9. Kapitel: German

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Danke für deine immer so lieben Kommentare, ich wünsche dir und deiner Schwester viel Glück :)


Es ist sehr früh als ich erwache, nur die Vögel sind schon wach. Wie es Angie wohl gerade geht? Das Bild, wie sie einfach da lag, so zerbrechlich, auf eine mysteriöse Art trotz allem wunderschön, geht einfach nicht aus meinem Kopf. Monsieur Bouvier sagte, es wäre möglich, dass Angie heute aufwachen würde und mein Bauchgefühl sagt mir, dass da etwas dran war. Ich würde gerne noch etwas in meinem Bett liegen, noch eine Runde schlafen und die qüalenden Gedanken um Angie etwas beiseite schieben, doch ein Teil meines Verstands hindert mich daran. Kümmere dich um deine Tochter, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Langsam stehe ich auf, ziehe mich an und mache mich dann auf den Weg zu Violetta. Auch sie konnte anscheinend in der Nacht nicht schlafen, sie hat dunkle Schatten unter ihren Augen und gähnt zur Begrüßung. "Morgen, Vilu. Ich mache uns Frühstück, kommst du?", frage ich sie mit soviel Elan wie ich gerade aufbringen kann. Violetta nickt und gemeinsam laufen wir in die kleine Küche unseres Appartments.

"Glaubst du Angie kommt wieder in Ordnung?", fragt Violetta mich plötzlich während zwei Bissen von ihrem Croissant. Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit und schließlich antworte ich ihr:" Ich weiß es nicht, Vilu. Ich habe Angst um sie." Da wird mir bewusst wie wahr meine Worte tatsächlich sind. Der Gedanke, ihr Zustand könnte sich verschlechtert haben, jagt mir einen Schauer über den Rücken. Sie ist mein Engel, ich kann sie nicht verlieren. "Du liebst sie wirklich sehr", durchbricht Violetta die entstandene Stille. "Ja, aber ich glaube ich habe es vermasselt", antworte ich wahrheitsgemäß und spüre, wie sich das schlechte Gewissen in mir breit macht. Ich habe alles verloren, was mir wichtig ist, abgesehen von meiner Tochter. Erst Maria, dann Esmeralda und nun auch noch Angie. Ich bin derjenige, der es verdient hätte in einer Art Koma zu liegen und nicht Angie. Angie, die alles um sie herum zum Strahlen bringt. Angie, die immer nur an das Gute in den Menschen glaubt. Angie, die Violetta geholfen hat so zu werden wie sie heute ist. Und das alles sitzt auf dem Spiel, weil ich Idiot sie verletzt habe?

Ein lautes Klingeln reißt mich aus meinen düsteren Gedanken. Es ist mein Handy. Violetta holt es und sagt:" Es ist Angie's Arzt, dieser Monsieur Bouvier, geh bitte hin, vielleicht gibt es etwas Neues von Angie" Mit zittrigen Fingern drücke ich auf annehmen. "German Castillo", melde ich mich. "Hier ist Monsieur Bouvier, ihre Schwägerin befindet sich in der Phase kurz vor dem Aufwachen. Möchten Sie und ihre Tochter dabei sein?", frage er. Was für eine Frage! "Natürlich, wir sind in fünf Minuten da. Danke für die Information",antworte ich und lege auf. Violetta schaut mich fragend an. "Angie wacht vermutlich gleich auf, beeile dich bitte"erkläre ich ihr kurz. Violetta tut wie ihr geheißen und steht sofort auf, während ich mir meine Schuhe anziehe.

Wenige Minuten später laufen wir stillschweigend nebeneinander zum Krankenhaus. Vor der Eingangstür nimmt Violetta meine Hand und bringt mich so zum Stehen. "Jetzt wird alles wieder gut. Wir werden ihr helfen, dort wieder herauszukommen, verstanden?", befehlt sie mir. Sie ist so erwachsen geworden und das hatte vermutlich etwas mit Angie's Einfluss auf sie zu tun.. Ich nicke ihr zur Bestätigung zu und öffne entschlossen die Tür. Auf dem Weg zur Station spüre ich das Adrenalin in meinen Adern rauschen, während meine Hände wie verrückt zittern. Zu schnell erreichen wir das Zimmer, vor dem Monsieur Bouvier schon wartet. "Sind sie bereit?", fragt er mit einem merkwürdigen Blick zu mir. Entschlossen, ihm nichts von meiner Unsicherheit und Panik merken zu lassen, nicke ich ihm enthusiastisch zu.

Er öffnet die Tür und wir betreten das Zimmer. Angie sieht immer noch zerbrechlich, zart und doch erschöpft aus. "Es ist soweit, ich gehe an das andere Ende des Raumes", verkündet Monsieur Bouvier und zieht sich leise zurück. Wieder spüre ich seine Blicke in meinem Nacken, doch ich werde von Angie abgelenkt. Das gleichmäßige Piepsen der Herzfrequenz-Maschine wird schneller, bleibt jedoch gleichmäßig. Violetta und ich gehen an je eine Seit des Krankenhausbettes. Vorsichtig nehme ich eine ihrer Hände, welche erstaunlich kalt ist. Die Blicke von Violetta und mir treffen sich kurz und sie lächelt mir aufmunternd zu, dann spüre ich eine sanfte Bewegung an meiner Hand. Angie's Finger drücken vorsichtig meine Hand, die Augen hat sie noch immer geschlossen. Behutsam und bedacht, ihr nicht weh zutun, streichle ich langsam über ihren Handrücken. "Bitte gehen Sie kurz aus dem Raum, ich mache eine kleine Untersuchung mit Mademoiselle Carrara, dann können sie wieder herein kommen", fordert Monsieur Bouvier uns auf. Es war so schön gewesen Angie's Hand in meiner zu spüren, so sanft und wunderschön, doch ich beuge mich dem Befehl und verlasse mit einem Blick zu Angie das Zimmer.

Violetta tigert nervös im Gang auf und ab. "Wie lange braucht der denn noch?", fragt sie vollkommen genervt und ich stimme ihr zu. Wenn er noch zehn Minuten länger braucht, gehe ich einfach zu Angie, beschließe ich.

Einen Moment später öffnet sich die Tür. "Sie können wieder herein kommen, aber seien Sie bitte vorsichtig, Mademoiselle Carrara ist noch nicht wieder vollkommen bei Kräften", mahnt er uns. Ich eile zu dem Bett und nehme erneut Angie's Hand. Wie ein Strom umhüllt mich eine Woge aus Freude. "Wie geht es dir?", frage ich ziemlich dämlich, während ich immer noch ihre Hand halte. Diese verkrampft sich bei meinen Worten augenblicklich. Langsam öffnen sich ihre Augen. Ihre tief blauen Augen wirken, wie hinter einer Milchglasscheibe, seltsam verdeckt und weit entfernt. Sie schließt ihre Augen beinahe, als ihr eine einzelne Träne über die Wange rollt. Sie sieht so einsam aus und ich kämpfe mit dem Bedürfnis sie in die Arme nehmen zu wollen. Meine Hand nähert sich ihrem Gesicht um die Träne fortzuwischen, doch eine zarte Stimme ließ mich innehalten:" German, nein. Was bildest du dir ein, hier herzukommen?" es ist unverkennbar Angie, ihre Stimme klingt anders, entfremdet und voller Schmerz. Ich schlucke schwer. "Angie, lass es mich erklären", fange ich an, doch sie unterbricht mich. "Nein, German. Ich bitte dich, verschwinde, noch mehr innerlichen Schmerz ertrage ich nicht mehr. Ich möchte dich hier nicht mehr sehen", sagt sie kalt und doch bin ich mir sicher, Angst herauszuhören. Fassunglos starre ich Violetta an. Tränen brennen mir in den Augen, doch das hier ist nicht der richtige Ort und nicht der richtige Zeitpunkt um sie zu weinen. "Geh", setzt Angie noch einmal mit Nachdruck hinterher. Ihre Worte treffen mich tief. Was war das nur? War ich so ein Monster zu ihr? Ich hatte mich geirrt, nicht meine Liebe zu ihr konnte sie wieder heilen, der Abstand zwischen uns ist das, was sie braucht. Aber sollte wahre Liebe nicht allem trotzen?

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