10. Wenige Sonnenstrahlen

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Damino

Ich drehe den Ring an meinem Finger um, so dass das Eingravierte wieder zu mir hoch zeigt und ich den Drachen darauf wiedererkennen kann. Mit hebenden Blick sehe ich nach vorne und warte ab, solange meine Gedanken zu den vorherigen Unterrichtsstunden zurück schweifen. Hätte ich jemals geahnt, in den selben Kurs zu landen, wie das Mädchen mit den blauen Augen, hätte ich mich in keinen der Kurse überhaupt eingeschrieben. Sie hat mich ignoriert und ich habe sie ignoriert, da ich sie nach ihrem unerklärlichen Wutanfall gestern, nicht einschätzen kann und aus diesem Grund mich von ihr fernhalten will, was eigentlich nicht meine Art ist. Ich muss aber auch zugeben, dass mir zuvor ein Mädchen, noch nie so wütend gegenüber war, ganz ohne Vorwarnung.

Und sowieso hat es mich angekotzt, wie sie bei der vierten Frage, genau der gleichen Ansicht war, wie ich. Ich will nicht, dass ein Mädchen, wie sie, genauso denkt wie ich, da es sonst wirkt, als würden wir uns verstehen. Natürlich das komplette Gegenteil, was mir deshalb noch mehr zu denken gibt, als schon sonst. Ich schaue wieder zu meinen Händen runter und ziehe die Luft lang aus.

"Hey", höre ich jemand sagen und bemerke, wie das Mädchen mit den gelockten Haaren auf mich eilig zu geht, dabei ein Skateboard in der einen Hand hält. Seufzend ziehe ich mir meine Kapuze tief in mein Gesicht runter. Ich nicke ihr zu und erhebe mich von dem Sessel, greife dabei neben mich zu meinem Board, dass ich unter meinem Arm klemme. "Wartest du schon lange?", fragt sie mich nett, wobei ich auf den Ausgang zu steuere und sie neben mir nach läuft.

"Nein", sage ich wahrheitsgemäß und öffne mit der freien Hand die schwere Tür vor mir. Ich hoffe für sie, dass dieser Skateplatz groß genug ist, um ihr entfliehen zu können und nie wieder mit ihr reden zu müssen. Eigentlich schade, da sie schon hübsch ist und man sicher viel Spaß mit ihr haben könnte, würde sie nicht so viel quasseln und mir somit gewaltig auf die Nerven gehen. Genau aus dem Grund bevorzuge ich, stille und gehörige Mädchen, die sich auf nichts Festes bei mir beziehen, sondern sich nur der Lust hingeben wollen, was leider nicht so häufig im nüchtern Zustand auftritt. Ihre nervige Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

"Okay", meint sie erleichtert und geht mir nach, als ich mich durch den Gang hinausringe. Ich merke, wie mir mehrere Schüler nach sehen und ich versuche meinen Blick unten gerichtet zu halten, ohne jemanden dabei anzustoßen. Meine langen Schritte werden zügiger. Wahrscheinlich sehen die uns bloß nach, da sie gemerkt haben, wie Jesslyn neben mir herläuft und sie sicher denken, dass wir was miteinander haben oder so. Am liebsten würde ich auf diejenigen zusteuern, sie kräftig am Kragen packen und ihnen entgegen schreien, dass sie sich gefälligst um ihren eigenen Scheiß kümmern sollen, doch ich will keine Aufmerksamkeit erregen. Es kostet mich viel Überwindung diesen Einfall fallen zu lassen und weiter auf den Ausgang zu zugehen, ohne mich umzudrehen und den Gedanken doch auszuführen.

"Sie sehen dich alle an", meint sie nun neben mir hetzend, als ich die zwei dunkelbestreichten Türen aus geschleiftem Holz zur Seite drücke. Frische Herbstluft legt sich um mich und ich atme aus. Sie holt mich wieder ein. "Sag bloß", zische ich ihr entgegen und verziehe dabei unmerklich meine Mundwinkel zur Seite. Sie stößt mir ihren Ellenbogen leicht in die Hüfte, mit den Worten: "Sei doch nicht so, sie beneiden dich doch bloß." Ihr lautes Lachen hinter her ekelt mich an und lässt mich kurz aufschauen. "Du hast gar keine Ahnung", sage ich kalt angebunden und sie hört auf zu lachen, als ich ihr ernst entgegen blicke. Viel Geld zu besitzen ist in vielen Hinsichten vorteilhafter, als weniger davon zu besitzen oder sogar arm zu sein, aber niemals ist man damit glücklicher, als diejenigen mit wenigem Vermögen. Etwas, was mich schon von klein auf, nicht mehr in Frieden lässt und zu denken gibt.

Sie ist ruhig und sagt nichts mehr. Gut so. Wir gehen über den Campus vom nebenstehenden Collegegebäude, woraufhin wir an einem verschnörkeltem Tor ankommen und ich wieder zu ihr sehe. "Wohin jetzt?", frage ich sie und sie läuft vor. "Folg mir einfach", sagt sie und ich nicke zur Antwort, selbst wenn sie es nicht sieht. Wir gehen durchs Tor und verlassen somit das Gelände.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt