Damino
Das eingravierte Muster, meines Ringfingers zeigt wieder nach oben, und ich erkenne den Drachen darauf. Mit gehobenem Blick starre ich nach vorn, während meine Gedanken zu den vorherigen Unterrichtsstunden abschweifen. Hätte ich geahnt, dass ich im selben Kurs wie das Mädchen mit den blauen Augen landen würde, hätte ich mich in gar keinen Kurs eingeschrieben. Sie hat mich ignoriert, und ich habe sie ignoriert, seit ihrem unerklärlichen Wutausbruch gestern kann ich sie nicht einschätzen. Deshalb halte ich mich von ihr fern, was eigentlich nicht meine Art ist.
Noch nie zuvor war ein Mädchen so wütend auf mich und das ganz ohne Vorwarnung.
Und als wäre das nicht schon genug, hat es mich genervt, dass sie bei der vierten Frage genau die gleiche Meinung hatte wie ich. Ich will nicht, dass jemand wie sie genauso denkt wie ich. Das würde den falschen Eindruck erwecken, dass wir uns verstehen. Dabei ist das Gegenteil der Fall, was mich nur noch mehr beschäftigt. Ich schaue auf meine Hände und atme langsam aus.
„Hey", höre ich eine Stimme und bemerke, wie ein Mädchen mit lockigen Haaren eilig auf mich zukommt, ein Skateboard in der Hand. Seufzend ziehe ich meine Kapuze tiefer ins Gesicht. Ich nicke ihr nur kurz zu, stehe auf und greife nach meinem eigenen Board, das ich unter meinen Arm klemme.
„Wartest du schon lange?" fragt sie freundlich, während ich auf den Ausgang zusteuere und sie neben mir herläuft.
„Nein", antworte ich wahrheitsgemäß und drücke mit meiner freien Hand die schwere Tür auf. Ich hoffe für sie, dass der Skatepark groß genug ist, damit ich ihr aus dem Weg gehen und nie wieder mit ihr reden muss. Eigentlich schade, sie ist hübsch, und man könnte sicher Spaß mit ihr haben. Aber sie redet zu viel, und das geht mir gewaltig auf die Nerven. Deshalb bevorzuge ich stille, unkomplizierte Mädchen, die nichts Festes von mir erwarten, nur Vergnügen. Leider passiert das nüchtern nicht allzu oft.
„Okay", meint sie erleichtert und folgt mir, als ich mich durch den Gang kämpfe. Ich spüre, wie mehrere Schüler uns nachsehen, also halte ich meinen Blick gesenkt und versuche, niemanden anzurempeln. Meine Schritte werden schneller. Wahrscheinlich denken alle, dass wir zusammen sind, nur weil Jesslyn neben mir herläuft.
Am liebsten würde ich auf sie zugehen, sie am Kragen packen und ihnen entgegenschreien, dass sie sich um ihren eigenen Scheiß kümmern sollen. Aber ich will keine Aufmerksamkeit erregen. Es kostet mich Überwindung, diesen Gedanken fallenzulassen und einfach weiterzugehen, ohne mich umzudrehen.
„Sie starren dich alle an", bemerkt sie, als ich die beiden dunklen Holztüren aufdrücke. Ein kühler Herbstwind streicht um mich, und ich atme tief aus. Sie holt mich wieder ein.
„Sag bloß", zische ich und verziehe leicht den Mund.
Sie stößt mir spielerisch den Ellbogen in die Seite. „Sei doch nicht so, die beneiden dich nur."
Ihr lautes Lachen widert mich an und lässt mich kurz aufblicken.
„Du hast keine Ahnung", erwidere ich kalt. Sie verstummt, als ich ihr ernst in die Augen sehe.
Reichtum hat viele Vorteile, aber glücklich macht er nicht. Ein Gedanke, der mich seit meiner Kindheit nicht loslässt.
Schweigend gehen wir weiter über den Campus, bis wir ein verziertes Tor erreichen. Ich drehe mich zu ihr. „Wohin jetzt?"
„Folg mir einfach", sagt sie und läuft voraus. Ich nicke, auch wenn sie es nicht sieht.
Wir verlassen das Gelände. Mein Blick wandert in den bewölkten Himmel, der die Sonne fast vollständig verdeckt. Nur ein paar Strahlen dringen zu mir durch. In ein paar Stunden wird es dunkel sein, und ich werde ihre Wärme nicht mehr spüren. Ich fahre mir müde übers Gesicht – mein Schlafmangel macht sich bemerkbar. Diese verdammten weichen Kissen und viel zu bequemen Betten. Heute Nacht werde ich einfach auf dem Boden schlafen.
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𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆
Romantiek"𝑺𝒂𝒈 𝒎𝒊𝒓, 𝒘𝒊𝒆 𝒅𝒖 𝒅𝒊𝒄𝒉 𝒇ü𝒉𝒍𝒔𝒕", höre ich seine Stimme, leise und eindringlich. Ich suche nach einer Antwort, doch mir fehlen die Worte. Sein weiterer Stoß wird tiefer und ich stöhne ein weiteres Mal widerwillig. "Wenn du mir nicht...