Prolog

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Theo

"They used to cheer when they saw my face.
Now, I fear I have fallen from grace."
- taylor swift

Wyatt spielte den Puck lang, so wie wir es immer trainiert hatten. Ich setzte zum Sprint an, die Augen immer zwischen dem über das Eis gleitenden Puck und dem gegnerischen Tor hin und her wandernd. Wenn dieser Assist und der Abschluss genauso gut klappten wie zuletzt im Training, hatten wir nicht nur die Gegner endgültig platt gemacht, nein, auch die heute anwesenden Scouts würden sich unsere beiden Namen fett unterstreichen.

Je näher ich dem Tor kam, desto lauter wurde der Jubel von den Rängen. Das hier war unser Stadion, unser Spiel. Ich verstärkte den Griff um den Schläger, der Puck war nun fast in Schlagweite. Aus dem Augenwinkel sah ich einen der Gegenspieler näher kommen. Wenn er sich mir in den Weg stellen wollte, war das sein Pech. Ich steigerte mein Tempo noch ein letztes Mal, bereitete mich körperlich und mental auf diesen - möglicherweise alles entscheidenden - Schlag vor.

„Theo, pass auf!", rief einer meiner Mitspieler, dessen Stimme ich bei diesem Geräuschpegel nicht einwandfrei zuordnen konnte. Meinte er den Gegner, der sich mir mit hoher Geschwindigkeit von links näherte? Den würde ich zur Not mit der Schulter weg rammen, da kannte ich keine Gnade. Das hier war Eishockey, kein Fußball. Doch dann spürte ich den Stoß im Rücken, als jemand mich rammte. Für einen kurzen Moment kam ich ins Straucheln. Normalerweise konnte mir so etwas nichts anhaben, aber nun hatte mich auch der andere Gegenspieler erreicht und prallte hart in meine linke Seite. Bei meinem Versuch dem Durcheinander zu entkommen und den verdammten Puck doch noch ins Tor zu bringen, blieb mein Schlittschuh hinter einem fremden Schläger hängen. Panisch registrierte ich, wie mir mein Gleichgewicht endgültig flöten ging. Nun sah ich nicht mehr das gegnerische Tor näher kommen, sondern die Bande. Ich bereitete mich auf den Aufprall vor - ärgerlich, aber nichts was ich nicht schon kannte. Ein blauer Fleck mehr würde auch keinen Unterschied machen. Meine Schulter knallte gegen die Bande und im gleichen Moment rutsche mein linkes Bein unkontrolliert weg.

Atemraubender Schmerz durchfuhr mich, während ich zu Boden ging. Vor meinen Augen tanzten helle Lichter und ich spürte sofort, dass blaue Flecken und verpasste Torchancen jetzt mein geringstes Problem waren. Ein markerschütterndes Schreien erfüllte meine Ohren. Dass es mein eigenes Schreien war, realisierte ich erst, als die Helme meiner Mitspieler in meinem Sichtfeld erschienen. „Ein Arzt, sofort!" Das war Wyatts Stimme. Und die Panik in dieser mir so vertrauten Stimme war der endgültige Beweis dafür, dass ich richtig tief in der Scheiße steckte.

Dann wurde alles schwarz.

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt