Asteria
Ich erschaudere beim Anblick seines Gesichtes. Er wirkt vollkommen mitgenommen und mich umschlingt das Gefühl von Schuld. Er ist meinetwegen so. Ich möchte das nicht. Das war nicht meine Intention.
Meine Hand streicht sanft seine nasse Wange, während er zu mir aufsieht und die Stirn in Falten gelegt hat. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der emotionslos und zugleich so emotional sein konnte, wie ihn.
Er greift nach meiner Hand, legt sie zur Seite, wobei seine letzte Träne versiegt und wendet den Blick von mir ab. Irritiert sehe ich zu ihm, als er sich vom Boden erhebt und sich zur Hälfte von mir wegdreht und zur Türe sieht.
"Was ist los?", frage ich beklommen. Unbeholfen streiche ich über die makellos glatte Bettdecke, auf denen kleine goldene Schmetterlinge gepaart mit Blumen abgebildet sind. Ich erkenne wie er sich mit einer Hand über sein Gesicht streicht und schwer ausatmet.
"Das letzte Mal, als ich weinen musste, hatten böse Jungs, meiner liebsten Schwalbe den Kopf eingetreten."
Meine Hand versteift sich um den seidigen Stoff der Bettdecke und ich fühle mich auf einmal befangen. Misshandlungen an Tieren lassen mich immer wieder aufs neue an der Menschheit zweifeln. Sie sind wehrlos, unschuldig und in den meisten Fällen ungefährlich für den Menschen. Es sind die Menschen, die die Tiere bedrohen. Nicht umgekehrt.
Ein plötzlicher Drang befällt mich, um ihn nach seiner Kindheit auszufragen und wer diesen bösen Jungs waren, doch ich unterstehe mich, diesem Drang nachzukommen.
"Das tut mir leid", sage ich mit belegter Stimme, da auch mir nun Tränen zu drohen scheinen.
"Dass muss es nicht, von da an, habe ich gelernt niemanden vertrauen zu können."
Sein Rücken ist immer noch zu mir gekehrt. Ich kräusle die Nase und puste mir mein zerfranstes Pony aus dem Gesicht. Eine Weile vergeht und ich höre der Wanduhr beim ticken zu.
"Das müsse bedeuten, dass du mir vertraust?", versuche ich zu resultieren. Nun dreht er sich zu mir in gefasster Mimik, als hätte er nicht zuvor weinen müssen. Er steckt seine Hände in seine Hosentaschen.
"Nein. Du hast mir etwas anvertraut. Und damit hast du mich überrascht", erklärt er gelassen.
"Warum?", möchte ich dümmlich wissen. Ich kann ahnen warum er mir das nicht zugetraut hat, aber ich möchte es aus seinem Mund sagen hören. Er legt den Kopf schief und lächelt abgehackt. Ganz so, als ob er nicht glauben könnte, dass ich ihm eben diese Frage gestellt habe.
"Du weißt weshalb, du willst es mich nur sagen hören", spricht er meine Gedanken aus und ich fühle mich ertappt. Sein Blick studiert meinen. Die Stimmung hebt sich und ich habe nicht mehr den Drang weinen zu wollen.
Ich knicke unter seinem beständigen Blick ein und sehe zu meinen Händen, die immer noch die Decke glätten, obwohl es dort nichts glatt zu streichen gibt. Dann fällt mir wieder etwas ein und ich sehe wieder zu ihm auf. Themenwechsel.
"Du meintest, dass wenn ich dir etwas anvertraue, du mir im Gegenzug auch etwas anvertraust", erinnere ich ihn an sein Angebot, dass er mir im Wohnzimmer gestellt hatte. Ich kann mir das freche Grinsen, welches sich auf mein Gesicht geschlichen hat nicht unterdrücken. Wahrscheinlich ist er davon ausgegangen, dass ich sein Angebot vergessen oder überhört hätte. Aber nicht mit mir.
Sein Lächeln kehrt zurück. Das kleine Abendlicht erhellt sein Gesicht und wirft kleine Schatten auf. Er macht einen Schritt auf mich zu und ich kann nicht anders, als mir meine Unterlippe zwischen meine Zähne zu klemmen, um nichts dummes zu sagen. Wenn ich ihn mir so ansehe, bemerke ich sehr wohl, wie schön sein Gesicht ist. Vor allem gefällt mir sein kleiner funkelnder Nasenpiercing. Aber das behalte ich für mich. Erst jetzt bemerke ich, als er noch näher tritt, dass er eine kleine Narbe an seiner Unterlippe hat. Als ob er sich beim Essen einmal verbissen hätte. Diese Geschichte würde ich gerne hören. Mir entgeht auch nicht, wie er mich ansieht und am liebsten würde ich unsere Vorgeschichte über Bord werfen und ihn bitten, mich über die hohe Bettkante zu legen.
DU LIEST GERADE
𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆
Romance"Beantworte meine Frage", verlangt er nun. Er klingt nicht so, als ob er davon ablassen würde. Seine Arme hat er neben mir abgestellt und verwahrt mir dadurch die Flucht. "Was wird passieren, wenn ich es nicht tue? Dir keine Antwort gebe?" Er kommt...