24. Ekel

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Damino
Die Tage ziehen vorüber, die Nächte werden länger und kälter. Nach dem Vorfall von Jess, ist jeder in der Schule vorsichtiger und die Lehrer strenger geworden. Man hatte am Tag der Durchsuchung nichts aussagekräftiges gefunden als Beweismaterial. Mittlerweile geht es Jesslyn wieder gut und sie hat sich wieder in das Schulleben hinein gefunden.

Ich halte Abstand zum schwarzhaarigen Mädchen. Sie hatte seitdem ich mich nach hinten gesetzt habe kein Wort mehr mit mir geredet. Unsere Präsentation verläuft durch den Tattootyp, ich glaube er heißt Luca oder so. Ich richte ihm aus, was ich vortrage und er übergibt es Asteria weiter. Zwar scheint er genervt zu sein, von diesem Schema eine Präsentation vorzubereiten, doch er hat auch noch nichts dagegen unternommen. Ich schließe meinen Spind und steuere den Ausgang der Schule an. Ich muss jetzt eine rauchen, sonst packe ich diese Woche nicht. Heute hatten wir die Befragung mit der Polizei, wobei einige Schüler die nicht mit in Jesslyns Freundeskreises dazugehört, abgefragt worden sind. Mich eingeschlossen, da sie so oft mit mir gesehen wurde. Sie bringt mir nichts als Probleme.

Die Polizei hatte mich also förmlich mit Fragen durchlöchert, bis mein Mund vom antworten dieser Fragen trocken wurde.

Noch dazu verwirren mich meine Gefühle derzeit. Ich verstehe nicht ganz, weshalb ich mich so aufgewühlt fühle. Fast so also würde mich etwas mitnehmen, von dem ich mir selber noch nicht ganz bewusst bin.

Na gut. Allgemein fühle ich mich einfach nicht wie ich soll. Schlecht gelaunt, abgelenkt und teilweise müde. Mir fehlt sogar die Motivation, dass angefangene Buch das ich vor einer Woche bei Martin ausgeliehen hatte, zu Ende zu lesen. Ich liebe es zu lesen. Allein das Gefühl eines Buches gibt mir ein Stück Geborgenheit, dass mir seit der Kindheit so bekannt ist. Das einzige, was mich etwas aus der Realität holen kann und mir die Zeit gibt abschalten zu können. Der Geruch eines Buches erinnert mich daran, wie ich damals die Bücher meines Bruders geklaut hatte, um diese lesen zu können, obwohl sie nicht für mein Alter geeignet waren.

Ich hatte mich mit ihm letztes Wochenende getroffen und wir haben uns ausgesprochen. Ich habe mich bei ihm über dieses Internat hier ausgekotzt und er erzählte mir von seiner Freundin Hanna. Wie glücklich er sei und dass er sich lange nicht mehr so sicher bei etwas war, wie bei ihr. Ich freue mich für ihn.
Er bedeutet mir mehr, als dass ich es in Worte fassen könnte. Dennoch, weiß nicht mal er genau, was manchmal so in mir vorgeht. Er meint immer, dass ich sein ganz persönliches Rätsel bin, seit ich in seinem Leben aufgetaucht bin. Wenn ich daran denke, dass ich als Kind ihn immer von seinem Rollstuhl kicken wollte, um auch mal damit fahren zu können, muss ich schmunzeln, da er mir diese Geschichte bis heute noch verhängt. Der Gedanke bringt mich etwas zum schmunzeln, höre dann aber sofort wieder dann damit auf. Asteria steht am Ausgang und wird von einem Typen denn ich nicht kenne blockiert. Er scheint aufdringlich und laut zu sein. Ich müsste an ihr vorbei, um nach draußen gelangen zu können. Meine Schritte werden langsamer während ich Gesprächsfetzen mitbekomme.

"Komm schon, nur dieses eine Mal.."

"Ich sagte nein."

"Was hält dich auf?"

"Verdammt, soll ich es dir auf die Stirn tätowieren oder was?"

Ich versuche mich an ihr vorbei zu drängen als ich die Glastüre erreiche. Sie beachtet mich nicht. "Ich mag junge Frauen, die so sind wie du." Er zeigt mit dem Finger auf sie und bezieht dabei ihre ganze Figur mit ein. Der Typ klingt, als ob er es auf sie abgesehen hat. Ich greife meine Sporttasche fester an mich. Einfach um den Drang loszuwerden, eine sinnlose Schlägerei anzuzetteln, da dass das letzte wäre, was ich bräuchte. Ich spüre das Gefühl von Ekel. So wie er redet, sieht er auch aus. Ein Schmarotzer. Jemand von dem sogar ich mich als Mädchen fürchten würde, falls er zu viel Alkohol getrunken hatte. Er ist ein widerlicher Mistkerl. Kann es sein, dass ich zu viel hinein interpretiere ?

Obwohl ich es mir versuche zu unterbinden, sehe ich zu ihr. Ein kurzer Augenblick. Ihr Blick ist starr auf den Flur gerichtet dann wieder zu dem Jungen der ihr gegenüber steht. Er scheint mir für sie viel zu alt zu sein. Bestimmt einer der zu oft wiederholen musste. Dann tut sie etwas, was ich zuvor noch nie ein Mädchen habe tun sehen. Sie schiebt ihn total locker von einem Moment zum anderen Moment zur Seite, obwohl er sicher das doppelte ihres Gewichtes wiegt und zeigt ihm ohne ihn eines Blickes zu würdigen den Stinkefinger. Dann wende ich wieder meinen Blick von ihr und atme frische Luft ein. Ich höre noch dass er ihr hinterherruft, doch dann bin ich zu weit entfernt um mithören zu können, wie es dann abgelaufen ist.

"Männer sind ekelhaft", murmle ich, als ich den Ausgang des Campus erreicht habe und dann an der Straße entlang laufe. Hier erwischt man mich nicht. Keine Verwarnung, keine Probleme. Der Rauch wird durch die Kälte des kommenden Winters verdichtet und ich sehe in den Himmel. Wie hatte sie es geschafft, so einfach ihn zu Seite zu schieben? Wie viel Kraft hat dieses Mädchen denn? Dann muss ich daran denken, was sie mir an dem Tag erzählt hatte, als ich erfahren habe, dass sie sich vor der Dunkelheit fürchtet. Wie komisch. Vor so jemanden hatte sie nicht ein bisschen Angst gezeigt und aber vor bloßer Dunkelheit fürchtet sie sich?

Als sie mir erzählt hatte, dass ich anscheinend absichtlich ihr den Platz in die Box-AG genommen habe, war ich für Sekunden sprachlos.

Deshalb hatte sie mich von Anfang nicht gemocht, nein regelrecht verachtet. Und sie ist voreingenommen. Sie prahlt mich an, als wäre ich gerne eine bekanntes Modelgesicht und mit einem großen Erbe auf meinem Bankkonto. So oft werde ich mit Vorurteilen konfrontiert und dennoch, hatte mich ihres geschafft am meisten kränken zu können. Wahrscheinlich, weil sie es mit so einer Überzeugung tut, dass ich es ihr glatt abkaufen könnte.

Ich sehe auf meine Uhr, die sie zu Schulanfang mit bösen Blicken angesehen hatte, und merke dass ich zurück gehen sollte. Der Boxunterricht beginnt in wenigen Minuten. Gerade als ich den Campus betreten möchte sehe ich wie Kyrian, der Typ der mich in der Skaterhalle schlägern wollte, ein zierliches Mädchen küsst. Direkt an der Wand angelehnt und ziemlich sanft für dass wie ich ihn eingeschätzt habe. Ihr Gesicht ist mir nicht bekannt und sie scheint jünger als er zu sein. Der Kuss artet in einem anderen heftigen Kuss aus. Ich sehe weg, mache nicht bekannt, dass ich ihn hier erwischt habe und setze meine Schritte fort. Er hatte mich zum Glück in seinem Erfolgserlebnis nicht bemerkt. Vielleicht wird das eine wichtige Informationen für mich sein, falls ich dass Mal gegen ihn verwenden möchte.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt