsuchen oder ihm Streiche spielen, aber das tue ich nicht. Ich bin gerade nicht in Stimmung.

Ich packe mein Handy aus der Hosentasche und scrolle durch meinen Instafeed. Eine Nachricht poppt auf und ich lese sie mir durch.

Hey du Hübscher! Nach dem jährlichen Spiel gibt es eine Afterparty bei mir. Ich kann dir meine Adresse zuschicken, wenn du Bock hast. M.

Ich verdrehe meine Augen. Mia. Sie ist noch nicht ganz darüber hinweg, dass wir nicht gefickt hatten. Ich hatte sie an der Halloweenparty sitzen lassen. Und wem hattest du das zu verdanken?

Meine Finger umklammern das Handy fest und ich sehe raus aus dem Fenster. Aufgrund von Asteria komme ich nicht mal mehr dazu, mich frei zu vögeln. Eigentlich sollte ich zusagen und nachholen, was ich ursprünglich vorhatte. Mia ist hübsch, schlank und klug genug um zu wissen, dass ich es nur ein Mal mit ihr treiben möchte. Sie holt sich das, was ich ihr eigentlich anbot, als sie mich auf die Party mitnahm. Ich sollte mich wieder auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren.

Hey. Wann findet dieses Spiel nochmal statt? Ich wäre dabei. D.

Mit diesen Worten schicke ich die Nachricht ab und stehe auf, um aus dem Fenster zu sehen. Mein Blick erfasst Bäume die mit Schnee bedeckt sind. Dann entdecke ich auf dem Campus eine Meute an Schüler und Schülerinnen. Ich versuche auszumachen, was geschieht, doch sie bedecken die Menschen in der Mitte. Nun entdecke ich Mr. Ryland der an der Seite sich den Weg frei bahnt. Er wirkt aufgebracht. Ich verdrücke mir ein Lächeln. Ich habe ihn selten so wütend gesehen. Ich lehne mich näher ans Fenster und sehe dem Haufen zu. Mein Handy vibriert und ich sehe nach, wer mir geschrieben hat.

Diesen Freitag. Meine Adresse schicke ich dir gleich. Ich freue mich auf dich! M.

Ich nicke und stecke das Handy wieder ein, um wieder raus sehen zu können. Plötzlich durchgeht mich der Gedanke, dass Asteria auf dem Boden liegen könnte und Jack sich über sie beugen könnte. Ich nähere mich dem Fenster so nahe, dass ich mit der Stirn gegen das Glas anstoße. Sie würde doch nicht so dumm sein und sich ein weiteres Mal auf ihn einlassen. Ich beobachte wie der Haufen sich teilt, als Mr. Ryland mit den Armen umher gestikuliert. Dann mache ich einen breiten Jungen aus. Aus seiner Nase rinnt Blut und sein Auge hat er zusammengekniffen. So als ob er damit versucht den Schmerz zu lindern, dass ihm wahrscheinlich zugefügt wurde. Ich erkenne nun ein weitere mit Kapuzenpulli versteckte Gestalt, die direkt über ihn lehnt. Daxton zerrt am Pulli dieser Person und versucht sie von dem Jungen runterzubekommen.

Dann sieht dieser Junge in meine Richtung und ich erkenne ihn. Er hatte bloß so ein verdroschenes Gesicht, dass ich ihn zu Anfang nicht erkannt hatte. Eine Gänsehaut durchgeht mich. Jack. Der Junge, der Asteria zu Boden gedrückt hatte, liegt komplett wehrlos auf dem Boden. Die Person hält mit beiden Händen seinen Hals zu und bewegt sich nicht fort. Erst als Mr. Ryland nach den Händen der Person greift, lässt diese los. Als Nächstes erhebt sich die Gestalt und bahnt sich eilig mit gesenkten Kopf, aus der Meute heraus.

Ich verfolge das Geschehen im Stillen, bis es bei mir Klick macht. Das muss Asteria gewesen sein. Es kann nur sie gewesen sein. Ich sehe nochmal aus dem Fenster. Mr. Ryland übergibt den Jungen an eine dazugekommene Krankenschwester und sieht in Richtung Eingang. Doch das Mädchen mit den schwarzen Haaren ist weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Die Schüler teilen sich wieder auf und stampfen sich den Weg zurück zum Eingang. Daxton hilft der Krankenschwester und dann sehe ich weg.

Ich weiß ganz genau wohin sie gegangen ist. Ich greife nach meinem Skateboard und verlasse das Büro unauffällig. Mr. Ryland werde ich erzählen, dass ich das Gespräch auf ein anderes Mal verschieben werde. Auch wenn das seine Folgen haben wird. Die brennende Neugier, lässt mich nicht mehr klar denken. Ich muss sie finden. Bevor es jemand anderes tun konnte.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt