13. Verziertes Gemälde

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Damino

"Was tust du da?"

Ihre Stimme klingt aufgebracht, während ich sie den Flur entlang ziehe. Ich ignoriere ihre Frage und ziele auf die leere Nische am Ende des Gangs, die mit einer alten Holzbank ausgestattet ist. "Sei still", unterbreche ich sie scharf, bemüht, die neugierigen Blicke der wenigen Anwesenden zu vermeiden. Die angespannten Gesichter der Umstehenden verengen sich in meiner Wahrnehmung zu einer einzigen Masse. Was starrt ihr so?, denke ich, halte die Worte aber zurück. Es gibt gerade Wichtigeres.

Ich werfe einen schnellen Blick auf ihr Gesicht. Sie zerrt an meinem Griff, ihre schmalen Finger umschließen mein Handgelenk, doch ich lasse nicht los. Ihr Fluchen perlt von mir ab.

"Ich denke gar nicht daran, d-"

Ich unterbreche sie erneut, diesmal, indem ich meine Hand auf ihren Mund lege. Ihr Blick lodert vor Empörung, und sie drückt mit ihrer freien Hand energisch gegen meine Brust, bis sie genügend Abstand zwischen uns geschaffen hat. Endlich löst sich ihr Körper aus meiner Reichweite. Ich nehme einen weiteren prüfenden Blick in den leeren Gang, bevor ich mich wieder auf sie konzentriere.

"Was soll das?", zischt sie, die Arme verschränkt, die Stimme scharf. Ihre Haltung strahlt Trotz aus, doch sie schreit nicht, obwohl ich genau das erwartet hätte. Stattdessen wirkt sie ruhig, zu ruhig. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, und ich weiß es.

Ich atme einmal tief ein und aus, um die Fassade aufrechtzuerhalten, während meine Hand in die Vordertasche meines Pullovers gleitet. Mein Blick bleibt auf ihr, als meine Finger den Gegenstand ertasten, den ich gesucht habe. Ich ziehe ihn langsam heraus.

Ihre Augen weiten sich augenblicklich.

"Der gehört doch dir, oder nicht?" Meine Stimme bleibt kühl, während ich ihr den Schlüssel präsentiere, den ich aus meiner Tasche gezogen habe. Es ist kaum nötig, die rhetorische Frage zu stellen, denn ich sehe die Antwort bereits in ihrem Gesicht.

Bevor ich reagieren kann, springt sie auf mich los. Ihre Bewegung ist schnell und entschlossen, fast wie ein Reflex. Ich reiße den Schlüssel in die Höhe, knapp außer ihrer Reichweite, während sie wild nach meinem Arm greift. Sie ist hartnäckig, das muss man ihr lassen, und für einen Moment spielt ein Hauch von Belustigung auf meinen Lippen.

"Was soll das? Gib ihn zurück!" Ihre Stimme ist jetzt voller Zorn, ihre Worte klingen wie ein Befehl.

Dann spüre ich ihre Faust in meiner Brust. Der Schlag ist fest, aber nicht genug, um mich ins Wanken zu bringen. Ich bleibe ruhig und unverändert.

"Hast du ihn gestohlen? Oder gefunden? Oder jemanden beauftragt, ihn mir zu entwenden?" Ihre Augen funkeln vor Wut, und sie stößt mich diesmal mit mehr Kraft von sich weg, nur um mich sofort wieder zu packen und einen weiteren Schlag anzubringen.

Ihre Anschuldigungen sind absurd. Ich schnalze leise mit der Zunge, während ich sie mustere. Ich und stehlen? Oder jemanden anheuern, das für mich zu tun? Für wen hält sie mich?

Trotzdem kann ich ihr eines zugestehen: Sie gibt nicht auf. Es gibt keine Spur von Zögern in ihren Bewegungen, und Nähe scheint ihr keine Angst zu machen. Aber langsam reicht es mir.

Ich mache einen Schritt nach vorne, meine Haltung unnachgiebig. Ihre Schultern straffen sich, und sie weicht unmerklich zurück.

Mit einer Hand umfasse ich gezielt ihre beiden Handgelenke und festige sie abrupt nach hinten an die Wand, so dass sie keine Möglichkeit mehr hat umher zu zappeln und mir den Schlüssel zu entreißen.

Ihre Augenbrauen gehen in die Höhe und sie verzieht etwas die Lippen. Erstaunt sieht sie mich plötzlich an und hatte wahrscheinlich damit am aller wenigsten gerechnet. Ich wundere mich plötzlich, wer noch sie alles gegen eine beliebige Wand gedrückt hat und ob sie oft solchen Situationen konfrontiert wurde.

Mir kommen auf einmal Gedanken, die mir im Moment gar nicht hineinpassen und dennoch mich verlocken. Gerne würde ich ihr zeigen, wozu ich noch alles in der Lage bin, doch ich halte mich gerade noch so zurück. Ich will nichts von ihr und das bleibt auch so. Mein Blick huscht minimal auf ihre Lippen, dann wieder zu ihren blauen Augen, die im jetzigen Licht dunkel wirken. Wieso fällt es mir aber so schwer, gerade bei ihr, das Mädchen, dass mich nicht ausstehen kann und überhaupt nicht mein Typ ist, mich von meinen Gedankenläufen zu stoppen? Ich schüttle etwas meinen Kopf. Ich hatte einfach lange niemanden mehr flachgelegt, dass ist der simple Grund und nicht sie.

"Erstens, ich kann es nicht leiden, wenn man so widerstrebend und laut ist. Zweitens, beruhigst du dich jetzt endlich und hörst mir zu was ich dir zu sagen habe und Drittens, nein ich habe ihn auf dem Flur gefunden und nicht gestohlen", erläutere ich ihr nun verärgert nahe runterbeugend ihrem Gesicht. Sie sieht mich nun aus erwartungsvollen Augen an und nickt.

"Okay, ich höre", meint sie nun leiser, dennoch zurechtweisend. So als ob sie mir damit klarmachen will, dass sie immer noch Oberhand über diese Situation hat.

"Lass mich dafür aber los", meint sie anfügend und zerrt etwas mit ihren Händen an meinem Griff. Ich erhöre ihren angestrengten Atem, der mir deutlich zeigt, wie sehr sie dieser Umgang ihr nicht gewohnt ist. In einer Beziehung würde sie sicherlich das Sagen haben. Wie viele Beziehungen sie wohl schon hatte?

Langsam lasse ich meinen Druck auf ihren Handgelenken nach und sie sinken hastig hinunter, als ich sie ganz los lasse. Ich versuche einen guten Anfang zu machen, doch bevor ich zu reden beginne, atme ich frustriert aus. Ich habe es nicht so mit Worten. Ich bevorzuge es lieber mit Taten meine Gedanken und Gefühle darzustellen. Gebannt sieht sie hinter mich, ganz so, als ob sie mir nicht ins Gesicht sehen will. Ich trete einen schmalen Schritt von ihr weg.

"Sag mir, was du gegen mich hast und ich werde dir den Schlüssel zurück geben, ganz ohne jegliche Kompromisse", fordere ich sie auf und sie schlüpft gekonnt an mir vorbei. Von mir weg und der Wand, wobei sie höhnisch lacht. Wie ausgewechselt. Sie stellt sich mit Abstand vor mich mit einem schelmischen Grinsen hin und verschränkt, wie ich nun von ihr gewohnt bin, die Arme. "Was kümmert dich das? Kannst du nicht mit Hass umgehen oder was?", stellt sie mir als Gegenfrage. Ich drehe mich zu ihr um, wobei ich mich dann gelassen mit dem Rücken an die Wand anlehne, wo zuvor sie gestanden war.

"Das ist nicht der Punkt. Ich verstehe es bloß einfach nur nicht, was ich getan haben könnte, um dich so sehr zu verärgern."

Sie ist viel zu robust, um jemals mit ihr ins Bett steigen zu können. Nicht das ich es je in Erwägung gezogen hätte.

"Wenn das nicht der Punkt ist, kann ich dich ja weiter hassen und du kannst dein geldüberfülltes Leben weiter führen. Und jetzt gib mir den verdammten Schlüssel", meint sie stur und deutet auf ihre offengelegte Hand, die mir andeuten soll, darin den Schlüssel abzulegen. Jetzt bin ich derjenige der höhnisch auflacht. Entweder hatte sie mir vorhin nicht zugehört oder spielt mir nun eine Szene vor. Mir wird ihr Verhalten zu blöd und meine Nerven halten es bald nicht mehr aus. Ich war lange genug geduldig mit ihr.

"Ganz ehrlich, hier hast du ihn", sage ich erzürnt. Ich werfe ihr den Schlüssel entgegen und er landet mit einem lauten Knall vor die Füße.

Dann mache ich kehrt ohne sie eines Blickes zu würdigen und steuere auf mein Zimmer zu. Ich bin mir noch nicht mal sicher, was ich mir dabei überhaupt gedacht habe, sie daraufhin anzusprechen. Was ist bloß in mich gefahren? Dieses Internat tut mir nicht gut.

"Männer", ruft sie mir nach. Entfernt höre ich, wie sie den Schlüssel aufhebt und ein leises so ein Arschloch flucht. Ja, du bist mir auch kein Engel, Asteria Amnick.

Ich kicke mit dem Fuß gegen einen Stuhl und schnaube laut, als ich Daxton auf dem Bett liegen sehe und dieser nun sich ruckartig aufsitzt.

"Was dachtest du dir eigentlich, wer du bist?", fährt er mich an und ich bin von der Lautstärke seiner Stimme tatsächlich überrascht. Ich ziehe mir gelangweilt den Pulli über den Kopf und entblöße meinen Oberkörper somit. Er sieht komischerweise wirklich wütend aus und lässt mich nicht außer Augen. Gott, kann er nicht in einem anderen Zimmer seine Predigten halten und mich in Ruhe lassen? Er redet weiter auf mich ein, doch ich schenke ihm keine Beachtung und lege mich ins Bett.

Den Blick auf die weiß bestrichene Decke, denke ich über all mögliche Dinge und ende damit bei ihr. Als Daxton sich auf dem Weg macht zur Cafeteria, um wahrscheinlich das Abendessen nicht zu verpassen, atme ich erleichtert aus. Vollkommene Ruhe umgibt mich, als er das Zimmer harsch verlässt. Ich wasche mir das Gesicht bevor ich schlafen gehe und träume dann von den Vögeln, die ich als Kind gefüttert hatte.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt