Kapitel 49

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Ich konnte mich auf nichts verlassen, außer auf meine Ohren. Der Boden war dunkel, meine Augen starr darauf. Die Arme und Beine immer in der gleichen Position, als ob ich sie jemals ändern könnte. Die Fesseln zogen leicht an den Gelenken und mein Nacken wurde steif, durch die dauerhafte gesenkte Haltung des Kopfes. Das Buch, welches kaum Gewicht hatte, schien mich mit der zeit immer mehr nach unten zu drücken. Ich verstand nichts, hatte nur mitbekommen, dass mehrere Leute gekommen waren, doch wie viele? Waren auch Sklaven, wie ich es eine bin, darunter? Ich hörte nur einer Fremden Sprache zu, die ich stark auf italienisch vermutete.

Die Zeit verging und mir tat alles weh. Vom Nacken bis zu den Füßen jedes Gelenk, als würde ich für ewig so versteife, wenn ich länger so knien würde. Meine Augen wurden Müde, mein Kreislauf fuhr sich weiter runter, doch ich musste wach bleiben, durfte nicht einschlafen. Wer weiß ob das Buch dann noch so liegen bleiben würde. Das Gespräch war ruhig, gesittet. Doch scheinbar wurde es durch einen Beitrag ins wanken gebracht. Ich erschrak so sehr, vor der Hand, die plötzlich auf den Tisch knallte, dass ich zusammenzuckte und das Buch von meinen Kopf viel. Das Zucken Sorgte zusätzlich dafür, dass die Fesseln mehr Schmerzten. Ich spürte den Blick von Michael auf mir. Wären ein Mann lauthals eine Ansprache hielt, beugte sich mein Herr zu mir runter und hob das Buch auf. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen, auch wenn ich es so gerne tun würde. Das Buch wurde mir wieder auf den Kopf gelegt und die Ruhige Stimmung verwandelte sich in eine aufbrausende. Nur zwei Männer sagten nichts. Michael und Simon blieben still, hörten den anderen zu und ich wusste irgendwie, dass Michael genervt war. Ich sah ihn nicht einmal an, doch mein Instinkt sagte es mir einfach.

Simon war der erste der beiden Männer, der wieder mal das Wort ergriff. Obwohl er seine Stimme nicht erhob, war er deutlich zu hören und die anderen verstummen sofort. Die Ruhe darauf war peinlich, als würden sich manche für ihren Ausraster schämen und trotzdem lag noch immer Spannung in der Luft. Bei der ganzen Lautstärke hatte man sie gar nicht gemerkt, doch jetzt in der Ruhe, schien sie fast greifbar zu sein. Ich würde gerne wissen, was der Blondhaarige gesagt hatte, dass er so eine Stimmung erzeugen konnte. Es war fast bedrückend, sogar ich fühlte mich unwohl. Dabei konnte ich am wenigsten etwas dafür. 

Nach fast einer Minute, ergriff Michael das Wort und obwohl die Stimmung fast wieder aufwallte, blieb sie unterdrückt. Die beiden Männer wussten, wie sie ihre gegenüber klein halten konnten. Hatten sie so einen Einfluss? Ich wusste nichts über sie, aber sie schienen in diesen Untergrund nicht bedeutungslos zu sein. Ich hatte keine Ahnung, wer da neben mir saß und es jagte mir Angst ein. Mit welcher Person legte ich mich an, wenn ich gegen seinen Willen handelte, was konnte er alles tun, wovon ich keine Ahnung hatte? Seine Macht könnte endlos sein, in Dimensionen greifen, die ich mir nicht einmal vorstellen konnte. Aber es könnte auch genau andersherum sein. Was ist, wenn er keine wirkliche Macht hatte, sondern nur Druckmittel gegenüber die anderen. Dann wären sie die einzigen, an denen er Macht ausüben kann. Doch solange ich das nicht wusste, sollte ich mich auf das schlimmste einstellen. 

Eine Stunde später, das Buch war mir noch zwei mal runtergefallen, wurde sich verabschiedet und der Raum wurde immer leerer. Ich wollte Michael nachsehen, als er seinen Stuhl nach hinten schob um aufzustehen, doch diesen Drang musste ich unterdrücken, sonst wäre mir ein weiteres mal dieses Teil vom Kopf gefallen.

"Ich wünschte es würde Gehirne regnen." Spottete Simon, der nicht ganz zufrieden schien. 

"Darauf kannst du lange warten. An sich lief es doch gar nicht schlecht, bis auf Clary."

"Der Pisser geht mir auf den Sack. Bis auf große Töne, bringt er zu nichts. Das einzige, was bei ihn funktioniert sind mitdenkende Mitarbeiter, die im Fall der Fälle alles auf ihn abschütteln würden. Er selbst denkst, er sei der Größte und bläst sich auf wie sonst was." Er schien diesen Mann wirklich zu hassen. 

Mir wurde das Buch vom Kopf genommen und meine Fesseln gelöst. Michael hockte sich neben mich, umgriff meinen Kopf und fing an ihn in kreisenden Bewegungen zu führen, damit sich die Verspannungen lösten. Jede Berührung tat weh, was man mir deutlich ansah. 

"Er wird auf den Kopf fallen, ich gebe ihn keine weiteren fünf Jahre und trotzdem ist das Geld, was er besitzt hilfreich."

"Und das einzige, was er zu bieten hat."

Michael entließ ein kaltes, aber zeitgleich amüsiertes Lachen.

"Reg dich nicht so über ihn auf. Es gibt wichtigeres, worauf wir uns konzentrieren können." Erinnerte er.

Ein unverständliches Murren entkam den Partner.

Als es langsam ging, versuchte ich meinen Kopf von selbst zu Bewegen, woraufhin Michael meine Beine in Anspruch nahm. Das Strecken tat ungemein weh, allgemein meine Knie schmerzten extrem, als könnte ich meine Beine nicht mehr nutzen.

"Du musst schon versuchen deine Beine locker zu lassen." Kommentierte mein Herr die Verspannungen. Ich nickte daraufhin nur, denn es funktionierte nicht wirklich. 

Simon sah zu, schien an irgendwas zu knappern. Ich wagte es nicht ihn anzusehen, spürte aber seinen Blick auf mir. Als meine Glieder einigermaßen wieder funktionierten, wurde ich auf die Beine gezogen. Es gab etwas zu trinken und dann gingen wir. Ich folgte den Männern schweigend, die sich ein bisschen an meinen Tempo anpassten, damit ich hinterherkam. wir gingen die Treppen runter und als kurze Hoffnung in mir Aufkam, dass wir wirklich nach draußen gehen würden, wurde diese fast sofort zu nichte gemacht. Die Kellertreppen waren aus kalten Stein, wie die Wände. Man sah zwar, dass sie erst neu gemacht wurden, doch ich erkannte sofort, wo diese hinführen. Ich blieb stehen, merkte, wie sich alles in mir zusammenzog. mir war richtig übel, ich sah zu Michael hoch, der meine Reaktion beobachtete. 

Ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als würde er mir die Angst nehmen wollen. Simon war schon ein paar Stufen gelaufen, wartete aber auf uns. War das wegen den Buch? Meine Gedanken überschlugen sich beinahe. War das die Strafe dafür? Sollte ich wirklich wieder unter die Erde? Das kann doch nicht sein! Ich will da nicht runter, bitte!

"Sayo." 

"H-herr..." meine Stimme zitterte, meine Arme waren mit Gänsehaut verziert.

"Wir gehen nicht wegen dir runter. Du sollst uns nur begleiten."

"D-das mit d-den B-buch...."

"Das hier ist nicht deine Strafe, darum kümmern wir uns heute Abend." Er kannte meine Angst, meine schlechten Erfahrungen der letzten Monate. Ihn war es wichtig, dass ich erkannte, dass ich nichts falsch gemacht hatte, um dahin zu kommen. 

Ich sah auf seine ausgestreckte Hand, nahm sie vorsichtig an. Der Mann führte mich die Treppe runter, wir folgten Simon. Zuerst sah der Keller wie ein typischer aus, doch umso weiter wir gingen, desto mehr erkannte man, dass es keiner War. Im Gang lag ein Mädchen, festgekettet an einer Wand, vor ihr Näpfe als sei sie ein Hund. Ob sie atmete oder nicht, konnte man kaum erkennen. Ich spürte, wie mir fast die Galle hochkam. Michael drückte meine Hand, als würde er mir sagen, dass ich mich zusammen reisen solle. Dieser Keller war tausendmal schlimmer, als der von Michael. hinter manchen Türen waren Schreie zu hören. Von Männern und Frauen. Ob aus Qual oder als Versuch Hilfe zu bekommen, wusste ich nicht. Hier unten war die wirkliche Hölle. Sie war kein Ort aus Feuer und Schmerzen, sondern sie war kalt und hinter jeder Tür lag etwas anderes Schreckliches, was man sich nicht einmal zu denken wagte.

No escapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt