20. Samstagmorgen

261 10 1
                                    

Asteria

"Ich habe dir einen Kaffee mitgenommen", sage ich, als ich ihr den geriffelten Becher neben dem Bett abstelle und mich bedacht zu ihr setze. Die Türe schließt sich im Hintergrund, als ihre Mitbewohnerin das Zimmer verlässt, die mich eben noch reingelassen hat. Sie dreht sich zu mir und reibt sich über ein Auge, während sie zu mir sieht. "Hast du was gegen Kopfschmerzen dabei?", fragt sie halb im Schlaf.

Ich greife in meine Jackentasche und hole eine angefangene weiße Packung Tabletten heraus. "Die sollten helfen." Jesslyn nimmt sie und rappelt sich mit den Armen hoch. Dann zischt sie leise auf und hält sich die Stirn. "So schlimm?", frage ich nach und sie nickt. Sie greift nach dem Kaffee und schluckt zwei Tabletten auf einmal runter. "Habe ich zu viel getrunken?", möchte sie von mir wissen und nimmt weitere Schlucke vom brühenden Getränk. Es hat morgens in der Früh, ein Samstag und es wurde über die Nacht kälter. Ich habe mir meine dickste Jacke rausgesucht und mich sofort auf dem Weg zu Jess gemacht.

Ihre Augen wirken verschmiert und ihre Haaren stehen ihr von der Seite ab. Ihr Blick ist müde und verschleiert. "Daxton und Kyrian meinten dass du nur alkoholfreie Getränke getrunken hast." Ich streiche über ihren Arm. Sie sieht meiner Bewegung nach und verharrt. "Du kannst dich an nichts mehr erinnern oder?", frage ich nach einer stillen Minute. Sie nickt. "Nur noch dass ich viel Spaß hatte und dann mit jemanden rumgemacht habe, ab da weiß ich nicht mal mehr, wer mich hier hoch gebracht hat." Ich seufze und straffe meinen Rücken. "Könntest du mir das Gesicht von demjenigen ausmachen?"

"Er war größer als ich, aber an sein Gesicht erinnere ich mich nicht mehr, dafür war es zu dunkel", sagt sie ernüchternd. Diesmal seufzt sie. "Egal, es war halt irgend ein Typ und ich habe mich wohl einfach betrunken, als ihr außer Augenschein wart." Sie schiebt die Decke zur Seite und möchte aufstehen, doch sie wippt etwas zur Seite. Ich reagiere schnell und ziehe sie zurück auf das Bett. Sie brummt leise auf und hält sich die Hände an die Stirn. "Bleib liegen, du musst erstmal viel schlafen, ich kann die Krankenschwester zu dir hoch rufen", biet ich an. "Nein, musst du nicht", sagt sie und schaut auf ihre Hände. Sie beugt ihre Finger um ihre lackierten Nägel zu betrachten. "Jess, lass dich wenigstens abchecken." Ihr Blick richtet sich wieder auf mich. "Na gut", nickt sie ein.

"Ich bleibe übers Wochenende hier, du auch?", möchte ich wissen. "Nein, ich muss übers Wochenende nach Hause, deshalb hoffe ich, dass es nichts ernstes ist und ich danach gehen kann. Meine Mutter würde mir den Arsch aufreißen wenn ich nicht zu Besuch kommen würde, du kennst sie doch", sagt sie. Ich nicke. Ihre Mutter ist sehr gläubig und möchte sie übers Wochenende zuhause haben, um mit ihr am Sonntag auf den Gottesdienst gehen zu können und sie allgemein besser im Auge behalten zu können. Oft hatte Jesslyn ihr klar machen wollen, dass sie zwar an Gott glaubt doch nicht regelmäßig dafür in die Kirche gehen will. Nachdem Gespräch ist ihre Mutter an die Decke gegangen und hat ihr verboten so über dieses Thema zu reden oder sogar denken zu können.

"Ja du hast recht, möchtest du dass ich dir noch Wasser oder ähnliches bringe, bevor ich frühstücken gehe?"

Sie legt die Hände auf meine Schulter zieht mich näher an sie ran und sagt:"Ich brauche nichts, sei nicht so fürsorglich und geh endlich was essen." Ich lächle etwas und umarme sie leicht bevor ich ihr Zimmer verlasse und dann der Krankenabteilung Bescheid gebe nach ihr zu sehen.

"Wenig los hier", bemerkt Lilac und ich stimme ihr tonlos zu. Ich setze mich neben ihr, wobei ich versuche nicht das vollbeladene Tablett mir aus den Fingern entgleiten zu lassen. "Hast du etwas aus ihr herausbekommen oder erinnert sie sich an nichts mehr?", fragt mich das zierliche Mädchen, wobei sie einen kleinen Löffel von ihrer Müsli Schale nimmt. Ihre Haare schimmern helles blau, die von der Morgen Sonne bestrahlt werden. Ich schüttle stumm den Kopf und packe das belegte Sandwich aus der Verpackung heraus. "Denkst du man hat ihr etwas ins Getränk geschüttet?"

Ich sehe überrascht zu Seite. Ich habe diesen Gedanken noch nicht in Betracht genommen. Aber wer würde so eine Tat begehen wollen? Jesslyn hat keine mir bekannten Feinde, die es auf sie abgesehen haben könnten. Jesslyn ist pure Perfektion in Person und die Art von Mensch, die man schlecht nicht mögen kann.

"Gute Frage", meine ich nach paar Sekunden später. "Ich würde es aber nicht verstehen wollen, falls es tatsächlich der Fall wäre." "Du hast recht, es wäre ziemlich seltsam, wenn es jemand auf sie abgesehen hat", sagt sie und fährt sich durch die zurecht geschnittenen Haare. Lilac packt ihr Handy heraus und tippt darauf herum, womit ich annehme, dass ich weiter essen kann. Nach mehreren Bissen schweift mein Blick der Cafeteria nach draußen auf den Eingangsbereiches des Campus. Es ist ruhig und nur einzelne Schüler überqueren den frisch gemähten Rasen. Ein friedlicher Herbsttag, wäre in meinem Kopf nicht ständig das Thema der Wiederkehrung meiner Mutter und das Gespräch dass sie wahrscheinlich mit mir führen will. Ich schaue wieder raus.

Mein Blick bleibt an jemanden hängen, die Person bindet gerade seine Schuhe und scheint konzentriert zu sein. ich stütze mein Kinn auf meiner Handfläche ab und schweife mit den Gedanken ab. Er hebt seinen Blick, so als ob er mich beim beobachten bemerkt hat und richtet den Blick von weiter Ferne auf mich, direkt durchs große Fenster. Ich zucke und lasse meine Hand wieder sinken. Ich reiße meine Augen von ihm und blicke zu meinem Sandwich. "Mistkerl", flüstere ich leise kommentierend. Dann fährt ein großer schwarzer Porsche nahe des Tors und hält an. Damino sieht ein letztes mal zu mir und geht dann auf das wuchtige Auto zu bevor er einsteigt und es davon fährt.

"Wie findest du ihn?" Ich runzle die Stirn. "Was meinst du damit?", möchte ich von ihr wissen. Lilac hebt eine Braue. "Du weißt genau wie ich das meine, ich weiß von Daxton, dass du wieder Single bist." Ich mache eine abwinkende Handbewegung. "Das heißt nicht, dass ich mich an den nächstbesten ranschmeißen werde", sage ich. Sie zuckt mit den Schultern. "Ich meine nur, du bist seit er hier angekommen ist, ziemlich auf ihn fixiert, aber das ist auch nur meine Meinung."

"Ich kann ihn einfach nur nicht leiden, das ist alles", erkläre ich mein Verhalten und füge an, "das geht dich aber auch nicht groß was an nebenbei gesagt." Mir ist ihre Aufdringlichkeit aufgefallen. Sie hebt die Hände in die Höhe. "Ich wollte bloß fragen, ich müsste jetzt aber sowieso los, mein Dad holt mich gleich ab." Sie winkt mir zum Abschied und ich nicke bloß.

Den Rest des Tages verbringe ich damit zu lernen und mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich die aus der Sache mit meiner Mutter wieder rauskommen kann ohne sie davor sehen zu müssen.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt