48. Gespräche

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Asteria

"Was hast du da an? Und sag mal, schwitzt du so sehr oder weshalb glänzt du, wie eine frisch polierte Scheibe?"

Charmant, wie immer. Jean legt sich die Zeitung auf den Schoß, bevor er seine Kippe zwischen die Lippen klemmt und mir den Rauch entgegen bläst. Ich nehme mir die Wolljacke von den Schultern und lege sie auf das mit Falten überzogene Seitensofa.

"Musst du nicht arbeiten?", entgegne ich locker und setze mich dann zu ihm, an den blasierten Esstisch. Er übernimmt die Nachtfahrten und die Tagesfahrten finden nur unter der Woche statt. Das ist mir bewusst. Dennoch konnte ich mir den Spruch nicht verkneifen.
Ich höre ihn vor Lachen grunzen. Dann nimmt er einen weiteren Atemzug. Der Zigarettenrauch vermischt sich mit dem Duft des alten Leders, auf dem ich sitze. Ich bemerke das Glas Wasser auf dem kleinen Tisch und greife erleichtert danach.

"Erzähl schon, wer hat dich gefahren?", fragt er mich weiter aus, als er mir wieder den Rauch ins Gesicht pustet.

"Der Motor war nicht mal so laut", gebe ich zu und nehme einen Schluck vom Wasser. Wie gut das tut. Ich nehme direkt einen weiteren Schluck. Er lacht wieder und wirft die Kippe in das leere Marmeladenglas, wo kleine Funken empor steigen.
"Machst du Witze? Ich glaube der ganzer Trailerpark hat deine aufbrausende Fahrt mitbekommen", sagt er verschmitzt. Ich verziehe unwillkürlich das Gesicht. Das hatte mir bis eben noch gefehlt. Eine neugierige Nachbarschaft, die sich nach mehr Tratsch und Klatsch sehnt.

Ich seufze bevor ich zu sprechen beginne.

"Er ist nur ein Klassenkamerad", sage ich und stelle das nun leere Glas vor mir ab.

Dann bemerke ich, wie etwas mein Bein umkreist und sehe runter. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen. Ich greife nach der schwarzen Katze und lege sie mir auf den Schoß ab. Sie beginnt leise zu schnurren und macht es sich auf mir gemütlich bevor sie ihre Pfoten gemächlich ausstreckt. Ich senke meinen Kopf zu ihr und spreche leise: "Hey Minty, na hast du mich vermisst?" Sie schmiegt ihren Kopf als Antwort in meine Hand.

"Ein Klassenkamerad, der dich einfach so nach Hause fährt? Ach Tria, ich bin doch nicht blöd, hau jetzt mal die Fakten auf den Tisch und zier dich nicht so. Ich bekomme es so oder so heraus", sagt er.

Ich schnaube erschöpft, als ich seinen neugierigen Blick bemerke. Ich liebe meinen Onkel sehr, doch manchmal würde ich ihm gerne meine Stiefel ins Gesicht rammen, weil er so unglaublich aufdringlich sein kann. Minty dreht ihren Kopf zu mir und lässt mich somit ihre Ohren graulen. Ihr Schnurren wird lauter.

"Ich gebe ihm Nachhilfe und im Austausch fährt er mich eben ab und zu wohin."

"Im welchen Fach?"

"Psychologie", antworte ich knapp, da mein Fokus auf der schwarzen Katze liegt. Ihr Fell ist so weich und schön.

Er grunzt zu Antwort und nimmt einen Schluck von seinem Kaffee, der vor ihm steht.

Mein Blick gleitet nach draußen und bleibt an den verschneiten Bäumen hängen. Ich habe das plötzliche Verlangen aufzustehen und einen Sparziergang zu machen. Ich brauche nach den letzten Tagen frische Luft und etwas Privatsphäre.

Da fällt mir ein, dass ich eine lange Zeit nicht mehr bei meiner Lieblingssitzbank war. Da oben hat man den besten Ausblick auf den ganzen Trailerpark. Als Kind war ich dort gerne, da es zu Nachtzeiten, der schönste Ort war, wenn der Himmel klar war.

"Er scheint viel Geld zu besitzen. Wieso sollte er dich zur Nachhilfe anheuern, wenn er sich eine professionelle Nachhilfe leisten kann?", fragt er mich unverblümt. Mir ist bewusst, dass seine Frage nicht gemein klingen soll, aber ich fühle mich verurteilt. Als wäre ich nicht in der Lage, um als Nachhilfe dienen zu können.

𝑩𝒆𝒕𝒘𝒆𝒆𝒏 𝒚𝒐𝒖 𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt